Höherentwicklung

Förster-Kombis im Vergleich: VW Golf Variant Alltrack

Der „Försterkombi“: ein familientaugliches Straßenauto, das gelegentlich eine matschige Zufahrt zum Ansitz erledigen können soll. Wir vergleichen drei unterschiedliche Vertreter dieser Gattung. Im ersten Teil dreht sich alles um den VW Golf Variant Alltrack

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VW Golf Variant Alltrack 33 Bilder

(Bild: Sebastian Bauer)

Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Sebastian Bauer
Inhaltsverzeichnis

Dieser Vergleichstest besteht aus drei Teilen.

Teil 2: Mercedes E 220d All-Terrain (Test)

Teil 3: Opel Insignia Country Tourer (Test)

Der „Försterkombi“ hat sich als Bezeichnung für eine Fahrzeuggattung vermutlich noch nicht so weit durchgesetzt, dass jedem klar wäre, was wir meinen: ein familientaugliches Straßenauto, das gelegentlich eine matschige Zufahrt zum Ansitz über zerfurchte Feldwege erledigen können soll. Man darf Förster auch gerne durch Pferdebesitzer ersetzen. Oder Jäger. Oder irgendeine andere Tätigkeit, die es ab und zu bedingt, dass man in leichtem Gelände abseits asphaltierter Wege unterwegs ist.

Wir haben uns aus allen Försterkombis drei unterschiedlich große (und teure) herausgegriffen, die wir in drei Artikeln miteinander vergleichen: den Mercedes E 220 d All-Terrain, den Opel Insignia Country Tourer und den VW Golf Variant Alltrack. Mit ihnen fuhren wir auf den Col de Sommeiller, den höchsten Punkt, der in Europa legal mit einem Auto erreichbar ist, um Antworten auf die Frage zu finden: Wie viel Försterkombi braucht der Förster wirklich? Die meisten solchen Fahrzeuge kommen mit Frontantrieb und per Lamellenkupplung zuschaltbarem Hinterachsantrieb. Wir beginnen mit dem Golf. Letztendlich waren wir überrascht, wie viel schon dieser Kompaktkombi dem Förster bietet.

VW Golf als Vorreiter

Als Clemens und ich diese Försterkombi-Idee zusammenspannen, war die Sache mit dem Golf mehr ein beiläufiger Witz. „Weißt Du noch, früher? Da gab es doch mal diesen höhergelegten 2er Golf!“ Natürlich war die Rede vom Golf Country mit Syncro-Allradantrieb, der – wenn man es aus heutiger Sicht betrachtet – ein echter Vorreiter für die Gattung der höhergelegten Normalautos war. Doch trotz seiner Optik muss seinen Erschaffern schon im Jahr 1990 – lange vor der Wortschöpfung „SUV“ – klar gewesen sein, dass dieser Förstergolf wohl nie so bewegt werden würde, wie es seine Optik suggerierte. So bekam er Einzelradaufhängung und reguläre Straßenreifen. Was ihm nicht half: Er wurde ein Flop.

Für die Unterschiede zu den „zivilen“ Modellen muss man etwas genauer hinschauen: ein bisserl unlackierte Plastikbeplankung hier, ein lackierter Kunststoff-Unterschutz dort – natürlich gerade nur soweit wie das Auge reicht. Wobei immerhin der Motorraum ein wenig Plastik zum Schutz gegen Gefahren von unten spendiert bekommt. Ganz im Sinne seines Urahns kommt auch der Golf Alltrack mit Einzelradaufhängung und Straßenreifen daher. Er hat allerdings kein mechanisches, von Hand sperrbares Mittendifferenzial.

Im Kontrast

Dass der Golf in unserem Test-Trio aus E-Klasse All Terrain und Insignia Country Tourer dennoch am auffälligsten nach Schlechtwege-Variante ausschaut, liegt vermutlich am intensiven Tornadorot. Nicht etwa, weil Rot so etwas wie die Offroad-Farbe schlechthin ist. Sondern weil sie im Vergleich zu den schwarzen Kotflügelverkleidungen und den silberfarbenen Schwellern einen auffälligen Kontrast bildet.

Das bisschen Chichi hilft freilich wenig über Stock und Stein, folglich geht es mit der Golf-Karosserie auch nach oben. Tatsächlich sieht man dem Alltrack die im Vergleich größte Bodenfreiheit von 175 Millimetern an (E-Klasse mit Luftfederung 121-156 mm, Insignia 146 mm). Dank des kürzesten Radstands und der Böschungswinkel-freundlichen Überhänge wird diese Bodenfreiheit zudem sehr effektiv genutzt. Alltrack muss es dafür allerdings gar nicht mal sein. Denn die Höherlegung gibt es auch für den normalen Golf, sofern man das Schlechtwege-Fahrwerk wählt. Beim Alltrack wird das alles eben nur in ein paar Pakete gebündelt.

