Renaults Interpretation der Kleinwagen-Klasse brachte 1972 den R5 hervor

40 Jahre kleine Freundschaft

Kleinwagen heutiger Prägung sind eine Errungenschaft der Früh-Siebziger. Ihre französische Interpretation durch Renault brachte den R5 hervor. Die Karosserie des 3,5 Meter kurzen Autos mit nur 9,8 m Wendekreis zeigte frappante Modernität, die Technik setzte auf Bewährtes

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 22 Kommentare lesen
Renault 5, erste Generation, 1972-1984. Ein Modell der ersten Serie noch ohne Seitenbeplankung, dafür mit Stoffdach 59 Bilder
Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Florian Pillau
Inhaltsverzeichnis

Paris, 25. Oktober 2012 – Kleinwagen heutiger Prägung sind eine Errungenschaft der Früh-Siebziger. Ihre französische Interpretation durch Renault brachte den R5 hervor. Schon die Karosserie des 3,5 Meter kurzen Autos mit nur 9,8 m Wendekreis zeigte eine vollkommen neue Glätte. Auffällig waren die erstmals bei einem Serienfahrzeug eingesetzten großflächigen Kunststoffstoßfänger anstelle der üblichen Stoßstangen. Das graue Plastik sah komisch aus und steckte die damals in Paris übliche Art des „Parkens mit Anschieben“ ohne Kratzer oder Dellen weg. Nach einem Unfall ließen sich die Gewicht sparenden Beplankungen zudem viel kostengünstiger austauschen. Sogar Recyclingfähigkeit versprach man. Renault schuf damit einen neuen Industriestandard, den später die gesamte Branche aufgreift. Nicht überall sofort: Der zwei Jahre nach dem R5 erschienene VW Golf beispielsweise trug noch verchromte Stoßstangen aus U-förmig gebogenem Eisenblech.

Frontmittelmotor und Federn unterm Auto

Die hochkant angeordneten Rückleuchten waren eine Konsequenz der breiten Heckklappe, die Renault bei R4 und R16 bereits seit Jahren erfolgreich einsetzte. Apropos R4: Die Technik des „Kleinen Freundes“ war eine Fortentwicklung des elf Jahre vor ihm erschienenen Kleinwagens. Wie sein Vorläufer, der parallel weiterproduziert wurde, hatte der R5 einen Frontmittelmotor (!), Einzelradaufhängung an Doppelquerlenkern vorn (!) und an gezogenen Schwingen hinten. Die Federn lagen platzsparend und schwerpunktgünstig unterm Fahrzeugboden, wo sie keinerlei Platz kosteten, serienmäßig waren bereits damals vordere Scheibenbremsen. Anders als beim R4 fehlte der Plattformrahmen, was die Karosserie leichter, crashsicherer und nicht zuletzt günstiger in der Produktion machte. Die erste Motorisierung des Modells „5 L“ war in Frankreich der aus dem R4 bekannte Vierzylinder mit 782 cm3 Hubraum und 25 kW/34 PS. Der deutsche Markt erhält eine stärkere Version mit 845 cm3 Hubraum und 26 kW/36 PS und die noch kräftigere Variante „TL“ erreicht 32 kW/44 PS aus 956 cm3 Hubraum. Damit erreichte der 775 Kilogramm leichte Kompaktwagen immerhin schon 137 km/h. Wichtiger als das Ereichen der Richtgeschwindigkeit war der geringe Verbrauch, Renault hatte rechtzeitig das zur Ölkrise von 1973 passende Auto. 1974 kam der „LS“ mit 1,3-Liter-Motor und 47 kW/64 PS, gut für 155 km/h, 1976 gab es ihn auch mit Automatik. Der GTL war auf 31 kW/42 PS gedrosselt und mit 5,9 l/100 km das Sparwunder der Baureihe.

Erfolg als Einkaufswagen

Die deutsche Presse feierte den R5, der hier auch als "Kleiner Freund" vermarktet wurde, als „Raumwunder“ („Deutsche Automobilrevue“) und „Wagen der Zukunft“ („Frankfurter Rundschau“). „Auto Motor und Sport“ schrieb: „Der kleine Renault ist, was Raumausnutzung, Transportkapazität sowie seine Eignung als Stadt- und Einkaufswagen angeht, unter Europas Kleinwagen zweifellos der größte.“ Dazu passt der 1980 erscheinende viertürige R5 mit sechs Zentimeter längerem Rad­stand. In diesem Jahr rollen über 660.000 Renault 5 von der Montagelinie, das sind 44,6 Prozent der Gesamtproduktion. 1980 erhielt der TL einen 32 kW/44 PS starken 1108-cm3-Motor mit einem Drittelmixverbrauch von 6,0 Liter Superbenzin/100 km. 1982 bekam auch der R5 GTL den Sparmotor, die Drittelmixwerte lagen bei 5,7 beziehungsweise 5,6 Liter Super/100 km.

