Alternativbewegung

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München, 17. Mai 2016 – Es scheint noch gar nicht so lange her, da schien der Dieselmotor unverzichtbar im Streben um möglichst niedrige Verbrauchswerte. Inzwischen tobt Diskussion darüber, wie lange er noch tragbar sein könnte, und sie wird kontrovers geführt. Da sich Prozesse in der Industrie nicht von heute auf morgen umstellen lassen, wird uns der Selbstzünder wohl noch geraume Zeit erhalten bleiben. Es sei denn, die Verbraucher wenden sich scharenweise von diesem Antrieb ab. Zumindest in den ersten Monaten dieses Jahres blieb der Dieselanteil bei den Zulassungen jedoch recht stabil.

Gerade für Langstrecken bleibt der Dieselmotor vermutlich noch einige Zeit im Rennen. Typische Dienstwagen wie Ford Mondeo oder VW Passat werden hauptsächlich mit Selbstzünder verkauft. Eine interessante Alternative dazu ist der Peugeot 508. Ihn gibt es seit etwas mehr als einem Jahr mit einem 120-PS-Diesel, der mit AdBlue-Zusatz die Abgasnorm Euro 6 erfüllt.

Tank vs. Service

Peugeot verbaut dafür einen 17 Liter großen AdBlue-Tank, der laut Bedienungsanleitung für ungefähr 20.000 Kilometer ausreichen soll. Warum Peugeot den Tank nicht 4,25 Liter größer gemacht hat, wird wohl ein Geheimnis der Franzosen bleiben. Denn dann hätte die Reichweite dem entsprochen, was Peugeot als Serviceintervall nennt. Zumal der Zugang zum AdBlue-Tank im Kofferraum versteckt ist und die Anleitung ausdrücklich davor warnt, den Zusatz an den Lkw-Zapfsäulen nachzufüllen. Renault liefert beim Espace dafür eine Erklärung, die wir uns auch im Fall des 508 halbwegs logisch erscheint: Die Fließgeschwindigkeit ist so hoch, dass der Hersteller einen Überlauf befürchtet. Peugeot schreibt es so allerdings nicht explizit.

Peugeot verspricht im NEFZ einen Verbrauch von 4,2 Litern. Wir kamen alles in allem auf einen Wert von 6,3 Litern. Minimal waren es 4,7 Liter. Der Versuch, in der eingangs erwähnten Dienstwagen-Meute mit meist ab 150-Diesel-PS, unbedingt mithetzen zu wollen, wird mit Werten von über 9 Litern bestraft. Fairerweise sei allerdings erwähnt, dass dieser Versuch nicht nur logischerweise zum Scheitern verurteilt ist, sondern auch nicht dem Naturell des 508 entspricht. Die Kombination aus dem aktuell kleinsten Diesel und der Sechsgang-Wandlerautomatik von Aisin ist keine für Menschen, die ständig als erste an der nächsten Ampel auf den Rest warten wollen.

Wer sich damit abfinden kann, wird schnell feststellen, dass ein 120-PS-Diesel mit 300 Nm auch in einem Kombi dieser Gewichtsklasse im Grunde vollkommen genügt. Dass er sich auf der Autobahn behutsamer an höhere Geschwindigkeiten herantastet als die Versionen mit mehr Leistung, hat zumindest bei uns in der Redaktion keiner bemängelt. Allerdings hätte sich der ein oder andere eine noch bessere Dämmung gewünscht. Der 508 ist zwar nicht laut, weniger ist hier aber stets willkommen.

Nicht ganz so geglückt wirkt allerdings das Zusammenspiel von Motor und Getriebe. Die Treffsicherheit beispielsweise einer Wandlerautomatik von Mercedes hat diese Kombination nicht. Manchmal bleibt die Drehzahl lange hoch, obwohl eine geringere längst reichen würde. Auch der Wechsel der Gänge ist mitunter zu spüren. Insgesamt ist das kein Drama, aber zu den Besten fehlt einfach ein kleines Stück Perfektion.

