Ducati befährt Neuland

Fahrbericht Ducati Multistrada 1200 Enduro

Bei den Weltumrundern gilt der Name „Ducati“ wenig. Das soll die Multistrada Enduro nun ändern, mit einem bemerkenswert bedienbaren Motor, viel Elektronik und tollen Fahreigenschaften

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Ducati Multistrada 1200 Enduro 21 Bilder
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Stuttgart, 15. Juli 2016 – Als sich Ducati 2010 mit der Neuauflage der Multistrada als 1200er in den lukrativen Markt der Reiseenduros traute, taten sie das erfrischend eigenständig. Statt wie so viele in der Konkurrenz zu versuchen, in der Hoffnung auf einen Mitzieherfolg eine BMW GS zu kopieren, war die Multi ein flinker Tallrounder auf Straßenrädern, der auf Bildern groß aussah, beim Aufsitzen aber bemerkenswert kompakt und beim Fahren daher sehr flink war. Als BMW mit der S 1000 XR herauskam, dachte man also umgekehrt daran, dass diese XR starke Ähnlichkeiten mit der Multistrada aufweise. Jetzt jedoch brachte Ducati die 1200 Multistrada „Enduro“, und das ist eine richtige Reiseenduro geworden, denn sie ist groß, schwer, auf Wunsch alubekoffert und sturzbebügelt und es gibt sie optional mit Stollenreifen auf Speichenfelgen. Schauen wir uns das an.

Also, kompakt ist die Multistrada Enduro nicht mehr. Sie sieht zwar ähnlich aus wie ihre Vorgängerin, wuchs aber deutlich, was groß gewachsene Kunden unter den Reiseendurointeressenten freuen wird. Ducati verbaut weiterhin den wunderbaren Testastretta-Motor: Ein 90-Grad-V2, liegend wie ein L. Diesen sehr lebensfrohen Motor hat Ducati gezähmt durch ein E-Gas und eine hydraulisch betriebene variable Steuerzeitenverstellung. Er leistet damit zwar 160 PS, aber er hat so viel Drama verloren, dass sich einige Fans etwas mehr der alten Multistrada zurückwünschen. Auf der Habenseite stehen perfekte Manieren, sodass dieses Monster von Motor auf losem Untergrund tatsächlich sehr gut bedienbar wurde. Die neue Multi kann sich hier durchaus mit dem Tuckermotor aus Hondas Africa Twin messen, hat aber oben heraus viel mehr Leistung. Respekt.

Asphalt: Note Eins

Auf der Straße fährt die Multistrada Enduro wie jede mir bekannte Ducati sehr gut. Mir fällt kein einziger relevanter Kritikpunkt im Asphaltverhalten ein. Die 1200er beugt sich willig dem Lenkimpuls, zieht stabil durch die Schräglage und erlaubt jederzeit Korrekturen, ohne jemals mit unerwartetem Verhalten zu überraschen. Da jede Reiseenduro 999 Tausendstel jeder Tour auf Asphalt fährt, empfehle ich hiermit jedem großen Kradisten eine Probefahrt, der schon immer mal Ducati fahren wollte, auf einer Monster aber sitzt wie der Gorilla auf dem Zirkusrad.

Zum Segment Reiseenduro gehört das große Träumen. Das hat Ducati sehr gut gelöst, indem sie zusammen mit Pirelli in hohem Aufwand einen Reifen entwickelt haben, der trotz sehr viel Negativprofil und damit einiger Eignung für Matsch auf der Straße tadellos fährt: den Scorpion Rally. Keine auf der Autobahn herausgerissenen Stollen mehr, erfreulich geringe Laufgeräusche vorn und viel Grip in Schräglage. Der Reifen ist empfohlen bis 170 km/h und kommt mit einer Kennung „M+S”, besteht also die Winterreifenkontrolle. Natürlich hält der Rally nicht so lange wie die Straßenvariante Scorpion Trail, das dürfte die Kundschaft aber kaum interessieren. Mit den „Rally”-Reifen auf Speichenfelgen vermittelt dir die Ducati das Gefühl, den Himalaya durchfahren zu wollen, und darauf kommt es an, selbst wenn das Ding dann einmal im Jahr einen Feldweg sieht. Und dann auf dem Feldweg oder der nassen Wiese greifen die Stollen dann auch in den Lehm und werfen ihn bei ausreichender Drehzahl auch wieder ab. Top.