Der Elektroschock

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Dergestalt mental beschäftigt verfuhr ich mich sofort. Als wir wieder aufs Roadbook einspurten, wollte das auf die lange Autobahn nach Salzburg führen. Ich seufzte: "Das verkrafte ich nicht. Wir können nicht 80 km mit 70 über die Bahn schleichen, von Wohnmobilen überholt und von Spediteuren gehasst werden. Wir fahren jetzt Landstraße." Die war wunderschön, schwang sich über Hügel und an Seen vorbei, und am Ende waren wir nach dem obligatorischen Salzburger Verkehrsinfarkt nur eine halbe Stunde zu spät am Treffpunkt. Eigentlich sind 10 Strafminuten pro zu späte Minute mit maximal 100 Strafminuten vorgesehen, aber wenn "Team Talisker" 30 Minuten später einfährt, um zu proklamieren, wie schön die Landstraße war, dann konnte man auch verstehen, dass die eine oder andere Schläfenader leicht schwoll: Wir kriegten (Regel hin oder her) 300 Strafminuten, und mit diesen fünf Stunden waren wir die Allerletzten. Das nächste Mal schreib ich "Team Heise Autos" rein oder "Team Schletter", das hätt die doch auch gefreut.

Die Mittagspause in Salzburg dauerte ebenfalls fünf Stunden, sodass ich intime Kenntnisse der Salzburger Altstadt erwerben konnte und weiß, wo zwischen den Burgmauern die Heroin-Junkies campieren. Was ich dort nicht fand, war eine Gleichstrom-Druckbetankungsladestation (ChadeMo), die den Leaf in 30 Minuten auf 80 Prozent Ladestand bringt. Der Plan war, schonmal vorzufahren und am Ziel mit einem Weißbier winkend den Rest zu empfangen. Wahrscheinlich war es gut, keine zu finden. Die Zeitstrafe hätte sich vermutlich in Jahren bemessen. Die Mittagspause war allerdings auch eine echte Zeit-Strafe. Die Elektroenthusiasten führten an, wie toll es doch sei, diese entschleunigte Zeit zu haben. Was man da alles sieht! Das wär mit 'nem Diesel nicht passiert! Im Grunde also dieselbe Selbsthypnose wie bei einem Haus ohne Wasseranschluss: Was man da alles riecht!

Der Salzburger Stupor war nach der kleiiinen Ladepause schwer abzuschütteln. Hier möchte ich nochmals auf die Stärken des Leaf hinweisen: Der Energy-Drink-Dosenhalter liegt vor dem Fahrstufenhebel in ergonomisch perfekter Position, die okaye Beschallungsanlage profitiert von der sehr leisen Fortbewegung: fast keine Windgeräusche, wenig Reifengeräusche und der Motor produziert nur ein sehr hochfrequentes Fiepen, das die meisten Käufer aufgrund ihres Alters gar nicht mehr wahrnehmen können. Es ist ein Fahrzeug, in dem man anstrengungslos lange Etappen sitzen könnte, wenn es diese langen Etappen schaffen würde. Wir kauften vor Bruck nochmal im Supermarkt ein, trödelten ein bisschen, um dann pünktlich in Bruck einzufahren. Die Special Stage den Fuß der Glocknerstraße hoch bis zur Mautstation machte mir erst dann Sorgen, als ich sah, wie die Kilometer auf der Anfahrt schon wegschmolzen, nur weil es dort (noch recht sanft) bergauf ging. Der Berg ist der Feind des Akkus. Ich wollte hier auslassen, dass ich mich bei der Zieleinfahrt in die bescheuert versteckte Lichtschranke verfahren habe, aber nachdem ich festgestellt habe, dass sich da viele vertan haben, geb ich das doch zu: verfahren. Mit zurücksetzen. I blame ze Zeitschrankenaufbauer.

Am zweiten Tag der Rallye fuhren wir mit vollem Akku die Großglockner-Hochalpenstraße hoch und lernten dann, wie weit man mit vom Auto behaupteten 20 km Restreichweite noch kommt. Hier lesen. (cgl)