Fünf-Wege-Knöpfe, Touchscreen und Spracherkennung sollen die Bedienung erleichtern

Das Bedienkonzept des neuen Ford Focus

Eine der auffälligsten Neuerungen im Ford Focus ist das Bedien­system MyFord Touch. Es nutzt Bedien­konzepte aus der Unter­haltungs­elektronik und mischt sie mit klassischen Elementen der Fahrzeugbedienung

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  • ggo
Inhaltsverzeichnis

Hannover, 8. Dezember 2010 – Am 6. Dezember war Produktionsstart für den neuen Ford Focus, der im Frühjahr auf den Markt kommt. Er soll natürlich in jeder Hinsicht besser werden und auch dort zulegen, wo er schon bisher zu den Besten gehörte. Das gilt vor allem für seine Fahrwerksqualitäten, mit denen der Focus I 1998 einen neuen Standard für die Kompaktklasse definierte. In anderen Bereichen wie der Motorentechnik gab es diesmal größeren Nachholbedarf. Mit den "EcoBoost"-Benzinern, modernen Downsizing-Motoren, kann Ford technisch vielleicht sogar am Erz-Konkurrenten Golf vorbeiziehen. Dank Direkt­einspritzung, Turboaufladung und variabler Ventilsteuerung auf Ein- und Auslassseite sind zumindest die Zutaten für einen sehr effizienten Betrieb vorhanden – und ein NEFZ-Verbrauch von 6,0 Liter für den 1.6er mit 150 PS klingt vielversprechend.

Neue Linien

Mit "Features" wie Start-Stopp-System, elektronischem Torque-Vectoring – letztlich nicht mehr als ein fahrdynamisch wirksamer Bremseingriff – und einer Reihe elektronischer Assistenzsysteme wird Ford ansonsten größtenteils das bieten, was man von einer neuen Fahrzeuggeneration eines europäischen Großserienherstellers erwarten kann.

Völlig neu präsentiert sich dagegen sich die Gestaltung von Exterieur und Interieur. Zum einen hat Ford sich beim Karosserie-Design wie schon beim Fiesta neu orientiert. Das New-Edge-Design, das mit seinen sachlichen Linien in der ersten Focus-Generation – und mehr noch beim Fiesta – den Nutzen in den Vordergrund stellte, hat nun endgültig ausgedient. Statt klarer Kante gibt es fließende Formen, eigenwilliges Leuchtendesign und natürlich die heutzutage fast unvermeidlichen "Lichtkanten".

Neues Bedienkonzept

Auch die Interieur- und HMI-Designer sind neue Wege gegangen, sie ließen sich von moderner Kommunikationselektronik inspirieren und machen daraus auch keinen Hehl. Das gilt vor allem für das neue Bedienkonzept MyFord Touch in höherwertigen Ausstattungen, das erstmals in den US-Modellen Ford Edge und Lincoln MKX zum Einsatz kam und in abgewandelter Form auch in die höherwertigen Versionen des Focus gelangen wird. Bei seiner erstmaligen Einführung in den USA hieß es bei Ford sinngemäß: "MyFord Touch ersetzt viele traditionelle Knöpfe, Hebel und Anzeigen. Sprachsteuerung, brilliante und scharfe LCD-Anzeigen und Fünfwege-Knöpfe wie jene auf MP3-Playern und Touch-Screen-Funktionen eröffnen dem Fahrer neue und vielfältige Bedienmöglichkeiten."

Nicht jedem leuchtet das ein, zumal sich die Knöpfe und Hebel vergangener Autogenerationen lange bewährt haben. In der Zeitschrift Automotive News etwa ist zu lesen, dass Sicherheitsexperten Zweifel an der Bedienung per Touchscreen haben – welche ein wesentliches Element des Konzepts ist, neben iPod-inspirierten Bedienelementen und der Sprachsteuerung. MyFord Touch würde zu viel Aufmerksamkeit vom Fahren abziehen, zu oft sei man geneigt, auf den Monitor zu schauen, der zentral in der Mittelkonsole verbaut ist und die Bedienung vieler Funktionen zusammenfasst. Zudem hat eine Touchscreen natürlich den Nachteil, dass bei schlechteren Straßen der Finger etwas haltlos auf dem Display herumrutscht, was erst recht einen häufigen prüfenden Blick erfordert.

Vorbild iPod und Co

In konsequentester Form kann man MyFord Touch im Lincoln MKX für den US-Markt erleben. Am Lenkrad sind je zwei Fünf-Wege-Bedien­einheiten zu finden, die tatsächlich an den iPod Classic erinnern – oder schlicht an eine Fernbedienung für den Fernseher zuhause. Die beiden Knöpfchen-Ensembles sind zuständig für die Bedienung von zwei LCD-Screens links und rechts des Tachos, also wie gewohnt in einer Sichtachse mit dem Straßenverkehr. Links werden fahrzeugbezogene Informationen angezeigt, rechts die Funktionsbereiche Entertainment, Telefon, Navigation und Klimatisierung. Diese sind durch eine "intuitive" Farbkodierung unterschieden, und zwar violett, braun, grün und blau. Das soll mit etwas Übung dabei helfen, den Funktionsbereich bereits anhand der Farbe zu erkennen. Dieselben Funktionen wiederholen sich im zentralen Touchscreen-Display, wobei hier die Anzeige- und Bedienmöglichkeiten noch deutlich umfangreicher sind.