1975 kommt Leben in die Bude: Die „Alpine“-Version mit 68 kW/93 PS erreicht 173 km/h Spitze und braucht nur 10 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Bei nur 840 kg kommt richtig Dynamik auf. Als Turbo-Pionier in der Formel 1 stattet Renault den 5er 1981 mit einem Turbolader aus. Die Leistung des Renault 5 Alpine Turbo steigt dadurch auf 79 kW/108 PS, er erreicht 191 km/h.

Dicke Backen – dicke Hose

Richtig wild wird der R 5 Turbo von 1980, der mit der Grundkonstruktion radikal bricht. Der 118 kW/160 PS starke 1,4-Liter-Turbomotor mit Ladeluftkühler sitzt nicht mehr unter der Haube, sondern längs hinter den Vordersitzen. Er überträgt die Kraft auf Hinterräder der Dimension 220/55 VR 365. Der „Backenturbo“ genannte Wagen wurde hinten um 20,2 cm breiter, um Reifen und Ladeluftkühlung Platz zu verschaffen. Die Fahrleistungen mit einem Beschleunigungsvermögen von 0 auf 100 km/h in nur 6,9 Sekunden sichern ihm einen Platz unter den Supersportwagen der damaligen Zeit, etwa einem Porsche 911 SC. Auf den Rallye-Pisten glänzt der Bolide unter anderem mit Siegen bei der Rallye Monte Carlo und der Tour de Corse. Die Leistung der Wettbewerbsversionen steigt von anfangs 184 kW/250 PS auf 300 kW/408 PS im Jahr 1985. Die dicke Backe erforderte eine richtig dicke Hose: In Deutschland kostete der Renault 5 Turbo mit 42.000 Mark so viel wie eine Mercedes S-Klasse.

Schluss mit originell

1984 endet die Karriere des Renault 5 der ersten Generation. Nach 5.544.695 produzierten Fahrzeugen in 13 Jahren steht mit dem „Supercinq“ („Super 5“) ein neu konstruierter Nachfolger auf dem Pariser Salon. In der Länge legt er um 8,5 Zentimeter auf 3,59 Meter zu, in der Breite um 3,5 Zentimeter auf 1,58 Meter. Von Beginn an ist ein um sechs Zentimeter auf 3,65 Meter gestreckte Viertürer erhältlich. Bei der Technik ist Schluss mit Originalität: Der Neue bekommt den günstiger zu fertigenden Industriestandard der vorderen McPherson-Federbeine statt der aufwendigen Doppelquerlenker an. Hinten bleibt es allerdings bei der Torsionsfederung. Die Motoren sind, wie mittlerweile ebenfalls üblich, quer vor der Vorderachse statt längs dahinter eingebaut.

Neben dem 1,0-Liter-Basis-Vierzylinder mit 30 kW/41 PS sind ein 1,1-Liter-Motor mit 33 kW/45 PS sowie eine 1,4-Liter-Maschine mit 43 kW/59 PS beziehungsweise 52 kW/71 PS erhältlich. Topversion ist der GT Turbo. Sein aufgeladener 1,4-Liter-Motor leistet 85 kW/115 PS, beschleunigt den R5 in nur 8,0 Sekunden von 0 auf 100 km/h und ermöglicht 200 km/h Höchstgeschwindigkeit. 1986 kommen die ersten Varianten mit lambda­geregeltem Dreiwegekatalysator nach US-Norm heraus, Renault übernimmt mit dieser eine Vorreiterrolle im gesamten Markt. Drei Jahre später haben alle Benziner für den deutschen Markt einen Kat. Ebenfalls 1986 erscheint der TD (Dreitürer) und GTD (Viertürer) mit 1,6 Liter großem Diesel, 40 kW/55 PS und von 5,1 Litern pro 100 km Verbrauch im damaligen Drittelmix.

1990 erscheint mit dem Clio der Nachfolger, ein Jahr später auch in Deutschland. Vier Jahre lang werden die beiden Kompakten noch parallel gebaut. Nach 22 Jahren und insgesamt 9.008.912 Exemplaren beider Baureihen wird die Produktion des R5 in Europa 1994 eingestellt.

