Fahrbericht Triumph Street Triple S / R / RS

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Triumph hat seine überaus beliebte Street Triple überarbeitet. In drei verschieden teuren Versionen bietet sie nun verschiedene Stärken und charakterliche Unterschiede. Behalten hat sie ihren namensgebenden Dreizylinder, doch der Hubraum wuchs von 675 auf 765 Kubikzentimeter. Unser Autor hat alle drei gefahren und berichtet über die Unterschiede. Übrigens: in unserem Klartext „klein oder kapitalistisch?” ist das gleiche Krad Ausgangspunkt für völlig andere Betrachtungen – unterschiedlicher können sich Geschichten kaum ergänzen.

Interessanterweise basiert der Motor weniger auf dem der Vorgängerin als vielmehr auf dem der Sportmaschine Daytona 675, die mit einem Bohrungs-Hub-Verhältnis von 76 mm mal 49,6 mm kurzhubiger als das Naked Bike Street Triple 675 (74 mm mal 52,3 mm) ausgelegt war. Im Motor wurden dabei 80 Teile geändert, darunter die Kolben, Kurbelwelle und Laufbuchsen. Das lässt schon erahnen, wohin die Reise geht und der Chefentwickler von Triumph, Stuart Wood, bestätigt, dass die neue Street Triple für die gesamte Bandbreite von Alltag bis hin zu gelegentlichem Rennstreckeneinsatz konstruiert wurde, zumal die Daytona 675 aus dem Programm fiel. Wie gut schon die alte Street Triple 675 auf dem Rundkurs funktioniert, beweist sie seit Jahren im Triumph Street Triple Cup und ihre Rundenzeiten bringen selbst so manches vollverkleidete Sportmotorrad in Erklärungsnöte.

Die Unterschiede offenbaren sich beim Fahren

Die von ihren Fans liebevoll „Streety“ genannte Triumph kommt nun 2017 gleich in dreifacher Ausfertigung: als S, als R und als RS. Das erscheint zunächst einmal überflüssig, zumal sich die drei Modelle auf den ersten Blick gleichen wie ein Ei dem anderen. Doch dahinter steckt ein durchaus am Kunden orientiertes Kalkül. Erst bei näherer Betrachtung entdeckt man die äußerlichen Unterschiede und die stecken – abgesehen von den Lackierungen ­– vor allem im Fahrwerk und in den Bremsen. Was man nicht sehen, sondern nur erfahren kann, sind die differierenden elektronischen Ausstattungen und die drei Leistungsstufen. Die Street Triple S bringt es auf eine Höchstleistung von 113 PS bei 11.250/min, die R auf 118 PS bei 12.000/min und die RS auf 123 PS bei 11.700/min – alle drei mit identischen Bohrung- Hub-Verhältnis von 78 mm mal 53,4 mm. Nur zum Vergleich: die alte Street Triple 675 brachte es auf maximal 106 PS bei 11.800/min.

Klar, dass die Mappings der Steuergeräte bei den drei unterschiedlich abgestimmten Dreizylindern eine entscheidende Rolle spielen. Alle neuen Streeties haben die Gänge eins und zwei kürzer übersetzt, was eine bessere Beschleunigung ermöglicht, außerdem verfügen sie jetzt über elektronische Drosselklappensteuerung für ein präziseres Ansprechen auf Gasbefehle und den Einsatz von verschiedenen Fahrmodi.

Ein bisschen Streetfighter

Das Design der neuen Street Triple wirkt moderner, noch radikaler und aggressiver. Und genauso fährt sie sich auch. Die Sitzposition auf der nun zweigeteilten Sitzbank fühlt sich minimal höher an, während der gut gekröpfte Lenker einen Tick tiefer platziert ist und etwas näher an den Fahrer heranrückt. Der Kniewinkel bleibt entspannt und auch das neu geformte Sitzpolster ist immer noch komfortabel. Die an das Design der gößeren Speed Triple angelehnten Scheinwerfer fielen im neuen Jahrgang etwas flacher und breiter aus, dasselbe gilt für den Flyscreen, der ab sofort serienmäßig ist. Ein bisschen Streetfighter steckt halt immer noch in der Street Triple. Auch die Kühlerverkleidung zeigt sich neu gestaltet, während der Tank von der Vorgängerin übernommen wurde.

