E-Autos eignen sich gerade für ländliche Mobilität

Klartext: Elektroland

Jeder Haushalt hat zwei Autos. Fehlende Reichweite in einem Auto kann also das andere kompensieren. Alle Wege werden mit dem Auto zurückgelegt. Eigene Lade-Infrastruktur ist möglich. Besser geht es kaum

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Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Anfang 2018 sinnierte ich in dieser Spalte über ein Leben auf dem Land mit einem gebrauchten Nissan Leaf. Mittlerweile ist der Umzug durch. Jetzt lebe ich so ländlich, wie es kaum ländlicher geht. Die Überlegungen verlassen die abstrakten Sphären und nehmen konkrete Umrisse an. Ich achtete zum Beispiel sehr auf die Lichtlage der in Frage kommenden Immobilien. Am besten Südhang. Jetzt wohnen wir an einem Südwesthang. Früher, vor dem Krieg war hier einmal ein Weinberg. Ich habe schon wärmeliebende Bäume wie Esskastanien und einen Pfirsich auf den Hang gepflanzt. Die sollen vermittels Sonnenenergie CO2 und Bodenstoffe in Lebensmittel umsetzen, die meine Frau aus dem Garten rupfen will.

Ich dagegen möchte Sonnenenergie in Strom umwandeln, den ich im Haus verbrate. Mein Hausbüro liegt weiterhin zwei Meter vom Schlafzimmer entfernt. Darüber hinaus überlege ich mir jedoch, den Strom in ein E-Auto zu kippen. Da spielen sicher Gedanken zur problematischen fossilen Verbrennung hinein, hauptsächlich lockt mich jedoch steuerfreie Fahrenergie, durch die sich die teuren Photovoltaik-Platten schnell lohnen können.

I‘m starting with the man in the mirror

Die günstigen Randbedingungen zum Betrieb von Elektroautos auf dem Land habe ich schon zusammengefasst: Wir haben eigene Lade-Infrastruktur, es gibt kaum andere Mobilitäts-Optionen als das Auto, dennoch sind die meisten Fahrten kurz genug selbst für ein E-Auto der vorigen Generation mit Batterien unter 30 kWh. Vor allem jedoch stehen vor den meisten Häusern sowieso mindestens zwei Autos. Das E-Auto muss also nicht alle Fahrten können. Unter diesen Voraussetzungen ist es erstaunlich, dass E-Autos auf dem Land immer noch so gar keine Rolle spielen. Das Interesse an der Technik ist da. Das Geld ist häufig auch da. Letztendlich wird es dann aber doch der Skoda Octavia als Diesel-Kombi. Ich glaube allerdings, dass es gerade auf dem Land schlau ist, elektrisch zu fahren. Meine Mobilität soll ein Beispiel sein, das alle Vorteile zeigt.

Meine aktuellen Favoriten sind Volkswagens erste Serien-Elektroautos: der E-Up und der E-Golf. Beide fand ich von Anfang an sehr gut. Beide bewegen sich durch die aktuellen Entwicklungen in sehr interessante Preisbereiche. Gewerbe-Leasing für den E-Golf fängt beim letzten Nachschauen bei 107 Euro im Monat an, Tendenz weiter sinkend. Die Gebrauchtpreise des E-Up (Test) sanken seit Erscheinen des neuen Modells mit 32 kWh um über 20 Prozent. Bald kann man einen brauchbaren E-Up für unter 10.000 Euro kaufen. Ich fürchte mich nur ein bisschen vor dem Gehabe von Volkswagen-Händlern, über das ich immer wieder dann-kauf-ich-halt-woanders-Geschichten höre. Bleiben wir positiv: Der Händler in der Nähe soll sehr unarrogant sein.

Unsere ungewöhnliche Situation eignet sich besonders gut für Solarstrom. Da ich tagsüber im Haus arbeite, stelle ich tagsüber die großen Maschinen an, damit ich abends Ruhe habe: Waschmaschine, Trockner, Spülmaschine und den Herd verwende ich mittags auch. Deshalb reicht eine kleine Pufferbatterie wahrscheinlich für sehr hohe Eigenverbrauchsraten. Der größte Verbraucher wäre das Auto. Selbst das steht oft zur Sonnenscheinzeit wieder am Hauslader, denn meine Frau arbeitet als Lehrerin. Sie muss daher zwar zur unchristlichen Uhrzeit 5:40 aufstehen, dafür können wir jedoch an manchen Tagen gemeinsam zu Mittag essen, während das Auto mit Stromüberschuss vom Dach lädt. Besser ginge es nur als Rentner.

Wolkenstrom

Nun werden die wenigsten Haushalte ähnlich ideale Voraussetzungen haben für den Betrieb des E-Autos. Ganz vom Gedanken der steuerfreien Fahrenergie müssen sich jedoch auch Double-Income-9-to-5-Haushalte nicht verabschieden. Die sächsische Firma Senec (kürzlich aufgekauft von der EnBW AG) bietet gegen eine monatliche Gebühr zum Beispiel virtualisierten Eigenstrom an, in ihrer „Strom-Cloud“. Dabei misst Senec die überschüssige Energie vom Dach und schreibt die Kilowattstunden einem Konto gut.

Diese gezählten kWh kann der Kunde zeitlich unabhängig verbrauchen – für die meisten bedeutet das: abends. Er kann sie auch örtlich unabhängig verbrauchen, also in einem Ferienhaus oder (wichtiger) an allen Elektroauto-Ladesäulen im EnBW-Roaming Verband "mobility+" (derzeit über 30.000 in Deutschland, Österreich und der Schweiz). Das klingt mir nach einer spannenden Lösung für normal Angestellte mit Solaranlagen daheim. Wenn ich länger darüber nachdenke, klingt es auch spannend für mich, sonst muss ich im Winter ja besteuerten Strom zum Fahren zukaufen.

Hat gar nicht wehgetan

Wenn wir über nötige Veränderungen reden, dann dreht sich die Diskussion meistens um Verzicht, um Verlust. Mobilität soll teurer werden, schlechter, weniger. Wenn der Plan aufgeht, wird meine Mobilität dagegen billiger, besser, und wenn das wo wird, werde ich auch mehr fahren. Dass ein E-Auto schöner fährt als ein Verbrenner, weiß jeder, der es je versucht hat. Wartungskosten werden so überschaubar wie das Potenzial, etwas zu verpfuschen. Fahrstrom kommt steuerfrei aus der Sonne. Selbst die teure Batterie wird in unseren Breitengraden lange halten, weil sie stets in der erdtemperierten Hanggarage herumsteht. Das sind alles Sachverhalte, die nicht in einen einzelnen Zuruf passen. Ich werde also mit meinem E-Up regelmäßig zum Dorfstammtisch fahren und jedes Mal nach dem Benzinpreis fragen. Die Zeit arbeitet für mich.