40 Jahre Renault 5: die Chronologie

1972
Vorstellung auf dem Autosalon von Paris.
1973
Zur ersten Modellpflege zählen die verbesserten Sicherheitsgurte mit Schnellverschluss, die im Kleinwagen-Segment noch längst nicht Standard sind.
1974
Wegen des großen Verkaufserfolges wird die Modellpalette mit dem Renault 5 LS nach oben abgerundet. Der 1289-cm3-Benziner aus dem Renault 12 leistet 47 kW/64 PS. Exklusiv für den spanischen Markt entsteht der Renault 7 „Siete“ – ein Renault 5 mit fünf Türen, längerem Radstand und Stufenheck.
1975
Renault 5 GTL mit seitlichen Kunststoffschutzleisten. Die Revolverschaltung wird durch eine moderne Bodenschaltung ersetzt. Der Renault 5 Alpine mit 68 kW/ 93 PS und 5-Gang-Getriebe aus dem Renault 16 erscheint.
1976:
Der GTL kommt auch nach Deutschland. Weiterer Neuzugang ist der Renault 5 Automatik mit 40 kW/55 PS, Vinyldach und Kopfstützen.
1978
Jean Ragnotti fährt mit dem Renault 5 Alpine bei der Rallye Monte Carlo auf den zweiten Platz.
1980
Straßenversion des Renault 5 Turbo mit 118 kW/160 PS aus 1397 cm3 Hubraum und Heck-Mittelmotor.
1981
Jean Ragnotti und Marc Andrié siegen bei der Rallye Monte Carlo mit dem 184 kW/250 PS starken Renault 5 Turbo. Der Renault 5 TX bietet Servolenkung, elektrische Fenster­heber, Lederlenkrad, Leichtmetallfelgen und Color­verglasung. Neues Modell ist der offene Rodéo 5 mit Kunststoffkarosserie und Stoffverdeck.
1982
Ragnotti und Andrié siegen bei der Tour de Corse mit dem Renault 5 Turbo.
1983
Der Renault 5 Turbo 2 geht an den Start. In dem James Bond-Epos „Sag niemals nie“ rast ein roter Turbo mit quietschenden Reifen durch die Altstadt von Nizza.
Der Renault 5 überschreitet die 5.000.000-Produktionsmarke. Neben den französischen Produktionsstätten Flins und Douai fertigen elf weitere Länder den beliebten Kleinwagen unter Lizenz.
1984
In 13 Jahren sind 5.544.695 Renault 5 der ersten Generation vom Band gelaufen. Auf dem Pariser Salon wird der „Supercinq“, ein völlig neu konstruierter Nachfolger vorgestellt. Dennoch ist der Publikumsliebling der ersten Generation noch einige Zeit parallel erhältlich.
1985
Der Super 5 (Supercinq) wird in kürzester Zeit zum Verkaufs­renner. Wahlweise sind vier Motoren lieferbar. Topmodell ist der Renault 5 GT Turbo mit 85 kW/115 PS, der zum schnellsten Auto in seinem Segment avanciert. Ragnotti siegt erneut auf der Tour de Corse – mit einem Renault 5 Turbo 2, der bis zu 300 kW/408 PS freisetzt.
1986
Der neue Renault 5 GTL kommt mit geregeltem Dreiwegekat. Der Dieselmotor wird eingeführt und die Modellpalette um den Kleinlieferwagen Renault 5 Rapid erweitert. Seltener Exot bleibt das viersitzige Cabrio des belgischen Herstellers EBS.
1987
Das Basismodell nennt sich Renault 5 Campus und ist mit dem 1108-cm3-Benziner (33 kW/45 PS) ausgestattet. Neu ist ebenfalls der GTX, der es mit dem 1,8-Liter-Benziner auf 64 kW/87 PS bringt.
1989
Alle Renault 5-Benziner sind mit geregeltem Katalysator ausgerüstet. Oreille und Thimonier siegen mit dem Renault 5 GT Turbo bei der Rallye Côte d’Ivoire.
1991
Obwohl der Nachfolger Clio bereits vorgestellt wurde, bleibt der Renault 5 weiterhin ein gefragtes Modell, das noch mit vier Motoren und sowohl als Drei- als auch als Fünftürer angeboten wird.
1994
Letztes Produktionsjahr des Renault 5. In 22 Produktionsjahren sind insgesamt 9.008.912 Exemplare gefertigt worden.