Der Leichtmetall-Rahmen der Street Triple blieb weitestgehend unangetastet, nur am Schwingendrehpunkt wurde er überarbeitet, dafür ist die Schwinge im „Gullwing“-Stil komplett neu, ebenso der Heckrahmen und das Heck, die beide noch filigraner als bisher wirken. Jedes Detail wurde von der Entwicklungsabteilung auf den Prüfstand gestellt und tatsächlich schafften es die Ingenieure, der ohnehin leichten Street Triple noch zwei Kilogramm abzutrainieren, so dass sie nur schlanke 187 Kilogramm mit vollem 17-Liter-Tank wiegt. Auffällig ist der kurze Endschalldämpfer, der bei einer Auspuffanlage gemäß Euro4-Norm so nicht unbedingt zu erwarten ist. Viele andere Modelle tun sich da schwerer und stören die Ästhetik mit ins Gigantische wuchernden Endschalldämpfern. Die Triumph-Entwickler versteckten hingegen das voluminöse Vorkammersystem geschickt unter dem Motor und der gebogenen Schwinge.

Die S-Version als Preisbrecherin

Dennoch ist immer noch nicht geklärt, warum Triumph den Aufwand mit drei verschiedenen Street Triple-Versionen betreibt. Das Rätsel löst sich im direkten Fahrvergleich und beim Blick auf die Preisschilder. Die Street Triple S ist mit 8900 Euro das freundliche Low-Budget-Angebot, dabei bietet sie schon viel Dynamik mit 113 PS und 73 Nm Drehmoment. Vibrationen oder ruppige Gasannahme kennt der Dreizylinder nicht. Die Ausstattung der S ist absolut akzeptabel und wer ein sportives, günstiges Gerät sucht, das sich sowohl auf dem Weg zur Arbeit, als auch auf der Hausstrecke und sogar auf langer Tour als problemloser Begleiter entpuppt, sitzt auf der Streety S genau richtig. Fast so handlich wie eine Supermoto und dennoch bequem sorgt sie auch auf längeren Strecken für einen hohen Wohlfühlfaktor. Im Cockpit erwartet den Fahrer ein neues Instrument, auch wenn es dem der Vorgängerin recht ähnlich sieht. Rechts sitzt der analoge Drehzahlmesser, links ein schmales Display mit nun noch mehr abrufbaren Funktionen.

Der Sound ging nicht verloren

Die Upside-down-Gabel von Showa mit 110 mm Federweg und getrennt einstellbarer Zug- und Druckstufe funktioniert sehr gut, das gilt auch für die nur in der Vorspannung verstellbare Hinterradfederung, die es auf 124 mm Arbeitsweg bringt. Die S fährt sich ausgesprochen agil, zielgenau und bremst mit den schwimmend gelagerten Nissin-Doppelkolben-Bremszangen samt 310 Millimeter großen Brembo-Bremsscheiben gut und zuverlässig. Der Dreizylinder erfreut durch sanft, aber spontan ansprechende Gasbefehle und kann bei Bedarf rasant hochdrehen.

Ganz wichtig für die Fans der alten Street Triple: Der Sound ist nicht verloren gegangen. Wenn der Motor sich dem fünfstelligen Drehzahlbereich nähert, klingt er immer noch so heiser röhrend wie es nur ein Dreizylinder vermag. Durch das Ride-by-wire verfügt die Streety nun über zwei verschiedene Fahrmodi für Straße und Regen, bei der die Leistungsentfaltung und die Traktionskontrolle auf die jeweilige Situation abgestimmt reagieren. Die S steht serienmäßig auf Pirelli Diablo Rosso Corsa-Reifen, die sehr viel Grip und ein präzises Handling ermöglichen.

Aufwendigere R-Version

Eigentlich hätte Triumph es bei der Street Triple S belassen können und damit eine würdige und verbesserte Nachfolgerin ihres bisherigen Erfolgsmodell geliefert. Doch auch der alten Street Triple 675 wurde bereits eine R-Version zur Seite gestellt, die sich durch ein höherwertiges Fahrwerk auszeichnet. Das Konzept hielten die Briten bei der 765er bei. Am Vorderrad arbeitet nun eine Big-Piston-Gabel von Showa, deren variable Zug- und Druckstufe in je einem Holm separat untergebracht ist. Der Federweg wuchs auf 115 mm und an der Hinterhand findet sich ein voll einstellbares Federbein, ebenfalls von Showa.

