Fahrbericht Honda CBR 650 F

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Optisch scheint sich an der Mittelklasse-Sportlerin CBR 650 F nichts geändert zu haben, doch bei den inneren Werten hat sich einiges getan. Im Vorfeld hatten viele befürchtet, die neue Norm würde Leistung kosten, schließlich muss es jetzt sauberer zugehen als bislang. Doch zumindest beim 650er-Reihenvierzylindermotor ist sogar das Gegenteil der Fall. Honda verkündet stolz, vier zusätzliche PS mobilisiert zu haben. Für 91 PS bei 11.000/min wurde ein neues Mapping der Steuerelektronik und eine neue Auspuffanlage nötig, deren Sammler nur noch zwei statt drei Kammern enthält und weniger Gegendruck aufbaut, außerdem sind die Ansaugtrichter der Drosselklappenkörper nun größer.

Sie trägt einen großen Namen

Der 649-cm3-Vierzylinder läuft seidenweich und zieht selbst im höchsten Gang auch aus niedrigen Drehzahlen sauber durch. Ruckeln kennt der Motor nicht und Vibrationen lassen sich nur in der Gegend von 5000/min ganz leicht erahnen. Wobei sich die Leistung so gleichmäßig entfaltet, dass es fast schon langweilig ist. Es gibt keinen plötzlichen Schub oder rasantes Hochdrehen, auch nicht durch die vier zusätzlichen PS. Zwar röhrt der Motor bei fünfstelligen Drehzahlen hörbar, aber es fehlt der gewisse Kick. Das würde gar nicht weiter stören, wenn die CBR 650 F nicht einen großen Namen tragen würde: Die legendäre CBR 600 F genießt Kultstatus. Generationen von Sportfahrern sind seit 1986 auf der CBR 600 groß geworden und Honda hat mit ihr 13 Supersport-WM-Titel eingesammelt. Die CBR 600 F und erst Recht die ab 2003 gebaute verschärfte Variante CBR 600 RR konnten einen mit ihrem rasant hochdrehenden, kurzhubigen Reihenvierzylindermotoren in einen wahren Rausch versetzen und verfügten dennoch über erstaunlich hohe Alltagsqualitäten.

Im Konzept nicht vergleichbar

Doch als die Euro4-Norm anstand, beschlossen die meisten Marken, ihre ohnehin nur noch schleppend verkauften 600er-Sportler auslaufen zu lassen, lediglich Yamaha wagte eine mutige Neuauflage ihrer YZF-R6. Dem Artensterben fielen auch die CBR 600 F (bereits 2013) und letztes Jahr die CBR 600 RR zum Opfer. Aber Honda hatte schon 2014 mit der CBR 650 F einen neuen Mittelklasse-Sportler eingeführt. Sie war jedoch, trotz der Namensgebung, keine echte Nachfolgerin der 600er, dafür fehlte der 650er die Leistung und das einstellbare Fahrwerk. Statt aus Aluminium bestand der Brückenrahmen nun aus Stahl, was das Gewicht hochtrieb. Die letzte CBR 600 F brachte es auf 106 PS, und auch wenn die Höchstleistung erst bei 12.500/min anlag (CBR 600 RR: 120 PS bei 13.500/min), überzeugte der Vierzylinder schon damals mit vorbildlichen Manieren. Die CBR 650 F konnte 2014 zwar immerhin 86 PS aufbringen, kam aber an die Fahrleistungen und den enormen Fahrspaß der 600er nicht heran.

Vom Supersportler ist die CBR 650 F weit entfernt

So keimte Hoffnung, dass der renovierte Jahrgang 2017 an die große Vergangenheit der CBR 600 F anknüpfen könnte, zumal Honda ankündigte, dass die Mehrleistung vor allem in der oberen Drehzahlhälfte zu finden sei. Doch das Resultat des ersten Ausritts: Alles wie gehabt. Unterschiede zum 650er-Motor der Vorgängerin sind während der Fahrt nicht wirklich bemerkbar, vom Supersportler ist die CBR 650 F immer noch weit entfernt. Natürlich hat sie im unteren Drehzahlbereich mehr Drehmoment als die alte CBR 600 F, aber bei einem Mittelklasse-Sportler erwartet man oben herum Spritzigkeit. Wer Wert auf früh anliegendes Drehmoment legt, kauft sich ohnehin ein hubraumstärkeres Modell.

