Stromwarnung

Daimlers Betriebsrat warnt: Nicht nur auf E-Autos setzen

Der Betriebsratschef an Daimlers Stammsitz in Stuttgart-Untertürkheim warnt vor der einseitigen Ausrichtung auf die Elektromobilität. „Die Batterie ist wahnsinnig wichtig für uns, aber man darf sich auch nicht nur auf ein Standbein verlassen“, sagte Häberle

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Mercedes GLC F-Cell 6 Bilder

(Bild: Mercedes)

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  • dpa

Der Betriebsratschef an Daimlers Stammsitz in Stuttgart-Untertürkheim warnt vor der einseitigen Ausrichtung auf die Elektromobilität. „Die Batterie ist wahnsinnig wichtig für uns, aber man darf sich auch nicht nur auf ein Standbein verlassen“, sagte Michael Häberle der dpa. „Ich weiß nicht, ob wir es uns leisten können, nur den Mainstream Batterie zu forcieren und wir uns dann unter Umständen in der Frage Wasserstoff abhängen lassen.“

Daimler baut derzeit selbst weltweit Batteriefabriken für mehr als eine Milliarde Euro, um seine künftigen Elektroautos zu versorgen. Der Hersteller fertigt zwar keine Zellen mehr, sondern kauft diese bei externen Lieferanten. Die Batterien für die Elektroautos will man aber künftig weiterhin selbst bauen. In Untertürkheim wird am Freitag (5. April 2019) der Grundstein für eine solche Batteriefertigung gelegt. Insgesamt sollen weltweit acht neue Batterieproduktionen entstehen – neben der bestehenden Fabrik im sächsischen Kamenz.

„Gebot der Stunde“

Um die Strategie für den Umstieg auf neue Antriebsarten hatte es zuletzt Streit zwischen BMW und Volkswagen gegeben. Volkswagen-Chef Herbert Diess setzte sich dafür ein, sich auf die batteriebetriebenen Elektroautos zu konzentrieren. BMW-Chef Harald Krüger wollte für andere Technologien offen bleiben. Gemeinsam mit Daimler-Chef Dieter Zetsche verständigten sie sich dann auf die Linie, dass batterieelektrische Autos und Hybride „Gebot der Stunde“ seien.

Daimler forscht seit den 1980er-Jahren auch an der Wasserstofftechnologie. „Bei uns in Untertürkheim wird konkret an der Brennstoffzelle gearbeitet und diese auch für die Serientauglichkeit entwickelt“, sagte Häberle. Mehrere Kleinserien wurden mit dem Antrieb ausgestattet. Seit Ende 2018 hat Mercedes den GLC F-Cell im Programm, der als Plug-in-Hybrid Batterie und Brennstoffzelle verbindet. Ausgeliefert wird er allerdings in einem sehr überschaubaren Rahmen: Derzeit wird er hierzulande in sieben Städten angeboten und kann auch nur geleast werden.

„Warum kein Wasserstoff?“

„Dass die Politik nicht dafür sorgt, dass Rahmenbedingungen und auch die Architektur in Deutschland vorhanden sind, um das Thema Wasserstoff attraktiv zu machen, das verstehe ich nicht“, sagt Häberle. Da gehe es zum Beispiel um den Ausbau des Tankstellennetzes. „Solange die Stückzahlen so gering sind, wird das nie eine Technologie, die sich die breite Masse leisten kann.“ Neue Technologien sind für den Standort Untertürkheim besonders wichtig. Denn am Daimler-Stammsitz werden Verbrennungsmotoren für zahlreiche andere Werke – auch in den USA und Südafrika – gefertigt. Wächst die Zahl der Elektroautos und sinkt damit die der benötigten Verbrennungsmotoren, fallen hier zwangsläufig Aufgaben weg.

Der Betriebsrat will deshalb aushandeln, dass künftig auch der elektrische Antriebsstrang dort gefertigt wird. „Bei der Frage Eigenproduktion des elektronischen Antriebsstrangs stehen wir am Anfang der Gespräche“, sagt Häberle. Dem Bau der Batteriefertigung in Untertürkheim ging 2017 ein wochenlanger Streit voraus, in dem Betriebsräte Überstunden am Wochenende nicht genehmigten und so die Produktion lahmlegten. „Was nicht passieren darf, ist, dass wir von Transformation reden und keine echte Transformation haben. Wir müssen die Menschen aus der alten Welt mitnehmen in die neue Welt“, sagt Häberle. „Wir müssen da ganz stark auf unsere eigene Ausbildung setzen.“

Ruhige Hand gefordert

Auch wenn Daimler betriebsbedingte Kündigungen für die Stammbelegschaft auf Jahre ausgeschlossen hat, mahnt Betriebsratschef Häberle deshalb zur ruhigen Hand: „Was gerade in einer Hauruck-Aktion passiert, ist das Gleiche wie bei Fukushima mit der Energiebranche“, sagt Häberle. „Ohne Fukushima wäre Deutschland nicht so schnell aus der Atomkraft ausgestiegen. Und ohne Volkswagen und den Diesel-Skandal wäre die Autoindustrie nicht in einer solchen Geschwindigkeit getrieben, die Elektromobilität umzusetzen, die wirtschaftlich unter Umständen auch nicht gesund ist und zusätzlich die gesamtheitliche Betrachtung der Ökobilanz vernachlässigt.“ (mfz)