Bivalent: Fiat Grande Punto Natural Power im Fahrbericht

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Hamburg, 22. Januar 2009 – Zwar scheint der Streit zwischen Russland und der Ukraine über die Durchleitung von Erdgas Richtung Westen fürs erste beigelegt. Doch die Fernsehbilder von eiskalten Wohnungen in Südosteuropa haben drastisch vor Augen geführt, wie sehr Erdgasverbraucher von konstantem Nachschub bei einem Energieträger sind, der sich längst nicht so einfach bunkern lässt wie Kohle oder Erdölprodukte. Beim Auto sieht die Situation etwas entspannter aus, zumindest solange es sich um ein bivalent angetriebenes Fahrzeug handelt. Um ein solches hat Fiat sein Angebot erweitert: Der Grande Punto Natural Power lässt sich wahlweise mit Erdgas oder Benzin betreiben – wir haben ihn in der Hansestadt probegefahren.

Doppelt hält länger

Unter dem Marketing-Begriff "Natural Power" fasst Fiat die Modelle zusammen, die mit Erdgas (Compressed Natural Gas – CNG) betrieben werden können. In der Mitte und im Heck des Grande Punto sind die Gastanks untergebracht, die Größe des Benzintanks bleibt unverändert. Entsprechend steigt die Gesamtreichweite des Fahrzeugs – bezogen auf Fiats Angaben für den kombinierten Verbrauch kommt das Auto mit einer Tankfüllung Benzin (45 Liter) rund 700 Kilometer weit, und die 21 Kubikmeter Erdgas genügen für rund 350 Kilometer. Wegen der Unterbringung der Erdgastanks verringert sich allerdings das Kofferraumvolumen von 275 auf 200 Liter, da der Ladeboden höher liegt, zudem ist die Rücksitzbank nur komplett umklappbar. Dennoch lässt das Platzangebot für die Insassen keine Wünsche offen.

Pferde-Diebstahl

Unter der Haube des kleinen Italieners arbeitet ein Ottomotor mit 1,4 Litern Hubraum. Im herkömmlichen Modus steht eine Leistung von 77 PS bereit, das maximale Drehmoment beträgt 115 Newtonmeter. Im Erdgasbetrieb fallen diese Eckdaten auf 70 PS beziehungsweise 104 Newtonmeter. Ursache für den Kraftverlust ist die Tatsache, dass der Motor ursprünglich nicht für Erdgasbetrieb konzipiert worden ist. Immerhin ist der Grande Punto Natural Power nur 70 Kilogramm schwerer als die "normale" Version.

Bivalent: Fiat Grande Punto Natural Power im Fahrbericht

Gas geben in der Praxis

Auf einer Fahrt durch Hamburg konnten wir uns einen ersten Eindruck vom Grande Punto Natural Power verschaffen. Bereits beim ersten Ampelstart fiel uns die ausgeprägte Antrittsschwäche des Fahrzeugs auf, die sich in beiden Betriebsarten zeigt. Obwohl wir nicht sportlich fuhren, war es dennoch nötig, den ersten Gang weit auszudrehen, um halbwegs anständig vom Fleck zu kommen. Hat man erstmal Tempo 50 erreicht, kann man hingegen angenehm im vierten Gang dahingleiten. Die Gangschaltung verdient keinen Orden, da sie ziemlich unpräzise ist. Auch bei Kupplung und Lenkung hätten wir uns etwas mehr Verbindlichkeit gewünscht. Hinzu kommt der brummige Tonfall des Motors. Negativ für die Sicherheit: Ein ESP ist nur gegen 500 Euro Aufpreis erhältlich.

Kaum Unterschied zwischen den Modi

Während das Aggregat seine maximal 77 PS geschickt verheimlicht, so schlapp sich der Motor im City-Verkehr insgesamt gibt, der gefühlte Unterschied zwischen Benzin- und Gasmodus fällt dabei sehr gering aus. Im Normalbetrieb bewegt sich der Fiat mit Erdgas, durch eine Taste auf der Mittelkonsole kann der Fahrer während der Fahrt auf Benzin umschalten. Dieser Vorgang vollzieht sich praktisch kaum wahrnehmbar, einzig eine Lampe in der Taste informiert den Fahrer. Wünschenswert wäre eine gut sichtbare Anzeige in den Instrumenten, mit welchem Kraftstoff gerade gefahren wird. Auf dem Papier ist der Grande Punto Natural Power im Gasmodus zwei Sekunden langsamer im Sprint auf Tempo 100, was wir auf Hamburgs Straßen lieber nicht ausprobieren wollten – und ein Stau vor dem Elbtunnel vereitelte einen entsprechenden Test auf der Autobahn. Die Spitzengeschwindigkeit des Fiat liegt laut Herstellerangaben bei 162 km/h im Benzinmodus respektive 156 km/h bei Gasantrieb, der Tacho reicht dessen ungeachtet bis zu 230.

Bivalent: Fiat Grande Punto Natural Power im Fahrbericht

Erdgas als Kraftstoff

Die zentrale Frage bei Erdgasfahrzeugen ist natürlich, welche Vorteile der alternative Kraftstoff bringt. Fiat stellt heraus, dass im CNG-Betrieb die CO2-Emissionen von 149 auf 115 Gramm pro Kilometer sinken. Den Gasverbrauch beziffern die Italiener auf durchschnittlich 4,2 Kilogramm pro 100 Kilometer, ausgehend vom energiereichen H-Gas, welches eine höhere Energiedichte als andere Erdgas-Arten aufweist. Der Energiegehalt von 1 Kilogramm H-Gas entspricht in etwa dem von 1,5 Liter Benzin. Diese Relation spiegelt sich auch im Normverbrauch des Grande Punto im Benzinbetrieb wider, den Fiat mit 6,3 Litern pro 100 Kilometer angibt.

Lohnt sich der Gas-Punto?

Ob sich der bivalente Antrieb gegenüber dem konventionellen Benziner lohnt, hängt wesentlich von dem Verhältnis von Kraftstoffkosten zum Anschaffungspreis ab. Erdgas bietet den Vorteil gegenüber Benzin oder Diesel, dass es bis Ende 2018 noch steuerlich begünstigt ist. In der Anschaffung liegt der Grande Punto Natural Power jedoch 1950 Euro über dem konventionellen Modell. Ausgehend vom Normverbrauch, einem Preis von 1,00 Euro pro Kilogramm H-Gas und 1,17 Euro für einen Liter Super 95 kosten 100 Kilometer Fahrstrecke im CNG-Betrieb 4,20 Euro, während im Benzinbetrieb knapp 7,40 Euro für die auf der Strecke verbrannten 6,3 Liter Benzin fällig werden.

Daraus ergibt sich eine Differenz bei den Kraftstoffkosten von 3,20 Euro je 100 Kilometer – umgelegt auf die Fahrleistung müsste man schon fast 61.000 Kilometer mit Erdgas zurücklegen, um den Mehrpreis gegenüber dem normalen Benziner hereinzuholen. Zwar verringert sich die km-Leistung bis zur Amortisation des Aufpreises in dem Maße, in dem die Preisdifferenz zwischen CNG und Benzin wächst. Doch weil der Preis für Erdgas hierzulande an den von Erdöl gekoppelt ist ("Ölpreisbindung"), muss man auch bei günstigster Preisentwicklung einige zehntausend Kilometer zurücklegen, bis der Aufpreis hereingefahren ist.