Staatliche Förderung in Norwegen

Im Paradies der Elektroautos

Stellen Sie sich einmal vor, der günstigste VW Golf mit Verbrennungsmotor würde ein wenig mehr kosten als ein Golf mit Elektromotor. Verkehrte Welt? Nein, das ist die Realität: Willkommen in Norwegen, dem Paradies der Elektroautos!

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Elektroautos, alternative Antriebe 9 Bilder
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Von
  • Christoph M. Schwarzer
Inhaltsverzeichnis

Hamburg / Oslo, 29. April 2015 – Stellen Sie sich vor, der günstigste VW Golf mit Verbrennungsmotor würde ein wenig mehr kosten als ein e-Golf. Und wenn man das deutlich bessere Ausstattungsniveau des Stromers berücksichtigte, wäre der Benziner sogar mehrere Tausend Euro teurer. Verkehrte Welt? Nein, das ist die Realität: Willkommen in Norwegen, dem Paradies der Elektroautos!

Hier wurde am 20. April 2015 das 50.000ste Elektroauto zugelassen; es war ein Tesla Model S mit dem Nummernschild „EL60000“. Eigentlich war die staatliche Förderung auf diese Zahl begrenzt. Alternativ sollte das Programm spätestens 2017 auslaufen, je nachdem, was zuerst da wäre. Das Institute of Transport Economics in Oslo klärte uns auf Nachfrage auf: Wer heute kauft, kommt weiterhin in den vollen Genuss massiver Steuernachlässe. Es bleibt alles wie gehabt; erst im Mai tritt der Haushaltsausschuss des Parlaments zusammen um zu prüfen, wie es weitergeht. Wahrscheinlich ist, dass erst in zwei Jahren eine Änderung im Sinn einer schrittweisen Einschränkung erfolgt.

Um zu verstehen, was die Norweger eigentlich machen, hilft zuerst ein Blick auf die Nation an sich: Das skandinavische Land hat gut fünf Millionen Einwohner, ist aber von der Fläche her mit rund 385.000 Quadratkilometern größer als Deutschland (357.000 km2). Norwegen ist kein Mitglied in der Europäischen Union und ist dennoch dem Schengener Abkommen beigetreten. Währung ist die Krone, für die man zurzeit rund 12 Euro-Cent bekommt. Der Strom wird komplett durch Wasserkraft gewonnen. Zusätzlich fördert und exportiert das Land Erdöl und Erdgas. Auf der Autobahn gilt ein Tempolimit von 100 km/h, und auf anderen Überlandstraßen darf maximal 90 km/h gefahren werden. Die Rahmenbedingungen sind also anders als in Deutschland.

Geld und Privilegien

Entscheidend für den Verkaufserfolg ist das Geld. Zu den Steuerbegünstigungen beim Neukauf, die im Folgenden noch erklärt werden, kommen etliche kostenfreie Ladestationen, Mautbefreiungen auf diversen Brücken, Tunneln und Straßen, das Privileg zur Benutzung der Busspuren und mehr. Der größte Batzen aber ergibt sich aus der Befreiung von der Mehrwertsteuer in Höhe von 25 Prozent sowie dem Wegfall der Registrierungssteuer beim Erwerb. Letztere ist ein Lenkungsinstrument, wie es in Deutschland derzeit fast unvorstellbar ist.

Die Registrierungssteuer addiert sich normalerweise aus vier Einzelpunkten: Einer Steuer auf den CO2-Ausstoß, einer auf das Gewicht, einer auf die Motorleistung und einer auf die Stickoxidemissionen (siehe Figure 7.5 auf S. 57 des Dokuments / S. 79 in diesem PDF). Die Summen, die hier zustande kommen, sind immens. So wird auf jedes Kilogramm Ballast eine einmalige Abgabe von 85,25 Kronen (Tageskurs 10,14 Euro) fällig. Das gilt allerdings nur bis zum 1400sten Kilogramm; darüber verlangt der norwegische Staat 170,52 Kronen (20,28 Euro) und ab dem 1500sten Kilogramm sogar 198,31 Kronen (23,58 Euro). Ähnliche Staffelungen sind für die Motorleistung – ab 140 kW (190 PS) wird es mit 1756,12 Kronen (208,82 Euro) pro kW richtig teuer –, wie für die CO2-Emissionen gültig. Allein der Diesel kommt mit lediglich 47,11 Kronen (5,60 Euro) pro kilometrischem Milligramm Stickoxid weitgehend ungeschoren davon.

