Wärmepumpe

EnviroKool: Indirekter Wärmetransport im Kolben

Federal-Mogul ist einer der wichtigsten Spezialisten für Stahlkolben. Um die Vorteile des Konzepts für künftige Hochleistungsmotoren nutzen zu können, werden diese Bauteile laufend verbessert. Die jüngste Idee ist eine Verbesserung des Wärmehaushalts im Kolben mittels Edelgas und Öl

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  • Florian Pillau
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Plymouth, Michigan (USA), 11. Juli 2016 – Der Automotive-Zulieferer Federal-Mogul ist einer der wichtigsten Spezialisten für Stahlkolben. Um die Vorteile des Konzepts auch in künftigen Hochleistungsmotoren nutzen zu können, werden diese Bauteile laufend verbessert. Die jüngste Idee ist eine Verbesserung des Wärmehaushalts im Kolben mittels Edelgas und Öl.

Federal-Mogul liefert seit 2003 geschweißte Stahlkolben für Nutzfahrzeugdieselmotoren. Ein Grund sind die immer weiter steigenden Zylinderspitzendrücke. In den 90er-Jahren waren das rund 190 bar, die noch mit einem zweiteiligen Leichtmetallkolben beherrscht werden konnten. Heute sind es bereits 220 bar – Federal-Mogul nimmt an, bis 2020 werden sie jährlich im Schnitt um weitere sieben bar ansteigen.

Diese Entwicklung ist nicht auf Nutzfahrzeuge beschränkt, für einen Wettbewerber von Federal-Mogul, Mahle, hat sich der Transfer zum Pkw bereits ausgezahlt. Mahle konnte über 30 Jahre Erfahrung mit Nkw-Stahlkolben in die Weiterentwicklung im Pkw-Selbstzünder einbringen und schon seit einigen Jahren setzen Renault und Mercedes-Benz sie in ihren 1,5- und 1,6-Liter-Pkw-Motoren serienmäßig ein.

Effizienzpotenzial im Prozentbereich

Es dürften nicht die letzten Stahlkolben in Pkw sein, denn allein durch die Vorteile ihrer kompakteren Bauform und der damit einhergehenden geometrischen Verbesserungen im Kurbeltrieb, verminderter Dehnung sowie einer geringeren Wärmeleitfähigkeit und leichteren Bauteilen ergeben sich Effizienzpotenziale im Prozentbereich. Für einen Pkw-Fahrer klingt das wenig, für Lkw-Hersteller unter Verbrauchsvorschriftsdruck und im Hinblick auf seine bei Betriebskosten extrem sensiblen Kunden ist das genug, um diese Technik erfreut aufzugreifen.

Ein Charakteristikum des Stahlkolbens ist seine geringere Wärmeleitfähigkeit. Sie vermeidet zwar Energieverluste bei der Verbrennung und macht diese dadurch effizienter, allerdings zum Preis höherer Anforderungen an die Kolbenkühlung. Sie galt es nun weiterzuentwickeln. Um den Wärmehaushalt der Kolben zu regeln, hat man schon früh Konzepte entwickelt, welche die überschüssige Hitze abführen konnten. In den riesigen Zweitakt-Dieseln der Supertanker sind die Kolben wassergekühlt, doch ist das nur in diesen mit nur ca. 100/min extrem langsamlaufenden Motoren mit Kreuzkopf und Kolbenstange sinnvoll.

In Autos benutzt man als Wärmemedium das Motoröl. Viele Motoren mit höherer Leistungsdichte und die meisten Dieselmaschinen sprühen Öl durch Düsen auf die Kolbenböden. Es nimmt die Wärme am Kolbenboden auf und kann sie dann in der Ölwanne oder/und einem eigenen Kühler wieder abgeben. Bei kompliziert geformten oder höher belasteten Kolbenkronen taucht die Öldüse am unteren Totpunkt sogar in einen Kanal, der die Krone ringförmig durchzieht, um in dieser sensiblen Zone ganz gezielt Wärme abzuführen. Der Kolben bekommt also jede Umdrehung eine kühle Ölfüllung, welche die vorherige, wärmebelastete ersetzt.

Durch den direkten Kontakt des Motoröls mit der heißen Kolbenunterseite altert das Schmiermittel allerdings schneller als erwünscht und verliert wichtige Schmierungseigenschaften. Bei Hochleistungsmotoren oder in nachlässig gewarteten Maschinen kann es sich im Extremfall sogar in Form von Ölkohle an den Wänden des Kolbenkühlkanals anlagern und dadurch den Wärmeübergang verschlechtern. Das wäre der Anfang eines Teufelskreises aus noch mehr Hitze und weiteren Ablagerungen – schlimmstenfalls bis hin zu einem Motorschaden.

Analogie zum natriumgefüllten Ventilschaft

Federal-Mogul hat diese Kühlungsart für hoch belastete Lastwagenmotoren nun an das höhere Temperaturgefälle moderner Motoren angepasst und kommt gleichzeitig dem Wunsch nach längeren Wechselintervallen für den Schmierstoff im Sinne gesenkter Betriebskosten entgegen. Die Ingenieure nutzen den bereits vorhandenen Hohlraum zwischen den in der Ringträgerzone reibverschweißten Einzelteilen Kolbenboden und Unterbau. Hier zirkuliert nun eine Mischung aus einem nicht näher spezifizierten Kühlmittel und einem Edelgas, das wohl nur zur Verhinderung chemischer Veränderungen während der Produktion und eventuell auch während des späteren Betriebs dient. Eingefüllt wird die Mischung nach dem Zusammenbau des Kolbens durch eine Öffnung, die danach dauerhaft verschweißt wird.

Das Kühlmittel kann so im hinabgehenden Kolben am Kolbenboden Wärme aufnehmen und sie im aufwärtsstrebenden Kolben an seiner Unterseite wieder abgeben. Das Prinzip erinnert stark an den schon lange genutzten Wärmetransport in natriumgefüllten Ventilschäften, in denen der hervorragende Wärmeleiter Natrium die Hitze des mehrere hundert Grad heißen Ventiltellers aufnimmt und in den Schaft verteilt, wo sie dann großflächig in die Ventilführung abgeleitet werden kann.

Erwünschter Nebeneffekt

Der indirekte Wärmetransport im Kolben, den Federal-Mogul „EnviroKool” nennt, kommt höhere Leistungsdichten und gesteigerten Anforderungen an die Wartung entgegen und spart zusätzlich noch Reibleistung. Dadurch, dass der Wärmetransport im Kolben so effektiv verläuft, kann laut Hersteller die Ölmenge für die Kühlung der Kolbenunterseite 50 Prozent verringert werden.

Die weitere Steigerung der Literleistung im Sinne des Downsizing spricht also dafür, dass wir künftig solche Lösungen auch in Pkw sehen werden. Angesichts wachsender Literleistungen braucht es dazu wahrscheinlich nicht einmal unbedingt einen Selbstzünder.