Klassische Bedienelemente zum Drehen, Drücken oder Schieben gibt es tatsächlich kaum noch, vor allem nicht im Lincoln MKX. Er hat dafür eine Klimatisierungsbedienung zu bieten, mit der sich mächtig Eindruck schinden lässt: Die Bedienung der Klimaanlage erfolgt zwar an gewohnter Stelle, aber über virtuelle Schieber, deren Beleuchtung der Fingerbewegung folgt und die Schieberposition markiert. Auch die Druckknöpfe drum herum sind kaum mehr als erhabene Konturen, wenigstens sind sie noch einigermaßen "erfühlbar", wenn auch nicht so untrüglich wie ein massiver Drehknopf.

Kritisieren kann man sicherlich, dass eine handfeste Rückmeldung bei dieser Art von Bedienung nicht gegeben ist. Eine Alternative, die zum Beispiel der Zulieferer Continental entwickelt hat, wäre ein Feedback durch Vibrationen. Das würde den ein oder anderen Blick ersparen, der bei rein optischer Rückmeldung unvermeidbar ist. Immerhin versteht es Ford, Kernfunktionen mithilfe der griffigen "iPod-Knöpfchen" am Lenkrad zu konzentrieren, sodass dem Fahrer ein mit allerlei Schaltern übersätes Cockpit erspart bleibt.

Ford antwortet übrigens auf die Kritik von Automotive News mit dem Hinweis, dass man ohnehin vieles mit der Sprachsteuerung bedienen kann. Mag sein, doch sie ist redundant vorhanden, sodass der Blick zur Mittelkonsole oftmals trotzdem nicht ausbleiben wird – vor allem bei spielfreudigen Autofahrern. In der Tat ist aus unserer Sicht die Gestaltung der Lenkradbedienung der stärkere Teil des Konzepts. Die große Touchscreen ist möglicherweise verlockener als während der Fahrt gut ist.

Kompromisse im Focus

Auch beim Ford Focus wird MyFord Touch Einzug halten, wobei außer Pressefotos zur Funktionalität noch nicht viel bekannt ist. Die Bilder zeigen allerdings deutlich, dass im Focus das Konzept konservativer ausgelegt ist. Für Audio und Klima gibt es noch Knöpfe und Drehrädchen, wenn diese sich auch von der handfesten Haptik früherer Tage weit entfernt haben. Die Fünfwege-Controller am Lenkrad gibt es auch hier, der rechte scheint aber wie derzeit üblich den Audiofunktionen für Musik und Telefonieren zugeordnet zu sein – mit den gewohnte aufgedruckten Symbolen. Damit wird der logische Zusammenhang zwischen Bedienung und dem Bedienergebnis im Display eigentlich wieder aufgelöst. Ob diese Vermischung unterschiedlicher Bedienkonzepte der bessere Weg ist, wird sich erweisen müssen.

Dass es vielfältige Wege zu einer einfachen Bedienung gibt, liegt an der wachsenden Menge von Funktionen. Ford bezeichnet den Widerspruch zwischen leichter Bedienung und steigender Komplexität der Funktionen als "Simplexity". Besonders im Lincoln MTX ist es erfolgreich gelungen, die Anzahl der Knöpfe zu verringern, das verhindert ein orientierungsloses Herumtasten im Schalterwirrwar. Der Preis dafür ist, dass es an Bedienelementen mangelt, die sich rein haptisch und somit blind bedienen lassen. Beim Edge und erst recht dem neuen Focus dagegen gibt es dagegen noch einiges zu drücken und drehen – was die Komplexität der Bedienkonzepte wieder erhöht.

Offenbar hat sich Ford dazu entschieden, beim Focus, der in 120 Ländern erfolgreich sein soll, den Schritt zu neuen Bedienkonzepten etwas behutsamer zu gehen, was angesichts von Konkurrenten wie dem VW Golf auch nachvollziehbar ist. Doch diese Vorgehensweise birgt auch ein Risiko, weil manch ein Kunde eine klarere Linie wie im Lincoln bevorzugen könnte – oder eben handfeste Schalter nach althergebrachter Art. Andererseits muss Ford es mit dem "Weltauto" Focus vielen recht machen, ein radikales Konzept wie im Lincoln wäre wohl zu gewagt.

Software hinter der Kulisse

Im Übrigen ist es ohnehin nicht mehr die Frage, ob Segnungen wie Touchscreen oder Sprachsteuerung ins Autos kommen, sondern wie deren Bedienung in der Praxis ausgeführt wird. MyFord Touch ist im Grunde eine Erweiterung des bereits eingeführten Systems Ford Sync, einem ähnlichen Konzept wie Fiats Blue&Me. Beides sind im Prinzip Infotainment-Systeme, die auf Windows Embedded Automotive aufsetzen, wie die Entwicklungsumgebung von Microsoft mittlerweile heißt. Die Realisierung unterschiedlicher Funktionen auf einer möglichst stark integrierten Hardware-Plattform spart letztlich Kosten, erlaubt ein einfaches Entwickeln neuer Funktionen und sogar Updates im Lebenszyklus des Autos.

Die Entwicklung von Infotainment-Funktionen in einer Software zieht zwar nicht zwangsläufig nach sich, aus dem Heimbereich gewohnte Benutzerschnittstellen ins Auto zu verpflanzen, es bietet sich aber in Teilen an, um der Funktionsfülle Herr zu werden. Im Falle des Focus wird sind wir besonders gespannt, ob Ford dabei die richtige Mischung aus traditionellen und "neumodischen" Bedienelementen gefunden hat.