Abseits der Perfektion

Das ist auch in anderen Bereichen zu spüren. Das Head-up-Display besteht aus einer gebogenen Scheibe, die beim Start ausfährt. Leider ist der Winkel, in dem man etwas erkennen kann, sehr klein. Schon eine geringe Veränderung der Sitzposition kann dazu führen, dass das Display neu ausgerichtet werden muss. Das geschieht über Tasten, die hinter einer Klappe links im Armaturenbrett versteckt sind. Ist die Klappe offen, kann man einen Teil des Kabelbaums bewundern. Ein kleine Nachlässigkeit, die vor allem deshalb auffällt, weil dieser Peugeot ansonsten sorgsam zusammengesetzt wirkt – mit kleinen Ausnahmen, die meistens akustisch auffallen. Zum einen knirschte im Testwagen der Griff an Seitenverkleidung der Fahrertür. Aus dem Heck gab es ein leises Klappern. Ich hatte erst die Abdeckung des Kofferraums im Verdacht, doch ein Ausbau bewies, dass die Ursache eine andere sein muss.

Und schließlich flitzen die Zieger von Tacho und Drehzahlmesser beim Einschalten der Zündung etwas wichtigtuerisch einmal über ihre Skala. Das Geräusch dabei klingt ehrlich gesagt nicht so gut, dass ich es bei jedem Start hören müsste. Dabei ist das Kombiinstrument selbst gut ausgestattet, denn Peugeot spendiert Temperaturanzeigen für Wasser und Öl – ungewöhnlich, aber gut. So lässt sich beobachten, dass die 3,25 Liter Öl rasch warm sind. Nicht so toll: Der Zeiger vom Tacho verdeckt die Zahlen. So muss anhand der umliegenden Ziffern erst „übersetzt“ werden, wie schnell man ist. Nur eine Kleinigkeit, gewiss, aber es sind eben solche Nachlässigkeiten, die im Alltag nerven.

Wenige Ablagen

Ablagen sind wie in vielen modernen Autos Mangelware. Peugeot hat dazu noch das Fach unter der noch höhenverstellbaren Mittelarmlehne verkleinert – was auch immer dort in den Seitenwänden untergebracht ist, es nimmt viel Platz weg. Der Aschenbecher vor dem Wählhebel soll in seiner Form und Zugänglichkeit wohl zum Nichtrauchen erziehen. Die Sitze sind etwas weicher als in manchen Konkurrenten, ein Kollege meinte gar, sie erinnern ihn in ihrer Nachgiebigkeit an die Sessel aus dem 205. Im 508 lässt sich die Sitzfläche verlängern. Die Kopfstützen sind ähnlich aufgebaut wie im Renault Espace, allerdings ist die Neigungsverstellung hier stabiler. Was soll allerdings eine elektrische Verstellung, bei der es keine Möglichkeit gibt, die Sitzposition abzuspeichern?

Richtig ärgerlich ist allerdings, dass Peugeot die Isofix-Bügel für Kindersitze zwischen die Polster versteckt hat. So beginnt bei jeder Installation eine Suche danach. Dabei ist der Peugeot mit seiner Größe durchaus als Familienauto geeignet. Der Kofferraum fasst 560 Liter, das Platzangebot entspricht ungefähr dem, was in dieser Klasse üblich ist. Die Kombi-Versionen von Opel Insignia und Ford Mondeo sind länger, ihr Kofferraum aber kleiner. Zur Wahrheit gehört aber freilich, dass der Skoda Superb aus ganz ähnlichen Abmessungen bedeutend mehr Platz für Passagiere und Gepäck schafft als Peugeot beim 508.

