Four Wheels good, three wheels better

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Hamburg, 5. September 2014 – Pure. Fun. Wenn der Zweizylinder-V-Motor im Morgan 3 Wheeler zum Leben erwacht, zuckt das Lenkrad im Takt dazu. Der kraftvolle Schlag der S&S-Maschine mit 1983 cm3 Hubraum ist ein Vorgeschmack auf das, was kommt: ein Sturm der Ursprünglichkeit und des unverfälschten Fahrens. Ohne Filter, ohne Dämmstoffe, ohne Elektronik und auf handgenähten Ledersitzen.

Klack, 1. Gang. Das Getriebe aus dem Mazda MX-5 schaltet sich präzise und mit kurzen Wegen. Die Kupplung kommen lassen – die stehenden Pedale lassen sich verstellen, der Sitz nicht – und los geht’s. Der 3 Wheeler verlangt nach der Bedienkraft, die allen regelmäßigen Nutzern alter Fahrzeuge vertraut ist. Greifen Sie zu! Servo-Unterstützung? Gibt es nicht. Dafür das wunderschöne Holzlenkrad, das in Lutz Leberfingers Morgan Park in Hamburg entworfen wurde und von den meisten Kunden mitbestellt wird. Das Serienvolant ist einfach zu schnöde, und der Ersatz zu ästhetisch, um darauf verzichten zu können.

Leiser geworden

Zupacken ist jederzeit angezeigt. Der Fahrer entscheidet, wo es lang geht, am besten mit einer gewissen Entschlossenheit. Auf der üppigen Kraftwoge des auf einen Harley-Twin zurückgehenden Motors ballert der 3 Wheeler nach vorne. Jede Zündung lässt sich zählen, zumindest bei niedrigen Drehzahlen. Zwischen 2000 und 3000 Touren gleitet man dahin, da fühlt sich der 60 kW (82 PS) starke Motor wohl. Ab 3000 Umdrehungen pro Minute beschleunigt der 3 Wheeler zackig und grollend, um sich über 4000 Umdrehungen zu einem aggressiven Stakkato zu steigern, das zum Schalten mahnt.

Dabei ist das Begleitgeräusch der so genannten Bevelbox zum aktuellen Modelljahr erheblich leiser geworden, und auch die Vibrationen haben nachgelassen. Dieses Winkelgetriebe lenkt die Kraft der kurzen Kardanwelle auf den Zahnriemen um, der das 175er Hinterrad antreibt. Die Bevelbox ist jetzt vom Rahmen entkoppelt – aber keine Sorge, unhörbar ist sie nicht.

Es verstecken sich noch weitere Überarbeitungen wie eine leicht geänderte Lenkgeometrie und ein Kühllüfter für den Stop & Go-Verkehr im 3 Wheeler des Baujahrs 2014, aber das Grundkonzept bleibt. Zwei Räder vorne, ein angetriebenes hinten, ein Morgan wie er traditioneller nicht sein könnte, mit Rohrrahmen und ohne Überflüssiges wie Radio oder Verdeck. Ach ja, eine Sitzheizung kann nun geordert werden.

Herzerwärmend, aber rücksichtlos

Meistens aber wird einem von alleine warm ums Herz. Da kann der Wind, der von den Abweisern mit einem Mindesterfolg am Kopf vorbei geführt wird, noch so blasen. Das Fahren im 3 Wheeler macht einfach Freude. Das Risiko des Führerscheinverlusts ist trotzdem gering. Die Beschleunigung (rund sechs Sekunden bis 100 km/h) des 525 Kilogramm leichten Stück Englands ist gefühlt infernalisch, und die Höhe der Geschwindigkeit wird leicht überschätzt. Meistens ist man objektiv langsamer als befürchtet. Morgan-Besitzer, die nachweislich und ohne Helm länger als eine Viertelstunde bei Top Speed (185 km/h) gefahren sind, mögen sich bitte in der Redaktion melden. Sie sind entweder völlig angstfrei oder leicht irrsinnig.

Pressekonferenz bei jedem Stopp

Zumindest schüchtern sollte man nicht sein, wenn man sich ernsthaft für den Morgan 3 Wheeler interessiert. Es ist erstaunlich, wie viele und ausschließlich positive Reaktionen dieses Fahrzeug hervorruft. Daumen hoch, breites Lächeln, sogar Jubelrufe, und bei jedem Halt kommen die Fragen: Wie alt ist der? Fabrikneu. Darf ich den mit einem Autoführerschein bewegen? Ja. Was kostet der? Ab 42.300 Euro. Nicht viel gemessen daran, dass hier kein Teil am Fließband montiert wird. Und zum Schluss das Handyfoto.

Ein Spielzeug ist der Morgan 3 Wheeler allerdings nicht. Er will geführt und gesteuert werden, am liebsten über Landstraßen, wo er sich geduckt aus den Kehren herausdrückt. Altgediente Morgan-Treiber lehnen sich dabei zum Kurveninnenrand. Nur 15 Zentimeter beträgt die Bodenfreiheit, man hockt dicht über dem Asphalt. Der Komfort ist sehr gut, was dem großen Radstand von 2,39 Meter bei 3,26 Meter Gesamtlänge zu verdanken sein dürfte. Und obwohl die Innenbreite im Schulterbereich nur 90 Zentimeter beträgt (ja, es reicht für zwei Erwachsene, die sich mögen), liegt die Gesamtbreite wegen der Vorderräder bei 1,74 Meter. Man braucht durchaus Platz.

Custom made

Probesitzen ist unerlässlich. Je nach Spezifikation kann das Lenkrad abgenommen werden, sodass das Hineinrutschen in den tiefen Sitzkanal leichter fällt. Allzu breit sollte man nicht sein, auch nicht allzu groß, obwohl man bei Morgan Park klar macht, dass man bisher noch jedem, der es wollte, einen 3 Wheeler passend gemacht hat.

Weltweit wurden bisher rund 1200 Exemplare verkauft. Was nach einer ausführlichen Fahrt im 3 Wheeler bleibt, ist der Eindruck eines sehr physischen Erlebnisses gepaart mit tiefen Sinneseindrücken: Die Geräusche des Autos und der Straße, die ständig wechselnden Gerüche der Umgebung, noch intensiver als beim Motorrad, weil ohne Helm, dazu dieser unbändige Wille zum Fahren, zum Lenken, zum Selbstbremsen.

Der Kontrast auf dem Weg nach Hause könnte nicht schärfer sein: Für die 20 Kilometer zurück ins Büro steht ein neuer Mini Cooper zur Verfügung. Der war mal britisch. Alles ist unfassbar leise und eingekapselt. Und man sitzt viel, viel zu hoch.

Morgan Park hat den 3 Wheeler kostenfrei bereitgestellt.