Zusätzlich gewährt Norwegen ähnlich wie in Frankreich („Bonus-Malus-System“) einen Nachlass auf die Registrierungssteuer von 896,41 Kronen (106,59 Euro) für jedes Gramm CO2 pro Kilometer, das unter dem Wert von 105 liegt. Wer einen Schwellenwert von 50 Gramm CO2 pro Kilometer unterbietet (hier kommen die Plug-In-Hybride ins Spiel), spart sogar 1054,66 Kronen (125,41) pro Gramm. Theoretisch kann die Steuer also negativ werden. Der Fiskus hat darum einen Mindestsatz festgelegt.

Car-Configuratoren geben Auskunft

Zu viel Rechnerei, zu viele Zahlen? Genau. Einfacher ist es, sich die Auto-Configuratoren der Hersteller vorzunehmen. Die dort angegebenen Summen sind im Regelfall die Endkundenpreise, in denen die Mehrwertsteuer enthalten ist – sowie die Registrierungssteuer bzw. deren Wegfall bei Batterie-elektrischen Autos. Ein Vergleich wird so sehr simpel.

Zurück also zum VW e-Golf. Der kostet in Norwegen ab 255.100 Kronen, was 30.378 Euro entspricht. Im Preis inbegriffen ist anders als in Deutschland der unbedingt empfehlenswerte Tempomat mit automatischer Abstandsregulierung „Adaptive Cruise Control“. Der preisgünstigste in Norwegen angebotene TSI hat in der mit dem e-Golf vergleichbaren Ausstattung „Comfortline“ grundsätzlich vier Türen sowie mindestens 81 kW (110 PS) und ist ab 287.500 Kronen zu haben (siehe Configurator http://www.volkswagen.no/no.html, „bil“ heißt übersetzt Auto).

Addiert man noch den Aufpreis für den intelligenten Geschwindigkeitsregler, steht das Preisschild bei 290.000 Kronen oder 34.534 Euro. Die Differenz wächst weiter an, wenn man berücksichtigt, dass der e-Golf quasi ein automatisches Getriebe hat. DSG für den TSI kostet Geld, und die Liste lässt sich fortsetzen. So ist es wenig verwunderlich, dass der Volkswagen Golf, der lange und oft das beliebteste Auto in Norwegen war, im Januar und Februar 2015 wieder auf Platz 1 stand, und zwar sowohl bei den Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor als auch bei denen mit Elektroantrieb.

Im März aber kam das Tesla Model S zurück aufs Podest. Möglicherweise waren die Zulassungszahlen nur darum vorübergehend eingebrochen, weil die Kunden auf den nun serienmäßigen Allradantrieb mit dem Zusatz „D“ für Dual Drive gewartet hatten, dessen Auslieferung jetzt beginnt. Wir haben uns spaßeshalber die Basisvariante P70D (334 PS) mit allen verfügbaren Extras konfiguriert und kamen auf 692.700 Kronen oder 82.475 Euro. Zum Vergleich: ein 320 PS starker Audi A7 3.0 TDI quattro beginnt bei 1.046.500 Kronen oder 124.599 Euro – ohne, dass auch nur eine einzige Option auf der langen Liste ausgewählt wurde.

Einschränkungen in Zukunft denkbar

Die aktuelle Förderpolitik ist auch in Norwegen keineswegs unumstritten. Selbst eindeutige Befürworter der Elektromobilität halten die Steuernachlässe für zu hoch – vor allem, wenn es um das Tesla Model S geht. Zum skandinavischen Gerechtigkeitsempfinden gehört seit jeher, dass Luxus deftig besteuert wird. Sollte der norwegische Staat die Förderung für den Zeitraum nach 2017 beschneiden, wäre eine Belastung der finanziell stärkeren Schultern trotzdem relativ einfach durchführbar: Die Ausnahmen bei der Registrierungssteuer könnten zum Beispiel für CO2- und NOx-Emissionen weiterhin in Kraft bleiben, für die Motorleistung und das Gewicht aber aufgehoben werden.

Fazit

Norwegen ist ein wunderbares Labor um zu sehen, unter welchen Voraussetzungen sich Batterie-elektrische Autos durchsetzen. Nein, das Modell ist nicht eins zu eins auf Deutschland übertragbar. Wir sollten trotzdem genau hinschauen, was dort passiert – und lernen, wie wir kreative Lösungen für die Anforderungen zwischen Flensburg und Füssen finden. Das Papier zur detaillierten Aufschlüsselung der norwegischen Registrierungssteuer kann beim Autor abgefragt werden (bitte nennen Sie Ihren Klarnamen).