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Bertone Freeclimber: Vergiss den Dreck

Man kann einem Daihatsu Rocky Luxus einhauchen und einen BMW-Motor unter die Haube quetschen. Das nennt sich dann Bertone Freeclimber und ist sündhaft teuer. Bringt aber Miezen ran

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Bertone Freeclimber 6 Bilder
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Bernd Kirchhahn
Inhaltsverzeichnis

Die einen, die Italiener, standen kurz vor der Pleite. Wie immer. Die anderen, die Bayern, trommelten auf ihrer Machobrust rum. Wie immer. Dann gab es da noch Japaner, eine Zigarettenmarke und die Frage „ob uns der Neger erschlagen oder zujubeln will“. Vor allem aber gab es ein Problem: Die Miezen liefen uns weg.

Das war bei Offroadern Mitte der 1980er Jahre systemimmanent. Es gab eben coolere Typen als die Sandwühler in den eckigen Kisten. Das Image der Geländewagen wurde zum einen geprägt von der Camel Trophy. Das war ein pseudosportlicher Wettkampf, über den von Umwelt- und Gesundheitsaktivisten bis zu diversen Automarken und Motorsportlern alle meckerten. Zum anderen von der Rallye Dakar, bei der es immer wieder Tote gab und über die ein Automagazin 1985 schrieb, dass sie nicht wüssten, „ob uns der Neger erschlagen oder zujubeln will“. Erschwerend kamen Dreck und eine Optik hinzu, die im besten Fall als „praktisch im Gelände“ bezeichnet wurde.

Von Chick-Panzern und Milf-Bombern

Mittendrin in diesem Miezen vergraulendem Umfeld: der Daihatsu Rocky. Ein Geländewagen klassischen Zuschnitts. Er sollte 1984 den Markteinstieg für Daihatsu in Deutschland sichern. Die Ingenieure gaben ihm dafür Leiterrahmen, Starrachsen, Blattfedern und eine hintere Differentialsperre mit. Heute würde man den Wagen ein Försterauto nennen, damals gab es diese feinen Unterscheidungen im Allrad-Segment noch nicht. Crossover, SUV, Geländewagen, MILF-Bomber und Chick-Panzer ... der Rocky war ein Geländewagen. Fertig.

In der Szene war der Rocky mehr als nur ein Geheimtipp. Die Technik war, abgesehen von ein paar Rost-Hot-Spots, solide. Zwar zogen die Motoren allesamt keine Wurst vom Teller, doch der Drehmomentverlauf und das vergleichsweise geringe Gewicht garantierten brauchbare Offroad-Fähigkeiten. Dazu kam, dass der Rocky satte 2,1 Tonnen ziehen durfte, was damals sonst eher teureren Konkurrenten vorbehalten war.

Kurzum: Gähn. Kein Wort von Eleganz, Grandezza oder Leidenschaft

Zum Glück zeigte der Kalender mittlerweile das Jahr 1989 an und Bertone brauchte mal wieder dringend Geld. Das hatte mehrere Gründe. Zum einen steckte der Firma immer noch die Ölkrise in den Knochen, die das Geschäftsmodell nachhaltig geändert hatte. Weder zukunftsweisendes Design und Styling noch anachronistischer Prahl-Stahl mit Mörder-Motoren, also die eigentlichen Kernkompetenzen, waren mehr gefragt. Bertone musste sich mit mäßig finanziellem Erfolg bodenständigeren Modellen widmen. Die Produkte hießen VW Polo, Fiat Ritmo Cabriolet und Fiat X1/9. Die letztgenannten in neuem Gewand mit eigenem Label.

Der Panzer-Ferrari

Doch 1989 waren diese zwei Autos hoffnungslos veraltet, bildeten aber nach wie vor die Haupteinnahmequelle der Firma. Was weniger für die Fahrzeuge als vielmehr gegen das Einnahmemodell spricht. Ein neues Auto war allerdings nicht in der Pipeline und Bertone fehlte an dieser Stelle das Geld, um ein eigenes Projekt zu verwirklichen. Aus diesem Grund entschied sich das Unternehmen den Daihatsu Rocky zu veredeln. Die Italiener hatten erkannt, dass luxuriöse Geländewagen anfingen, ein Trend zu werden.

Der Rocky passte ins Konzept. Zum einen versprach die technische Basis – an der Bertone nichts ändern wollte – Zuverlässigkeit, zum anderen warb Daihatsu selbst damit, dass es sich bei ihrem SUV um eine Mischung aus Ferrari und Panzer handeln würde. In einem Werbespot fahren ein Ferrari und ein Panzer in eine Werkstatt, kollidieren und heraus springt ein Daihatsu Rocky.

