20 Jahre Renault Twingo

Der Mini-Monospace

Vor 20 Jahren kam der Renault Twingo nach Deutschland. Der Kleinwagen mit dem Konzept eines Monospace im Biodesign bot eine verschiebbare Rückbank und ein eigenständiges Design. Das machte ihn nicht nur praktisch sondern auch sympathisch. Bis 2006 wurden 2,5 Millionen Twingos gebaut

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 10 Kommentare lesen
47 Bilder
Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Florian Pillau
Inhaltsverzeichnis

München, 14. Februar 2013 – Einen Kleinwagen mit dem Konzept eines Monospace (der Anglophone nennt es "One-Box-Design") hatte die Welt bis zur Präsentation des Twingo noch nicht gesehen. Das Konzept des bereits damals zurecht sehr erfolgreichen Renault Espace hatte mit ihm bis ins kleinste Segment durchgeschlagen. Strenge Sachlichkeit war seine Sache aber trotz allen Nutzwerts nicht: Die Form und Anordnung der Scheinwerfer zu einem charmanten Gesicht lösten Streichelreflexe aus. Sicher kein Zufall: Renault-Chefdesigner und Projektleiter Patrick Le Quément soll in der Vorstandspräsentation gesagt haben: "Der Twingo wird für viele wie ein Haustier sein". Großes Aufsehen auf dem Pariser Automobilsalon im Oktober 1992 und 2500 Spontan-Bestellungen zeigten, dass hier ein richtiges Produkt zur rechten Zeit präsentiert worden war. Seit 1993 wurde er in Deutschland angeboten.

Platzangebot

Um im Bild zu bleiben: Mit "Haustier" war mit Sicherheit auch "Nutztier" gemeint. Denn auf nur 3,43 Metern Länge machte der Kleinwagen ein flexibles Platzangebot dank um 17 Zentimeter in Längsrichtung verschiebbarer Rücksitzbank. Je nach Einsatzzweck standen damit üppiger Fußraum im Fond oder bis zu 261 Liter Ladevolumen, bei umgeklappter Sitzbank sogar 955 Liter Kofferraum zur Verfügung. Die Grundlage war eine Kombination aus langem Radstand (2,34 Meter), damals stattlicher Breite (1,63 Meter) und einer Höhe von 1,42 Meter. Den klassischen Tacho ersetzt eine zentrale, digitale Kombianzeige auf der Oberseite des Armaturenträgers mit Tachometer, Tages- und Gesamtkilometerzähler, Digitaluhr und Tankanzeige. Funktions- und Warnleuchten befinden sich hinter dem Lenkrad.

Den ersten Twingo trieb ausschließlich ein 40 kW/54 PS starker 1,2-Liter-Vierzylinder an. Der etwas rau tönende Motor aus Gusseisen mit untenliegender Nockenwelle, Stoßstangen und Kipphebeln war bereits seit den 1960er-Jahren eine zuverlässige Kraftquelle für die Renault-Modelle 6 und 12. Immerhin ersparte er dem Besitzer teure Zahnriemenwechsel und brauchte mit sieben Litern auch nicht mehr als ein moderner Motor. Die Liste der Extras umfasste die beiden Posten Klimaanlage und Faltdach. Anfangs galt für den Twingo noch ein puristischer Minimalismus im Sinne seines Ahnen Renault 4. Obwohl der Minimalismus des Twingo über die 15 Jahre seiner Produktion aufgeweicht wurde (Ledersitze! Metalliclack!) besitzt er zweifelsfrei bereits heute ein Kultpotenzial, das dereinst einmal an das seines frühen Vorgängers heranreichen könnte

1994: Die erste Herbstkollektion

Um modisch en vogue zu bleiben, gibt Renault 1994 bekannt, alle zwei Jahre eine neue Twingo-Kollektion herauszubringen und das Erscheinungsbild von Stoffen, Farben und Accessoires an den aktuellsten Trends zu orientieren. Das war konsequent angesichts des hohen Frauenanteils unter den Twingo-Treibern. Auch an der Technik wird erstmals gebastelt: Anstelle des Pedals übernimmt optional eine Servokupplung dessen Funktion, der linke Fuß hat nach dem Einsteigen Pause. Im Fußraum finden sich nur zwei Pedale: Gas und Bremse. Ausgelöst wird die Servokupplung durch Betätigen des Schalthebels, der Twingo-Easy-Fahrer legt die Gänge nach wie vor per Hand ein.

1996: Neuer Motor und Getriebeautomatik

Bis Sommer 1996 baut Renault 800.000 Exemplare. Als neuer Antrieb wird der so genannte Econ-Vierzylinder eingeführt. Mit 1,2 Liter Hubraum und 40 kW/54 PS verfügt er zwar über dieselben Eckdaten wie sein Vorgänger, doch ist das neue Aggregat deutlich leichter, kompakter und umweltfreundlicher. Kennzeichen des nur 85 kg schweren Vierzylinders sind die oben liegende Nockenwelle und der Zylinderkopf aus Aluminium. Der Kraftstoffverbrauch liegt jetzt bei 6,0 Litern pro 100 Kilometer. Das maximale Drehmoment steigt von 90 auf 93 Nm. Zusätzlich zum Fünfgang-Schaltgetriebe und der Servokupplung für die manuelle Schaltbox des Twingo Easy ist nun eine Dreigang-Automatik erhältlich. Die Komfortversion mit hydraulischem Drehmomentwandler hört auf den Namen TwingoMatic.

