Die Methode Audi

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Der schwere Kopf

Die Position des Audi 100 in der gehobenen Mittelklasse hätte man zum Anlass nehmen können, statt des in der Auto Union traditionellen Frontantriebs auf Standardantrieb (längs eingebauter Motor vorne, Antriebsachse hinten) umzuschwenken. Es gab aber stichhaltige Gründe, das nicht zu tun. Die genannte Tradition zum Beispiel oder das durch ein Hinterachsdifferenzial verringerte Kofferraumvolumen und erhöhte Gewicht. Der entscheidende Grund war jedoch, dass diese Umstellung sehr teuer gewesen wäre. Zu den Anfangszeiten konnten die Ingenieure nämlich im F103 noch das Getriebe des F102 verwenden, was ihnen rund 20 Millionen Mark zusätzliche Investition sparte. Beim Audi 100 hätte ein Umschwenken schon 120 Millionen gekostet. Diese Reihe konnte nie billiger werden. Also argumentierte man fortan mit den Vorzügen des Konzepts (Kofferraum, Anpressdruck auf der angetriebenen Achse) und arbeitete im Restfahrzeug hart daran, den großen Nachteil des Konzepts zu mildern: die Kopflastigkeit.

Denn die wurde zum fahrerischen Markenzeichen Audis, als die Motoren immer größer wurden. Es ist etwas ganz anderes, ob man einen kleinen Dreizylinder-Zweitakter hinter der Stoßstange spazierenfährt oder ob man, vielleicht in Erinnerung der Unlogik 3=6, einen Reihensechszylinder ausprobiert, wie es Audi tat. Der Versuch endete in Tränen. Daher probierte sich Audi näher an konventioneller Logik mit 5=6, mit einem Reihenfünfzylinder. Dieser Wagen war nicht mehr unfahrbar, sondern hatte die wesentlich harmloseren Fahreigenschaften eines gut ausgestatteten Senkbleis, mit denen er recht erfolgreich in die Produktion ging. Man spürte jedoch mittlerweile schmerzhaft die bauartbedingten Grenzen des gewählten Konzepts. Die Gernschnellfahrer unter den Kunden brauchten zumindest ein Stammtischargument, um ihrer Hausmarke treu bleiben zu können, statt zu BMW zu gehen.

Die Geburt des Quattro

Dieses Argument hieß schließlich: Allradantrieb. Die Motoreinbaulage mochte ihre Nachteile haben, sie war jedoch ideal für einen nachträglich hinzugefügten mechanischen Vierradantrieb. Die Vorderachse war versorgt, die Ingolstädter Ingenieure mussten also noch einen kompletten Hinterachsantrieb und ein Mitteldifferenzial dazukonstruieren. Da ein Frontantrieb aufgrund der Lenkung aufwendiger zu konstruieren ist als ein Hinterradantrieb, taten sie sich damit deutlich leichter als Konkurrenten, die einen Vorderradantrieb neu zu einem bestehenden Hinterradantrieb entwickeln mussten.