Bertone verzinkte lediglich die Karosserie, um die letzten Rostprobleme zu lösen, gestaltete die Frontpartie etwas um und spendierte Trittbretter und eigene Felgen. Innen ließen die Italiener allerdings nichts so, wie die Japaner es einst erdacht hatten. Lederbespannte Schalensitze, elektrische Fensterheber, eine optionale Klimaanlage, eigens gestaltete Rundinstrumente ... es zogen Luxus, Würde und Grandezza ein.

Ein Problem hatten die Italiener aber noch: die Motoren. Daihatsu hatte sich ausnahmslos für biedere Massenware entschieden. Die Aggregate sollten so stark wie nötig und so sparsam wie möglich sein. Ein schmaler Grat.

Als BWM den Gipfel suchte

Zum Glück war bei BMW Eberhard von Kuenheim am Steuer. Unter seine Ägide (1970 bis 1993) blühte BMW auf. So bezog die Marke unter anderem den berühmten Vierzylinder in München, eröffnete Werke in Südafrika, Landshut und Regensburg und nahm ein Forschungs- und Innovationszentrum in Betrieb. Es war eine enorme Wachstumsphase und eine Zeit der Diversifikation und Erweiterung. BMW kaufte Roboterfirmen, Softwareschmieden und Luftfahrtunternehmen. Erst das Rover-Debakel 1993, bei dem Kuenheim und sein Nachfolger Bernd Pischetsrieder geschätzte neun Milliarden Mark versenkten – für damalige Zeiten eine noch unvorstellbare Summe –, verpasste dieser Strategie einen kleinen Dämpfer.

Doch die Italiener klopften noch zu einem günstigen Zeitpunkt an. Bertone wollte für seinen Freeclimber, wie der Edel-Rocky heißen sollte, Motoren haben und BMW hatte welche übrig: einen 2,7 Liter (129 PS) leistenden Benziner aus den 325 und 525 eta-Modellen sowie den 2,4 Liter (115 PS) starken Diesel aus 324td und 524td. Zusätzlich gab es noch einen 2,0-Liter Motor, der aber den Weg nie nach Deutschland fand. Zum Vergleich: der 2,8-Liter Turbodiesel von Daihatsu schickte zu diesem Zeitpunkt gerade mal 91 PS gen Straße. Zur Waffe der Wahl wurden die BMW-Motoren, da sie ursprünglich eher für reifere Kunden konzipiert waren. Das Drehmoment lag schon bei geringen Drehzahlen an, was bei Ausflügen ins Gelände ungemein hilfreich ist.

Bertone brachte das Kunststück fertig, die BMW-Motoren und das Daihatsu-Getriebe zu Freunden zu machen und plötzlich standen Daihatsu-Kunden vor einer Offenbarung. Mit diesen Motoren wurde der Rocky zu einem erwachsenen Auto. So erwachsen, dass der Bertone Freeclimber fortan als Konkurrent für den Jeep Cherokee und den Range Rover gesehen wurde. Auch preislich.

Voll im Trend

Rund 2800 Bertone Freeclimber wurden zwischen 1989 und 1992 verkauft. Bertone gelang es, mit Chardonnet einen gut vernetzten Importeur in Frankreich zu gewinnen, der bereits Autobianchi, Lancia und Maserati unter das französische Volk gebracht hatte. In Deutschland wurde der Freeclimber von Daihatsu direkt vertrieben. Die Marke übernahm trotz der BMW-Motoren den Service.

Als Daihatsu 1993 den Rocky überarbeitete, wurde aus dem Freeclimber ganz einfach der Freeclimber II. Doch Bertone machte den Fehler die Sechszylinder-Motoren durch die M40 zu ersetzen - also Vierzylinder-Aggregate mit zwei Ventilen pro Zylinder. Mit dem Modellwechsel wurde der Vertrieb in Deutschland und Frankreich eingestellt, womit der Wagen auf den italienischen Markt angewiesen war. Ein paar Bertone Freeclimber II landeten bei den Carabinieri, aber längst nicht genug um das Projekt zu retten. Zum Glück erhielt Bertone den Auftrag die Cabrioversionen des Opel Astra und Fiat Punto zu bauen, was dem Unternehmen einen Grund gab, den Freeclimber II einzustellen.

Daihatsu selbst baute zwei Generationen des Rocky. 2002 lief die Produktion dann allerdings aus. Wobei Daihatsu bereits erkannt hatte, dass 4x4-Fahrzeuge den Weg in die Mitte der Gesellschaft gefunden hatten. Der überarbeiteten Version ließen die Ingenieure Einzelradaufhängung mit doppelten Querlenkern und Drehstabfederung an der Vorderachse angedeihen. Hätten sie den Trend weitergedacht und auch die hintere Starrachse durch Einzelradaufhängung ersetzt, müsste sich die Marke jetzt vielleicht nicht auf Kei-Cars spezialisieren.