Glasdach ohne Öffnung

Das Glasdach kostet in den beiden günstigen Ausstattungen 600 Euro. Nach mehr als einer Woche ist mein Eindruck noch immer zwiespältig. Einerseits ist die Glasfläche recht groß und beginnt nicht erst über dem Fahrer, wie es inzwischen bei vielen Autos mit Glasdach der Fall ist. Der Innenraum wirkt so auch bei Regen hell und freundlich – ich mag das. Das ausgefahrene Rollo dimmt das Licht nicht nur ein wenig, sondern lässt die Sonne komplett draußen. Doch das es sich nicht öffnen lässt, nimmt der Angelegenheit reichlich Charme – hungern vor dem Feinkostladen, wenn man so will. Zumal die Klimaanlage schon bei den Frühlingstemperaturen reichlich zu tun hatte – wer im Sommer das Rollo beim Parken nicht zumacht, muss mit extremen Temperaturen rechnen.

Aus frühester Jugend kenne ich einen Peugeot 505 recht gut – ein Kombi mit langen Federwegen und einen komfortablen Ausrichtung. Die französischen Hersteller hatten da mal einen guten Ruf. Doch das weiche Ansprechen der Federung französischer Autos ist Geschichte. Inzwischen liegen die Prioritäten bei der Abstimmung scheinbar darauf, auf absolut ebenen Straßen im Slalom zu brillieren. Der 508 entspricht diesem Zeitgeist, ohne zu den Härtesten zu gehören. Er ist straff gefedert, lässt seine Insassen nie im Unklaren darüber, wie die Straße beschaffen ist. Versprochen wird mit einer solchen Abstimmung häufig ein Gewinn an Handlichkeit. Zweifelsohne könnte der 508 seinen Vorfahren davon fahren, doch ein Sportler wird aus ihm nicht. Dazu trägt auch eine Lenkung mit sparsamer Rückmeldung bei. Antriebseinflüsse waren im Testwagen kaum zu spüren.

Nicht ganz auf dem Stand einiger Konkurrenten ist die Infotainmentabteilung. Die Kollegen von TechStage haben sich intensiv mit dem System auseinandergesetzt, daher an dieser Stelle nur eine paar kurze Eindrücke. Das Navigationssystem nimmt Postleitzahlen an, kann sie aber nicht auswerten. Warum das System das dann als Option überhaupt anbietet, ist mir nicht ganz klar. Nach der Zieleingabe gibt es einen Warnhinweis, der bestätigt werden muss. Wer darauf verzichtet, landet noch einmal in der Adresseingabe. Dazu kommen ein mittelmäßiges Soundsystem von JBL und ein resistiver Touchscreen. Kollege Daniel Schräder fand ihn reaktionsfreudig, ich eher nicht, um es höflich zu formulieren. Die Auftrennung der Bedienung am Bildschirm und in Tasten am Lenkrad und auf der Mittelkonsole wirkt nicht gerade wie aus einem Guss. Kleiner Trost: In der mittleren Ausstattungslinie Allure kostet das System keinen Cent Aufpreis. An dieser Stelle langen andere Hersteller noch richtig zu.

Zu verschenken hat Peugeot freilich nichts: Der 508 Kombi mit dem von uns gefahrenem 120-PS-Diesel kostet mindestens 30.750 Euro, mit der Automatik sind es noch einmal 2000 Euro mehr. Bei den schon erwähnten Konkurrenten von Ford und Opel ist der Einstieg billiger, allerdings auch frugaler ausgestattet. Peugeot geht einen anderen Weg und stattet schon die Basisversion so umfangreich aus, dass die teureren Linien verzichtbar erscheinen. Peugeot hat das 508-Angebot inzwischen etwas ausgedünnt: Wer den kleinen Diesel mit Schaltgetriebe haben will, kann das nicht mit der mittleren Ausstattung kombinieren. Den 150-PS-Diesel gibt es nicht mit Automatik, den 181-PS-Diesel nicht ohne. Das führt dann dazu, dass die Version mit 150 PS nur 50 Euro mehr kostet als der kleine Selbstzünder mit Automatik. Der Schritt zu 180 PS kostet dann 2800 Euro, wobei die dann serienmäßige Automatik berücksichtigt werden muss.

Eine Überführung übernahm der Hersteller, alle weiteren Kosten die Redaktion.