Komfortabel abgestimmt

Es lag wohl auch nie in der Absicht von Honda, aus der CBR 650 F einen Supersportler zu machen, auch wenn die Optik es vorgaukelt. Vielmehr wollte der weltgrößte Motorradhersteller mit ihr neben dem europäischen vor allem den riesigen asiatischen Markt bedienen. Dort wachsen die Ansprüche und mit ihnen der Hubraum – eine 650er gilt dort in den meisten Ländern schon als Big Bike. Daher wollte man der CBR 650 F auch keine teure Upside-down-Gabel oder einen Aluminiumrahmen spendieren, was sie für viele asiatische Länder unerschwinglich machen würde. Bei einer gelungenen Grundabstimmung ist ein nicht einstellbares Fahrwerk für die meisten Einsatzgebiete auch völlig ausreichend. Honda blieb hier eher auf der komfortablen Seite, um auch den Bereich „holprige Landstraßen“ abzudecken.

Wer hingegen sportliche Ambitionen hegt, bringt die CBR 650 F schon Mal ans Limit. Beim harten Anbremsen taucht die Telegabel weit ein, was zwar das Einlenken erleichtert, aber bei Bodenwellen gelegentlich Unruhe aufkommen lässt. Dabei ist das neue Modelljahr vorne mit einer Dual-Bending-Valve-Gabel von Showa schon straffer abgestimmt als bisher. Ihr Verhalten ist nie bedenklich und doch fehlt die deutliche Rückmeldung vom Vorderrad. Warum der Hinterreifen im breiten 180er- und nicht im agileren 160er-Format gewählt wurde, bleibt das Geheimnis von Honda. Bei der CBR 650 F ist eindeutig ein runder, fließender Fahrstil erforderlich, dann jedoch bereitet sie viel Freude. Bei präziser Linienführung segelt die Honda sehr schräg durch die Kurven und giert geradezu nach Drehzahlen. Die vorderen Doppelbremszangen von Nissin wurden überarbeitet und verzögern die gelochten Wave-Bremsscheiben zuverlässig.

Hoher Sitzkomfort

Mit 213 kg gehört die Honda nicht wirklich zu den Leichtgewichten, sie kann ihre Pfunde aber durch eine nun kürzere Abstufung der Gänge zwei bis fünf ganz gut kaschieren. Das Styling der CBR 650 F bleibt wie gehabt sehr ansprechend: Durchaus dynamisch, aber nicht übertrieben aggressiv. Ein spitz zulaufendes, hochragendes Heck unterstreicht den sportlichen Auftritt. Der Sitzkomfort ist sehr angenehm, die beiden Lenkerstummel setzen relativ hoch an, so dass sich der Pilot über eine einigermaßen aufrechte Haltung freut. Bei 810 mm Sitzhöhe können auch normalgroße Fahrer sicher mit den Füßen den Boden erreichen, was die CBR 650 F für Frauen attraktiv macht.

Die Vollverkleidung bietet übrigens nur mäßigen Windschutz, dafür ist der Windschild einfach zu niedrig geraten. Leider verbirgt die Plastikverschalung eines der Highlights der CBR 650 F: Die vier wunderschönen, gewundenen Krümmer. Das Cockpit ist ein wenig gewöhnungsbedürftig, die zwei weit auseinander liegenden Displays mit den kleinen Anzeigen und das triste, schwarze Plastik sind nicht jedermanns Geschmack. Dafür erstrahlen der Scheinwerfer und das Rücklicht im hellen LED-Licht.

Kürzere Gangabstufungen

Dank der vier PS mehr Leistung stieg die Höchstgeschwindigkeit der CBR 650 F minimal an auf 197 km/h und der Durchzug verbessert sich aufgrund der kürzeren Übersetzung. Honda gibt eine Reichweite von 350 Kilometer an, was bei dem 17 Liter großen Tank einem Verbrauch von 4,85 Liter auf 100 Kilometer entspräche. Ganz offensichtlich hat man in der Entwicklungsabteilung die touristischen Qualitäten der CBR 650 F nie aus dem Blickfeld verloren. Genau dort sollte die Mittelklasse-Honda auch eingeordnet werden: Statt im Supersport-Segment liegen die Talente der CBR 650 F eher im Sporttouring-Bereich.

Die Verarbeitung der in Thailand produzierten CBR 650 F bewegt sich auf dem bei Honda üblichen hohen Niveau. Die Serienausstattung hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck: Einerseits erfreut die Honda mit abgewinkelten Reifenventilen, die das Prüfen des Luftdrucks erleichtern, andererseits ist der Kupplungshebel nicht einstellbar. Die Sitzfläche für den Sozius ist überraschend großzügig bemessen, aber es sehr schwierig, dort eine Gepäckrolle zu verzurren. Die CBR 650 F besitzt eine attraktiv geformte Aluminiumschwinge, aber das direkt angelenkte Federbein ist weder in Druck- noch Zugstufe einstellbar.