Doch die Entwickler beließen es bei der neuen Street Triple R nicht einfach bei einer verbesserten Gabel und einem einstellbarem Federbein. Der Motor wurde auf mehr Drehmoment abgestimmt und liefert auch noch fünf PS mehr als die S-Version. Der Dreizylinder in der R produziert 77 Nm bei 9400/min – vier Nm mehr als die schwächere Variante. Die Spitzenleistung von 118 PS liegt erst bei 12.000/min an, aber in diese Drehzahlregion verirren sich die Fahrer im normalen Straßenverkehr ohnehin nur selten. Warum auch? Der 765-cm3-Motor bietet in der R schließlich elf Prozent mehr Power als die Vorgängerin hatte und lässt sich durchaus schaltfaul bewegen.

Farbiges Fünf-Zoll-TFT-Display

Bei der Ausstattung zeigt sich Triumph großzügig, die R verfügt über vier Fahrmodi: Straße, Regen, Sport und einen frei konfigurierbaren Modus. Die feinfühlig arbeitende Traktionskontrolle kann neben den drei gerade aufgezählten Modi auch noch auf „Rennstrecke“ gestellt oder ganz ausgeschaltet werden. Der Clou ist aber ein fünf Zoll großes, farbiges und gestochen scharfes TFT-Display. Es lässt sich in drei Bildschirmdarstellungen sogar während der Fahrt umschalten und die Anzeigen können mit hohem oder automatischem Kontrast widergegeben werden. Je nach Größe de Fahrers kann der Neigungswinkel des Instruments per Hand verändert werden. Im Bordcomputer lassen sich im Vergleich zur S noch weitere Informationen abrufen, unter anderem die Kühlmitteltemperatur, den durchschnittlichen und aktuellen Verbrauch, die Reichweite und Wartungsinformationen. Die Menüführung übernimmt bei der R ein kleiner Joystick am linken Lenker. Das Teil funktioniert hervorragend und man gewöhnt sich schnell an die intuitive Bedienung – da hat sich Triumph früher bei anderen Modellen wesentlich schwerer getan.

Einstellbares Fahrwerk in der Street Triple R

Wer den direkten Vergleich zur S-Version hat, wird der R während der Fahrt einen Hauch mehr Kraft attestieren können. Zumindest in Sachen Durchzug scheint sie etwas souveräner zu agieren. Wo die Vorteile der R deutlicher zutage treten, ist das einstellbare Federbein, das – korrekt justiert – auf verschiedene Beladungen und Einsatzgebiete sensibler anspricht. Der nächste Aha-Effekt tut sich bei den Bremsen auf. Vorne stoppen radiale M4.32-Monoblock-Bremszangen von Brembo die Street Triple R. Bei ambitionierter Fahrweise bieten sie mehr Feedback und bessere Verzögerung. Bei der R besteht außerdem die Möglichkeit, das ABS über den Fahrmodus „Fahrer“ in mehreren Stufen einzustellen oder sogar auszuschalten, was jedoch nur sehr erfahrenen Piloten geraten sei.

Die Sitzhöhe wuchs im Vergleich zur S geringfügig von 810 auf 825 mm, was eine leicht aktivere Fahrerhaltung ergibt. In Kombination mit einem etwas steileren Lenkkopfwinkel von 66,1 Grad (S: 65,2) und kürzerem Nachlauf von 100 mm (S: 104 mm) gibt sich die R radikaler im Handling und erleichtert Richtungswechsel. Eine Anti-Hopping-Kupplung unterdrückt erfolgreich ein Stempeln des Hinterrads beim schnellen Runterschalten, Zwischengas erübrigt sich dadurch.

Die R ist eine grandiose Landstraßen-Maschine, die unerschütterlich und rasend schnell Kurven aller Art durcheilt. Tatsächlich toppt sie die bereits schon sehr gute S-Version in Sachen Fahrdynamik, die zusätzliche Ausstattung lässt sich Triumph mit einem Aufpreis von 1300 Euro vergüten.

Das Topbike: Street Triple RS

So könnte die R die Krone der neuen Street Triple-Modellreihe bilden, ohne dass sich je ein Besitzer beschweren würde. Doch da harrt noch die RS auf eine Ausfahrt. Ihr Dreizylinder ist heißblütig, drehmomentstark und dreht atemberaubend schnell hoch. Begleitet von einem Dreizylinder-Sound, der für permanente Gänsehaut sorgt.