Ein Sicherheitspaket umfasst serienmäßig zwei Airbags, Gurthöhen­verstellung und Gurtstraffer vorn, Seitenaufprallschutz sowie eine sensorgesteuerte Unterbrechung der Kraftstoffzufuhr nach einem Unfall. Äußerlich erkennt man den Neuen nur der dritten Bremsleuchte über der Heckscheibe und einer aufgefrischten Farbpalette. Am 30. Juni 1997 rollt das einmillionste Fahrzeug vom Band.

1998: Der Twingo wird gründlich überarbeitet

Im September 1998 rollt der Twingo gründlich überarbeitet in die Autohäuser. Lackierte Stoßfänger mit integrierten Nebelscheinwerfern und Blinkern, die sich nun ein gemeinsames Glas mit den Hauptscheinwerfern teilen machen den Hauptunterschied zum Ur-Twingo. Renault hebt die Motorleistung des 1,2-Liter-Econ-Aggregats auf 58 PS an, ohne nachteilige Folgen für den Verbrauch. Darüber hinaus erhält der Twingo II ein stärker dimensioniertes Bremssystem, das den Bremsweg um 24 Prozent verkürzt, dazu eine 155er Bereifung.

2000: Eine kleine Modellpflege

Ende 2000 wird der Twingo abermals aufgefrischt – mit neuer Motorentechnik, dem Quickshift-5-Getriebe, höherer Sicherheit und mehr Optionen. Alternative zum bewährten Econ-Triebwerk wird der deutlich kräftigere Vierzylinder 1.2 16V mit 55 kW/75 PS und einem Verbrauch von 5,9 Litern pro 100 Kilometer. Ein neues Quickshift-5-Getriebe lässt sich ab Frühjahr 2001 auf Wunsch mit dem neuen 1.2-16V-Triebwerk kombinieren und ersetzt die TwingoMatic und die Twingo-Easy-Servokupplung. Technisch handelt es sich um ein mechanisches Schaltgetriebe ohne Kupplungsbetätigung. Dazu kommen abermals größere Bremsen, elektronische Bremskraft­verteilung und die geschwindigkeitsabhängige elektrische Servolenkung. Unter anderem bekommt die Vorderachse mit ihren McPherson-Federbeinen und unteren Dreiecksquerlenkern einen Querstabilisator. Die Verbundlenker-Hinterachse wird mit einem Stabilisator mit größerem Durchmesser ausgestattet.

Acht Jahre nach der Premiere wird der Twingo mit fünf Ausstattungsniveaus angeboten: Authentique, Expression, Liberty, Privilège und – als nobelste Version – Initiale. Diese stattet Renault serienmäßig mit Annehmlichkeiten wie Klimaanlage, Sun-Protect-Windschutzscheibe, CD-Radio mit Lenk­radfernbedienung und Lederbezüge für Sitze, Lenkrad und Schaltknauf aus. Als Option lässt sich sogar ein Navigationsradio ordern.

2004: Farbiger, reichhaltiger, sparsamer

Im Sommer 2004 erscheint ein neues Heckleuchten­design. Die Kunden können zwischen zwölf verschie­denen Lackierungen wählen. Neben dem ganz in Mauritius-Blau gehaltenen Sondermodell Kenzo gibt es die serienmäßigen Ausstattungsniveaus Authentique, Dynamique, Initiale und Twingo Eco.

Für den wirtschaftlichen Eco hat Renault eine neue, beson­ders sparsame Variante des 1.2-16V-Benziners mit 58 PS aufgelegt. Der ausschließlich mit dem Quickshift-5-Getriebe kombinierte Vierventiler gibt sich im Schnitt mit fünf Liter Superbenzin pro 100 Kilometer zufrieden. In der Folgezeit erreicht der Twingo Eco sogar nur 4,9 Liter. Für die Eco-Ausführung rüstet Renault dass Quickshift-5-Getriebe mit der Wahlmöglichkeit zwischen dynamischer und ökonomischer Fahrweise aus. Wird per Schalter die Option "sparsam" gewählt, so erfolgt der Gangwechsel früher. Dank überarbeiteter Elektronik schaltet das Quickshift-5-Getriebe sanfter und reagiert spontaner auf Kick-down-Befehle.

2005: Die letzte Edition

Im Sommer 2005 legt Renault mit der Edition Toujours ein – letztes – günstiges Einstiegsmodell auf. Die Käufer erhalten ohne Aufpreis Servolenkung und Faltschiebedach. In Wagenfarbe lackierte Stoßfänger und Seitenschutzleisten sowie das individuelle Dekor auf Flanken und Heckklappe verschaffen dem Sondermodell ein attraktives Outfit.In Europa endet damit die Produktion 2006.

Bis zum Produktionsende wurden in Deutschland fanden mehr als 500.000 Twingos verkauft. Insgesamt liefen im französischen Werk Flins-sur-Seine rund 2,42 Millionen Einheiten vom Band. Traurigen Liebhabern sei aber zugerufen: Immerhin in Venezuela ist der Ur-Twingo noch in Produktion.