Fahrbericht Mercedes E 220 d All-Terrain

Inhaltsverzeichnis

Schon im GLE Coupe wunderten wir uns über die Konstruktion dieses Antriebs: offene Achsdifferenziale, dazu ein offenes Mittendifferenzial hinter dem Automatikgetriebe. Jede Drehmomentverteilung passiert also über ESP-Eingriffe. Die finden jedoch so früh, so exakt statt, dass der Förster die E-Klasse ohne die sonst erforderliche Gaspedalgewalt feinmotorisch über die Felsen dirigieren kann. Wohl zu Unterhaltungszwecken wollte Sebastian den Antrieb scheitern sehen, wurde jedoch enttäuscht. Mit einem "Der Mercedes macht mir das zu gut" zog er wieder ab.

Trotz der nötigen ESP-Eingriffe blieben die Bremsen kühl, und der Wandler der Automatik steckte die Langsamfahrt problemlos weg, wo der Golf leicht aus seinen Kupplungen rauchte. Wenn der Förster damit nicht zum Ansitz kommt, liegt es an zu tiefen Spurrinnen oder für Straßenreifen hoffnungslosen Matschmengen. Der Mercedes gewinnt damit die Geländewertung. VW fährt zu sehr auf Material mit der ständig schleifenden Kupplung und Opels lange Überhänge verhindern einen Rüsselsheimer Sieg, den es aufgrund der genialen Hinterachse sonst gegeben hätte.

Unser ganz eigener Raumtest

Auf der Hochebene vor dem letzten Anstieg schlugen wir das Nachtlager auf. Keine Zelte. Die Luftmatratzen lagen in den umgelegten Laderäumen. Sebastian gefiel Daimlers schöne Ambiente-Beleuchtung. Der Förster in mir sagt: "Ambiente ist wurscht. Der Mercedes ist das einzige Auto der drei mit einer vernünftigen Laderaumbeleuchtung!" Von mehreren Seiten strahlen weiße LED-Einheiten alles aus. VW spendiert den Standard einer kleinen zentralen Leuchte. Opel hängt sie an die Seite, wo Gepäck sie verdeckt.

Enttäuschung dennoch: Die Sitze der riesigen E-Klasse fallen nicht vollkommen eben, wie sie auch im BMW 5er (Test) nicht ganz eben fallen, nicht im Golf, nicht im Insignia. Ist das wirklich nur mir wichtig? Mit 1820 Litern Laderaum umgeklappt rechtfertigt die E-Klasse ihre Größe für alle, die ihren Vorgänger nicht kannten. In den passten 1950 Liter (jeweils T-Modell). Dennoch bietet Mercedes eine Menge Lasteseligkeit: 2,1 Tonnen Zugfähigkeit, 100 kg Dachlast, Turboladung für die Höhenluft, ein Verbrauch von exakt 5 Litern pro 100 km beim gemächlich legal durch die Schweiz dieseln und einen optionalen 66-Liter-Tank (60 Euro Aufpreis). Schwach: Ein Reserverad bietet Mercedes nicht an, obwohl Wolfsburg selbst im Golf Platz dafür fand. Mit "TireFit" will ich nicht im Geröll verenden ...

Liebe die Langeweile

Auf der Rückfahrt tat ich es Sebastians Anfahrt gleich: lseran, drei St-Bernhards-Pässe, Mt. Cenis eh noch einmal. Ich habe mich nämlich ein bisschen verliebt in die schiere, piefige Langweiligkeit dieser Diesel-E-Klasse, die irgendwie alles kann. Das ist mir ein bisschen peinlich. Lasten wir es meinem fortschreitenden Alter an. Langweilig oder nicht: Die E-Klasse ist ein sehr gutes Auto. Die kleinen Änderungen zur Variante "All-Terrain" (hauptsächlich minimal mehr Bodenfreiheit) werden den meisten Förstern zu wenig weit gehen, trotz brauchbarem Allradantrieb. Vor allem aber muss man sich einen E-Klasse-Kombi überhaupt leisten können. Über 58.000 Euro Grundpreis! Dafür muss Vati lange ansitzen. Doch wenn der Volkswagen zu klein sein sollte und der Mercedes zu teuer, bleibt ihm mit dem Opel Insignia Country Tourer ein kleiner Geheimtipp. (cgl)