Die RS bietet 18 Prozent mehr Spitzenleistung als die alte Street Triple 675, doch das macht nicht alleine die Faszination aus. Triumph spendierte ihr die hochwertigste und natürlich voll einstellbare Big-Piston-Gabel von Showa, die extrem feinfühlig anspricht. Am Hinterrad glänzt ein STX-40-Federbein von Öhlins mit externem Ausgleichsbehälter. Das edle Stück ist in der Vorspannung, Zug- und Druckstufe exakt einstellbar. Egal ob holprige Landstraße oder glatt gebügelter Rennstreckenasphalt – das Fahrwerk der RS bietet eine Performance, die ihresgleichen sucht. Erst der direkte Vergleich zwischen der Street Triple R mit der RS bestätigt die alte Weisheit „Das Bessere ist des Guten Feind“: Das sollen nur 765 Kubikzentimeter und 123 PS sein? Was Triumph da gebaut hat ist schlicht ein Hammer. Vielleicht hat die RS ihr Dasein der Tatsache zu verdanken, dass das Sportbike Daytona 675 nicht mehr produziert wird.

Erstklassige Bremsen

Hatten wir eben noch der R-Version eine hervorragende Bremsanlage attestiert, verblasst sie schlagartig gegen die Brembo-M50-Monoblock-Bremszangen der Topversion. Sie bietet laut Triumph die beste Bremsleistung ihrer Klasse und verzögert so brachial, dass die Bremspunkte auf der Rennstrecke sehr weit in Richtung Kurve verlegt werden können. Als erstes Motorrad kann die Street Triple RS serienmäßig mit der radialen Bremspumpe und Bremshebel von Brembo aufwarten, die sich in Übersetzung und Handgröße einstellen lassen.

Um dem sportlichen Einsatzgebiet gerecht zu werden, bekommt die Top-Streety Pirelli Diablo Supercorsa SP-Reifen ab Werk aufgezogen. Über den Grip braucht sich der Pilot damit keine Sorgen zu machen, die italienischen Pneus kleben wie Pattex auf dem Asphalt und ermöglichen extreme Schräglagen. Allerdings kann es dabei schon mal zum Bodenkontakt der Fußrasten kommen. Im Interesse eines gemäßigten Kniewinkels sind die Rasten nicht so hoch angebracht wie bei reinen Sportmotorrädern. Als einzige erhielt die RS an den Lenkerenden befestigte Rückspiegel, sie sehen schick aus, bieten jedoch nicht mehr Sicht nach hinten als die konventionellen Rückspiegel der beiden anderen Modelle.

Beste Streety aller Zeiten

Im Bordcomputer der RS wurde ein zusätzlicher Fahrmodus hinterlegt: Rennstrecke. Ist er angewählt dreht der Drilling blitzschnell hoch, spricht sehr spontan auf Gasbefehle an und die Traktionskontrolle greift erst spät ein. Beim Hochschalten braucht der Fahrer gar nicht mehr zur Kupplung zu greifen, ein Quickshifter unterbricht für Sekundenbruchteile den Kraftschluss. Im TFT-Display der RS gibt es drei zusätzliche Bildschirmstile und lassen dem Fahrer die Wahl zwischen sechs unterschiedlichen Anzeigen, außerdem kann man per Laptimer seine Rundenzeiten stoppen und speichern. Die Höchstgeschwindigkeit der RS gibt Triumph mit 230 km/h an – auf einem Naked Bike nicht wirklich angenehm und es bedarf schon einer ausgeprägten Halsmuskulatur, um die Geschwindigkeit auszuhalten, ohne dass der Kopf pendelt wie ein Punchingball.

RS ist zweifellos die beste Street Triple aller Zeiten und kann dank ihres grandiosen Motors, des exzellenten Fahrwerks und mit nur 187 Kilogramm Kampfgewicht auch deutlich PS-stärkeren Motorrädern Paroli bieten. Die Street Triple RS kostet 11.600 Euro. Klingt erst einmal nach viel Geld, aber in Anbetracht ihrer exzellenten Performance und der erlesenen Ausstattung ist sie fast schon ein Sonderangebot.