Fahrbericht: Jeep Grand Cherokee 3.0 CRD Trailhawk

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Jeep hat den Grand Cherokee überarbeitet. Neu im Programm ist die Ausstattung Trailhawk, die mit Luftfederung, Aggregateschutz und Traktionsreifen sogar den legendären Rubicon-Trail im Nordosten von Kalifornien bewältigen können soll. Theoretisch. Diese Off-Road-Passage ist so schwierig, dass man normalerweise zwei Fahrtage für die 40 Kilometer zwischen Georgetown und Lake Tahoe benötigt. Das wird die Klientel sich oder ihrem Grand Cherokee eher nicht antun.

Normalerweise fährt man diesen ehemaligen Postweg durch den Gebirgswald und über Granitfelsebenen mit Autos, an denen Dellen, Kratzer oder die Blechschäden durch einen der gar nicht seltenen Überschläge aus Schrittgeschwindigkeit egal sind. Niemand befährt diese Strecke ohne „audio warnings” – also lautstarken Begegnungen zwischen Fahrzeug und Fels mit den entsprechenden Folgen fürs Metall.

Grand Cherokee-Fahrer setzen da viel lieber auf lauschigen Langstreckenkomfort wie die belüfteten Sportsitze mit Alcantara-Mittelbahn und Trailhawk Stickerei. Die Holz-Applikationen verbreiten edel-nostalgische Salon-Atmosphäre um das Infotainmentsystem mit zeitgemäß großem 8,4-Zoll-Touchscreen. Die beiden Bildschirme an den Hinterseiten der Kopfstützen können auch über einen HDMI-Eingang angesteuert werden.

Elektromechanische Lenkung

Genauso unbrauchbar in der Wildnis wären die neuen Assistenzfunktionen zur aktiven Spurhaltung und zum automatischen Einparken. Da beide Systeme direkt an der Lenkung eingreifen, wird in der überarbeiteten Version eine elektromotorisch statt einer hydraulisch unterstützten Lenkhilfe montiert. Im Gegensatz zu einem eigentlich erwartbaren Rückschritt im Lenkgefühl bewirkt diese Änderung mehr Rückmeldung und Präzision.

Weniger präzis fühlt sich die Abstimmung der ZF Achtgang-Wandlerautomatik an. Normalerweise ist sie bekannt für entschlossen kurze aber dennoch sanfte Gangwechsel. Im Jeep jedoch wurde der Wandler so weich abgestimmt, dass sich der 250 PS V6-Diesel trotz seiner 570 Nm Drehmoment fast ein bisschen zaghaft anfühlt. Der Fahrmodus „Sport” hilft da nicht, der Motor klingt damit höchstens noch eine Spur genervter.

Aber warum, bitte, „Sport”? der Grand Cherokee ist vom Naturell her ein entspannter Gleiter – umso mehr mit dem Komfort der Luftfederung, die das Trailhawk-Paket umfasst. Fürs ruhige Cruisen ist die Angabe von 8,2 Sekunden Spurtdauer aus dem Stand auf 100-km/h von ebenso theoretischem Wert wie die der Höchstgeschwindigkeit von 190 km/h. Den Norm-Verbrauch gibt Jeep mit sieben Litern auf 100 km an. Auch das – Sie ahnen es schon – ist reine Theorie: Uns meldete der Bordcomputer nach Landstraße im Gebirge 11,3 l/100 km. Apropos Theorie: Immerhin hat der Motor Chancen im kommenden RDE, weil er mit einem SCR-Kat fährt.

Die Traktion ist dagegen besser, als sich der kühnste Landstraßencruiser je ausmalen könnte: Der Allradantrieb mit Differenzialsperre hinten kommt in Geländereduktion von 2,72:1 in der ersten Gangstufe von 4,714:1 mit dem Differenzial von 3,454:1 auf eine Gesamtübersetzung von 44,28:1, was bedeutet, dass immerhin viermal knappe 6311 Nm Raddrehmoment zur Verfügung stehen. Bei langsamem Kriechen unterhalb Schrittgeschwindigkeit könnte der verschleißfreie Wandler das Drehmoment theoretisch noch einmal rund verdoppeln, allerdings wird die Traktionssteuerung ein schädliches „Zuviel” zu verhindern wissen: Man will ja nicht die Antriebswellen abscheren. Zudem verteilt diese Steuerung die Motorkraft je nach Bedarf innerhalb der physikalisch möglichen Grenzen sowohl zwischen den Rädern als auch zwischen den Achsen. (Aber nicht zu 100 Prozent an Vorder- oder Hinterachse, wie Jeep wirbt).

Kraft auf den Boden

Je nach Geländebeschaffenheit wählt man per Drehschalter das passende Fahrprogramm. Dann regelt die Traktionssteuerung in fünf Stufen unter anderem Dämpfung, Gangwahl, Drehmomentverteilung, Gasannahme und die hintere Differenzialbremse. Die Luftfederung ermöglicht beim extremen Klettern eine Bodenfreiheit von 270 Millimetern und damit eine verbesserte Freigängigkeit an Böschung, Rampe und zwischen den Rädern.

Faszinierende Geländetechnik – und was taugt das Raumangebot? Da auch hinter einem großgewachsenen Fahrer Erwachsene würdig Platz finden, ist es hinter der Rückbank etwas enger. Der Kofferraum des Jeep fasst 782 bis 1554 Liter, ein BMW X5 kommt auf 650 bis 1870, ein VW Touareg schluckt 697 bis 1642 Liter. Ein Grand Cherokee Trailhawk ist mit 64.400 Euro zwar teurer als ein BMW X5 xDrive 30d (61.500 Euro / 258 PS) und ein VW Touareg 3.0 V6 TDI (58.100 Euro / 262 PS), bietet aber auch mehr Ausstattung. Wann die ersten Modelle ausgeliefert werden, wissen wir noch nicht. Jeep schreibt heute: „Voraussichtlich verfügbar ab Anfang 2017.”