Ein Anachronismus?

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In einer Zeit, in der bei Cruisern die Hubraumgrenzen immer weiter über 1000 cm3 verlagert werden, kommt Kawasakis Vulkan S wie ein Anachronismus daher. Angetrieben wird das neueste Modell von einem eher biederen Parallel-Twin mit 650 cm3 Hubraum aus dem Einstiegs-Motorrad ER-6.

Etwas reduziert

Der flüssigkeitsgekühlte DOHC-Vierventiler hat aber bereits in der Reiseenduro Versys bewiesen, wie anpassungsfähig er ist. Dort überzeugt er mit einer weichen Laufkultur und einer Leistung von 69 PS. In der neuen Vulcan S besitzt er die typischen Charakteristika eines Cruisers, wie zum Beispiel eine gleichmäßige, aber nicht zu heftige Beschleunigung aus dem unteren und mittleren Drehzahlbereich. Dafür hat man die Kurbelwelle mit einer größeren Schwungmasse ausgestattet, was ein Abwürgen unwahrscheinlicher macht und das Anfahren erleichtert. Gerade Anfängern und Wiedereinsteigern kommt dieses Verhalten der Vulcan S entgegen.

Wer den Cruiser die Sporen gibt, wird kaum enttäuscht. Trotz der auf 61 PS reduzierten Motorleistung und einem maximalen Drehmoment von 64 Nm bei 6600/min zeigt sich die Vulkan S durchaus agil mit einer spontanen Gasannahme, die Überholmanöver auf der Landstraße zu einem Kinderspiel werden lassen. Dafür sollte man allerdings die Drehzahl hoch halten, ab circa 5000/min werden erst die Eruptionen des „Mini-Vulkans“ heftiger.

Variabel

Im Alltag lädt die Maschine eher zu einer gemäßigten Fahrweise ein. Dazu passt auch die entspannte Sitzposition. Eine Besonderheit ist, dass sich die Sitzposition der Größe des Fahrers bzw. dem Fahrstil anpassen lässt. Dazu werden die weiter nach vorne verlagerten Fußrasten entweder um 2,5 cm nach vorn oder nach hinten verlegt. Lediglich zwei Schrauben der gummigelagerten Schalt- und Bremseinheit müssen dafür versetzt werden. Wählt der Fahrer zudem die sogenannte extended Sitzbank, die zum Soziushöcker hin mehr Fläche bietet sowie den ebenfalls als Zubehör erhältlichen Lenker, der die Griffe bis zu 44 mm näher an den Fahrer bringt, verändert sich die Ergonomie spürbar.

Die Standard-Variante erlaubt eine fahraktivere Sitzposition, die nach vorne verlagerte, choppermäßige Betonung fördert ein mehr beschwingtes Fahren vor allem in langgezogenen Kurvenpassagen. Außerdem sorgt sie für einen angenehmen Kniewinkel bei größeren Personen trotz der niedrigen Sitzhöhe von gerade einmal 705 mm.

Wendig

Für ein Motorrad mit einem Radstand über 1,5 Meter zeigt die Vulcan S ein sehr wendiges Fahrverhalten und erweist sich selbst in schnellen Wechselkurven als ausgesprochen handlich. Lenkbefehle übersetzt sie unverzüglich, ohne dass der Fahrer groß mithelfen muss. Die Federelemente sind dem Einsatzzweck entsprechend komfortabel abgestimmt, die Bremsanlage von Nissin mit aktuellem Bosch-ABS präsentiert sich der Zielgruppe Fahranfänger entsprechend defensiv, aber effektiv. Ambitionierte Fahrer werden sich möglicherweise einen knackigeren Biss in die Scheiben wünschen.

Ein schlanker Rohrrahmen aus hochfestem Stahl verleiht dem Motorrad ein leichtes Aussehen, obwohl es ordentliche 225 kg auf die Waage bringt. Die Konstruktion des Rahmens, der hinteren Federung und der Schwinge bilden eine Linie vom vorderen Teil des Motorrads bis zur hinteren Radnabe und gibt so den Blick auf einen ausgewachsen Cruiser frei, der sich hinter hubraumstärkeren Bikes nicht verstecken muss. Die Lackierung am Zylinderkopf, die auf die luftgekühlten Rippen abgestimmt wurde, soll zudem das Motorrad kraftvoller aussehen lassen. Das gilt auch für die doppelwandige Konstruktion der Auspuffrohre, wodurch die Krümmerrohre dicker erscheinen. Gleichzeitig trägt die Anordnung des Schalldämpfers unter dem Motor zum schlanken Design der Vulcan S bei.

Die übereinander angeordnete Instrumenteneinheit aus analogem Drehzahlmesser und Digital-Display ist gut ablesbar. Zu den Funktionen gehören Tankinhalt, digitaler Tacho, Uhr, Kilometerzähler, zwei Tageskilometerzähler, verbleibende Reichweite, durchschnittlicher bzw. momentaner Verbrauch sowie eine Anzeige für eine wirtschaftliche Fahrweise. Die Handgriffe für Bremse und Kupplung sind beide individuell einstellbar. Als Zubehör bietet Kawasaki eine Ganganzeige und eine 12-Volt-Buchse an, die optisch ansprechender integriert sind als bei der Versys. In der Grundausstattung kostet die Vulcan S 7295 Euro, wer sie von einem City-Cruiser in einen Reise-Cruiser inklusive mittels weniger Handriffen einfach zu montierendem Koffersystem, gut dimensioniertem Windschild und modifiziertem Sitz umbauen möchte, muss weitere rund 1000 Euro investieren.