Hoch und kurz sind Trumpf

175 Millimeter sind absolut betrachtet natürlich nicht die Offroad-Welt und der Defender-Fahrer lacht sich ins Fäustchen, wenn man vor gröberen Auswaschungen auf unserer Vergleichspiste, am Col de Sommeiller, etwas langsamer machen muss. Spätestens aber, wenn der Fahrer der englischen Aludose in der nächsten Kehre kräftig am herumrudern und rangieren ist und der Golf lässig in einem Zug um die Kehre zirkelt, hat sich dieser Vorsprung wieder ausgeglichen. Was übrigens für E-Klasse und Insignia gleichermaßen gilt. Der Golf kommt als einziger ganz ohne Rangiererei um alle Kehren.

Die Kraftübertragung erfolgt dabei immer per Doppelkupplungsgetriebe an den Haldex-Allradantrieb, sowohl mit dem 180-PS-Benziner oder den beiden Zweiliter-Dieselvarianten in 150, beziehungsweise 184-PS-Ausführung. Der kräftige Diesel bietet bereits ab 1750/min 380 Nm Drehmoment. Die montierte Rad-Reifen-Kombination war allerdings ein ausschlaggebender Punkt, warum selbst diese niedrigen Drehzahlen nahezu nie erreicht wurden und stattdessen große Teile der Bergbesteigung bei Standgas oder gar mit schleifender Kupplung durchfahren wurden. Denn mit Gummis im 45er Querschnitt und ohne Felgenschutzleiste auf glanzgedrehten 18-Zoll-Alufelgen fährt man in berechtigter Sorge ums Material etwas gemütlicher den Berg hoch. Eine 360°-Kamera könnte zu einer felgenschonenden Übersicht beitragen, der Golf muss allerdings nur mit einer Kamera im Heck auskommen. Andererseits ist der Kompakte auch als höhergelegter Kombi noch immer so übersichtlich, dass man ihn auch ohne technische Hilfsmittel zielsicher durch das Geröllfeld navigiert.

Schottert souverän

Zur Unterstützung der Schotterkriecherei bietet der Golf über die beim Alltrack serienmäßige Fahrprofilauswahl auch einen Offroad-Modus an. Angepasst werden dabei zuerst einmal Gaspedalkennlinie und Schaltpunkte des DSG, um ein sanfteres Anfahren zu ermöglichen und insbesondere die Gänge 1 und 2 länger zu halten. Ist, wie in unserem Testwagen, die optionale adaptive Dämpferregelung verbaut, wird beispielsweise durch eine straffere Dämpfung ein Nachschwingen der Karosserie zu verhindern. Die Traktionskontrolle ist im Offroad-Programm deaktiviert und eine Bergabfahrhilfe sorgt ab einem Gefälle von 10 Prozent für eine sichere Abfahrt – innerhalb der Systemgrenzen natürlich. Bei unserer Sommeiller-Abfahrt hat dieser Assistent einen zuverlässigen und souveränen Job gemacht.

Haldex

Auch das Allradsystem gab keinen Anlass zur Kritik. Sicher, für Offroad-Evangelisten am Stammtisch ist „Haldex“ immer das Stichwort für „Ach, das ist doch nix“-Tiraden. Hardcore-Offroadisten kritisieren, dass nur mechanische Sperren der Weisheit letzter Schuss seien und die Raser bemängeln aus fahrdynamischer Sicht beispielsweise, dass die Momentverteilung von 50 Prozent an die Hinterachse, die sich bei geschlossener Lamellenkupplung ergibt, einfach nicht ausreichend sei, um ein hoffnungslos untersteuerndes Auto zum Chefdynamiker zu befördern. Wenn dagegen in den Pressemappen irgendwelcher sportlichen Kompakten von „fast 100 Prozent an der Hinterachse“ phantastiert wird, dann trifft das höchstens für solche Situationen zu, in denen es arge Reibwert- und in der Folge Drehzahlunterschiede zwischen Vorder- und Hinterachse gibt. Also etwa dann, wenn die Vorderachse auf Eis steht, während die Hinterachse auf Asphalt maximalen Grip hat.

Hier im Gelände funktioniert die Haldex-Kupplung gar nicht so schlecht, trotz fehlender Quersperren, anstelle derer sich – wie üblich – die Bremsen kräftig warmrubbeln dürfen. Selbst mit ein oder zwei Rädern in der Luft, bahnt sich der Golf noch seinen Weg, auch wenn es dann schon mal einen kräftigeren Stoß auf das Gas braucht, um den notwendigen Drehzahlunterschied zwischen den Achsen zu erzeugen.

Kupplungsduft

Dass von Zeit zu Zeit unangenehmer Kupplungsgestank die frische Bergluft durchdringt, wollen wir nicht unerwähnt lassen. Ob die Lamellenkupplung oder die Nasskupplung des DSG – so genau weiß man es nicht. Wir haben die Kupplungen im DSG in Verdacht, da sich das Getriebe nach der insgesamt gut sechsstündigen Kriechtortur eine gewisse Ruppigkeit erst wieder über einige Adaptionszyklen abtrainieren musste.

