Braver Weltbürger – der Nissan Tiida im Test

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Düsseldorf, 18. Januar 2008 – Ein neues Auto als konservativ, konventionell und traditionell zu bezeichnen, kommt einem Hersteller selten in den Sinn – doch Nissan steht dazu. Die japanische Marke wollte das Fahrzeug in Deutschland eigentlich gar nicht anbieten; Note und Qashqai sollten an die Stelle des im Jahr 2006 ausgelaufenen Almera treten. Doch die Händler wurden von der Kundschaft bedrängt: Die Käufer wollten kein Spaßfahrzeug, keinen Minivan und kein extrovertiertes SUV, sondern einen normalen Kompaktwagen. So bringt Nissan nun das in USA, Japan und verschiedenen Schwellenländern längst eingeführte „Weltauto“ Tiida am 26. Januar 2008 auch bei uns auf den Markt. Die Stärken des Fahrzeugs liegen laut Nissan bei Komfort, Qualität und Raumangebot. Wir haben den Newcomer für Sie getestet und herausgefunden, wie es darum steht.

Lang wie ein Kompakter, schmal wie ein Kleiner

Als wir die ersten Bilder des Tiida zu Gesicht bekamen, erinnerte er uns sofort an das Kompaktmodell von Allianzpartner Renault. Wie der Mégane hat der Fünftürer einen merkwürdigen Knick im Heck und ist nicht wirklich schön zu nennen. Ansonsten hat er mit dem Mégane aber nichts zu tun, denn der Tiida steht auf der Kleinwagenplattform des Konzerns, auf dem auch Micra, Clio und Konsorten ruhen. Trotzdem ist die – neben einer Stufenheckvariante angebotene – fünftürige Schrägheckversion mit 4,30 Meter Länge ein ausgewachsener Kompakter. Der Radstand ist mit 2,60 Meter ebenfalls etwa auf dem Niveau des Mégane.

Braver Weltbürger – der Nissan Tiida im Test

Sehr viel Kniefreiheit im Fond

Die großzügigen Außenabmessungen schlagen sich im Innenraum nieder: Auf den Rücksitzen genießt man eine phänomenale Kniefreiheit und kann dort fast die Beine übereinander schlagen. Dazu muss man die Rückbank ganz nach hinten rücken. Die um 24 Zentimeter längs verschiebbare Bank gehört zu den Besonderheiten des Autos – etwas Ähnliches gibt es wohl sonst in keiner Kompaktlimousine. Aber nicht nur der Beinraum, auch die Kopffreiheit im Fond ist sehr gut für diese Klasse. Dies wird durch die große Karosseriehöhe von 1,53 Meter ermöglicht; ein Mégane ist nur 1,46 Meter hoch. Auch der Kofferraum ist der Datenform nach ordentlich: 300 bis 425 Liter je nach Position der Rückbank. Ein Mégane bietet nur 330 Liter an.

Enttäuschender Kofferraum

Doch wenn man genauer hinsieht, enttäuscht der Tiida hier doch gewaltig. Die Ladekante liegt sehr hoch, was beim Einladen schwerer Gegenstände stört. Beim Ausladen ist dann eine ebenfalls sehr hohe Schwelle im Weg. Außerdem öffnet die Klappe nicht weit nach oben, und der Ausschnitt der Kofferraumöffnung ist eng. Die verschiebbare Rückbank ist dagegen ein Vorteil: Der verfügbare Laderaum lässt sich dadurch deutlich vergrößern, wenn hinten keiner sitzt. Doch wem der so erreichte Platz nicht ausreicht, der erlebt eine Enttäuschung: Bei der Rückbank lassen sich nur die Lehnen umklappen, nicht aber die Sitzfläche. So kann sich kein ebener Laderaum ergeben. Auch ein Wickelsystem wie etwa im Note hat Nissan dem Tiida nicht spendiert. Die maximale Ladekapazität in Litern – bei umgeklappten Rücksitzen und dachhoher Beladung nach VDA-Norm gemessen – wurde von Nissan noch nicht bestimmt.

Braver Weltbürger – der Nissan Tiida im Test

Geringe Breite

Die Länge und die Höhe des Tiida passen zu einem Kompaktfahrzeug. An der Breite merkt man jedoch, dass es sich beim fahrbaren Untersatz um den eines Kleinwagens handelt. Sie liegt bei 1,70 Meter, was etwa acht Zentimeter weniger ist als beim Mégane. Das führt im Cockpit zu einer verringerten Ellenbogenfreiheit. So hat der linke Arm des Fahrers nicht weit bis zur Außenwand. Doch durch einen Kniff der Innenraumtüftler kommen sich die Frontpassagiere kaum ins Gehege. Die Sitze wurden so weit nach außen gerückt wie möglich. Die Lehneneinstellung und der Hebel für die Sitzhöhe sind deshalb an den Innenseiten der Möbel angebracht – eine gute (Teil-)Lösung für die Probleme, die die geringe Breite mit sich bringt. Die Sitze sind bemerkenswert breit und komfortabel, wenn sie auch wenig Seitenhalt bieten. Das passt zur Gesamtcharakteristik des Autos: Für sportliche Fahrer ist der Tiida nicht gedacht.

Komfortables Fahrwerk

So ist das Fahrwerk auch komfortabel ausgelegt. In schnell gefahrenen Kurven neigt sich das Auto nach außen und zuweilen wirkt der Tiida etwas schwammig. Fährt man schnell in einen engen Kreisverkehr ein, merkt man auch eine deutliche Untersteuerungstendenz: Man muss kräftig kurbeln, um in der Kreisbahn zu bleiben. Einen etwas befremdenden Eindruck hinterlässt auch die Lenkung: Sie wirkt in der Mittellage nervös, um bei starkem Einschlag dann zäher zu werden.