Zum Testwagenpreis von knapp 51.000 Euro – ja, wir sind wirklich in der Kompaktklasse unterwegs – gibt es natürlich allerlei Annehmlichkeiten, die das Hochkraxeln am Berg zwar nicht einfacher und besser, aber durchaus angenehmer machen: Das Dynaudio-Soundsystem ist sein Geld für Musikfans definitiv wert. Das Display als Kombiinstrument zeigt viele wichtige Informationen gut aufgelöst im Blickfeld an – bedarfsweise auch eine Kartenansicht. An Assistenz ist zu dem Preis natürlich auch alles enthalten, was derzeit auf dieser Plattform zu haben ist. Vom aktiven Spurhalteassistent, Tempomat mit Distanzregelung (der nicht rechts überholt) über Verkehrszeichenerkennung bis hin zum Anhängerrangier-Assistenten bleiben kaum Wünsche offen.

Clemens und ich sinnierten nach dem ersten Tag noch darüber, wie erstaunlich viel Technik die Kompaktklasse inzwischen beherbergt. Etwas blauäugig war es allerdings von uns, dabei nicht über das Geld zu reden, denn natürlich lässt sich Volkswagen all das üppig bezahlen. Im nicht vollausgestatteten Testwagen steckten knapp 13.000 Euro an Sonderausstattung. Extrem teuer sind die adaptiven LED-Scheinwerfer, die auf Matrix-LED-Technologie verzichten müssen und stattdessen mechanisch zur Blendvermeidung durch die Gegend schwenken.

Camping

Auch für diesen Teil des Reisens ist der Golf als Variant bestens gerüstet. Gegen Aufpreis (126 €) gibt es im Heckabteil eine 230 Volt Steckdose mit Nachlauffunktion, sodass die Kühltruhe, angeschlossene Akkus für die Drohne und ähnliches nicht sofort stromlos sind, nur weil mal kurz die Zündung ausgeschaltet wird. Vor allem aber lässt sich im üppigen Gepäckabteil (605 bis 1620 l Kofferraumvolumen) auch bis 1,85 m Körperlänge nächtigen.

Nun führt der Weg in die Alpen ja nicht nur über Schotterpisten, sondern – ganz im Gegenteil – überwiegend über asphaltierte Straßen. Eine Anreise zum Sommeiller lässt sich so gestalten, dass dort der große Sankt Bernhard, der kleine Sankt Bernhard, der Col des Planches, der Colle San Carlo, der Col de Mont Cenis und schließlich auch der der Col de l'Iseran – mit 2764 Metern der höchste, überfahrbare Gebirgspass der Alpen – auf dem Weg liegen.

Erstaunlich agil

Auf diesem Weg sind Geländeeigenschaften eher hinderlich, denn reichlich Bodenfreiheit und hohe Reifenquerschnitte stehen eher im Widerspruch zur dynamischen Fahr-Erwartung. Beim Querschnitt gibt es immerhin Entwarnung. Doch auch das Fahrwerk kann zumindest mit der adaptiven Dämpferregelung überzeugen. Der Golf ist erstaunlich agil und präzise, scheucht man ihn über die Berge hoch und runter. Selbst die Bremsen sind standfester als zuvor unterstellt.

Im Dynamikmodus lassen die Dämpfer nur wenig Rollbewegung zu. Der Golf macht bei dieser Kurvenhatz ernsthaft Spaß. Natürlich hat der 184 PS Dieselmotor in allen Lebenslagen ausreichend Kraft, um flott aus den Serpentinen zu beschleunigen, während die Lamellenkupplung schon proaktiv schließt und so beim Beschleunigen volle Traktion vorhanden ist. Nur das DSG stellt sich bei härteren Bremsmanövern bisweilen etwas stur an, wenn es darum geht, dem Wunsch nach einem niedrigeren Gang nachzukommen.

Richtig zum „Alltrack“ wird der Golf, wenn man mit keinem der bisher beschriebenen Einsatzfelder etwas am Hut hat und wenn man mit ihm einfach nur fahren möchte. Im Komfortmodus dämpft der Golf sanft schwingend über alle Unebenheiten hinweg und lässt die Kurvenballerei und das Schotterpistengeschüttele ganz schnell wieder vergessen.

Ein Golf bleibt ein Golf

Eine beliebte Phrase bei Motorschreibern ist der Satz „Es ist halt ein Golf.“, der durchaus als Kompliment gemeint ist. Der Golf Variant Alltrack bietet in der Kompaktklasse viel. Wer extrem viel will, muss aber auch extrem viel bezahlen, was gerade der Vergleich zum Insignia Country Tourer deutlich macht, die in unseren Testwagenkonfigurationen keine 7000 € mehr voneinander trennt. Eine so große Spannweite und ein so weit in höhere Klassen reichendes Fahrgefühl gibt es dafür aber auch. Für Förster und Jäger spricht vor allem der Nutzfaktor durch kompakte Ausmaße, den voluminösen Kofferraum und für die Verhältnisse gute Geländegängigkeit.

Die Idee dieses Vergleichstests war es ja, dass wir das Konzept „Försterkombi“ durch verschiedene Klassen hinweg aufgreifen möchten. Der Golf Variant Alltrack sollte dabei vom unteren Ende der Skala den Einstieg machen. Da konnte ja niemand ahnen, dass der Kompakte die Messlatte für E-Klasse und Insignia schon gleich so hochlegen wird.