Düsteres Cockpit

Die kaum sportliche, wenig jugendliche Anmutung des Tiida spiegelt sich auch in der Gestaltung des Cockpits wider. Findet man etwa beim Qashqai oder beim X-Trail schicke Metallakzente, so kommt der Tiida sehr düster daher. Das ganze Armaturenbrett ist schwarz bis auf eine Querleiste, die aber mit ihrem Dunkelgrau auch nicht viel Kontrast bietet. Die Sitze sind nur in Schwarz oder in Beige zu haben. Die Instrumente liegen in tiefen Röhren. In punkto Materialqualität befindet sich der Tiida eher auf Kleinwagenniveau. So findet sich in der Fahrerumgebung viel genopptes Hartplastik, wie es beispielsweise auch den Innenraum des Peugeot 206 verunzierte. Nur an wenigen Stellen ist die Oberfläche hinterschäumt. All dies bezieht sich auf die gefahrene Variante Acenta.

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Drei Ausstattungen

Den Tiida gibt es in drei Ausstattungen, die wie bei Nissan gewöhnt Visia, Acenta und Tekna heißen. Die Basisversion bietet schon eine ordentliche Ausrüstung. Sechs Airbags und ESP sorgen für die Sicherheit, elektrische Fensterheber rundum, elektrisch einstellbare Außenspiegel und eine fernbedienbare Zentralverriegelung für den Komfort. Klimaanlage und CD-Radio gibt es im Comfort-Paket für 1600 Euro Aufpreis. Oder man entscheidet sich für die nächsthöhere Version Acenta, die dazu noch Alufelgen, Tempomat, Licht- und Scheibenwischerautomatik und einiges mehr bietet. Die Topvariante kommt dazu noch mit CD-Wechsler, Glasschiebedach, schlüssellosem Zugangssystem und Teillederausstattung daher.

Drei Motoren

Die Ausstattungen lassen sich recht frei mit den Motoren kombinieren. Drei Aggregate werden angeboten: ein 1,6-Liter-Benziner mit 110 PS, ein 1,8-Liter-Ottomotor mit 126 PS sowie ein 1,5-Liter-Diesel mit 106 PS. Die Benziner kommen von Nissan, der Diesel von Renault – für ihn gibt es übrigens keinen Partikelfilter. Die Einstiegsmotorisierung ist mit 110 PS schon recht stark motorisiert, wenn man bedenkt, dass es den Klassenprimus VW Golf bereits ab 80 PS gibt und der Tiida ja nicht sportlich positioniert ist. Ein 1,4-Liter-Aggregat gibt es jedoch in den Auslandsversionen des Tiida nicht, also verzichtet man auch in Deutschland darauf.

Extrem leise Benziner

Dem 1,6-Liter traut man bei Nissan den größten Marktanteil zu, und da würden wir zustimmen. Denn das Aggregat reicht voll und ganz für den Tiida aus und beschleunigt ihn gut. Der 1,8-Liter kann mit 16 PS mehr nicht viel zusetzen. An beiden Motoren fällt auf, dass sie außergewöhnlich leise arbeiten – so leise, dass wir bei Übernahme des Testwagens sogar glaubten, der Motor wäre noch nicht gestartet und die Zündung noch einmal betätigten. Bei höherem Tempo kommt dem 1,8-Liter zusätzlich zugute, dass er anders als der Basismotor mit einer Sechsgang-Schaltung kombiniert wird – so bleibt das Drehzahlniveau und damit die Lautstärke auch auf der Autobahn im Rahmen. Lauter und rauer ist der Diesel – schon im Stand, und trotz Sechsgang-Schaltung auch bei höherem Tempo.

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Ottomotoren keine Spritsparkünstler

Den Spritverbrauch des Einstiegsmodells gibt Nissan mit 6,9 Liter auf 100 Kilometer an. Das ist exakt genauso viel, wie das 30 PS schwächere Grundmodell des VW Golf benötigt. Die 200 Kubikzentimeter kleineren Motoren im Kia Cee’d und Hyundai i30 benötigen mit 6,1 Liter allerdings etwas weniger. Der 1,8-Liter braucht laut Hersteller 7,8 Liter Sprit. Hier liegt der leistungsmäßig vergleichbare Golf deutlich besser: Der moderne 1.4 TSI mit 122 PS benötigt nur 6,3 Liter. Spritsparer sind die Benziner also nicht. Das ist beim Diesel anders, denn der ist mit 5,2 Liter Verbrauch so sparsam, wie man es von Selbstzündern gewohnt ist.

Einstiegspreis nur 300 Euro unter VW Golf

Was den Preis angeht, ist es wie so oft bei asiatischen Marken: Der Einstiegspreis ist nicht viel niedriger als bei deutschen Konkurrenten, man bekommt aber mehr dafür. Den Tiida gibt es ab 15.990 Euro. Das sind nur etwa 300 Euro weniger, als man für den günstigsten VW Golf bezahlt. Doch erhält man bei VW dafür nur den Dreitürer und 30 PS weniger; die Ausstattung ist ähnlich. Vergleicht man den Tiida aber mit einem ähnlich ausrüsteten Golf, ist der Nissan etwa 2500 Euro günstiger. Insoweit geht der Preis also in Ordnung. Unter den asiatischen Konkurrenten lassen sich aber auch günstigere Angebote finden, wie etwa der Kia Cee’d 1.4 LX, den es schon für 14.950 Euro gibt.