Audis wohl bemerkenswertestes Auto war ökonomisch ein Flop

Gentlecar Audi A2

Audi stellte 1997 das Konzeptauto "Al2" auf die IAA. Es kam später in Serie als Audi A2, und protzte mit inneren Werten. Nur an Äußerlichkeiten fehlte es ihm, also floppte das hochpreisige Platzwunder. Wer heute einen hat, sollte ihn behalten

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Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Es ist an der Zeit, ein Auto zu feiern, wie es so gebaut in Deutschland nirgendwo ein zweites gibt: den Audi A2. Wie vielen der mutigsten Konstruktionen blieb ihm ein großer kommerzieller Erfolg zur Produktionszeit verwehrt. Doch seine Funktion als Meilenstein, als leuchtendes Beispiel, die bleibt. Wer einen hat, sollte ihn behalten. In Stuttgart tun das viele Besitzer. Bis Audi ihnen in ferner Zukunft einen elektrischen A2 baut, der vom Stuttgart-Grid induktiv mit Kernfusions-Strom versorgt wird, gibt es für die Fans keinen Grund, irgendetwas Anderes zu kaufen, denn es gibt nichts Besseres.

Aufbau à la Luxusklasse

Wir haben es hier immer wieder gesagt, weil es wahr ist: Wer ein sparsames, gewichtsgünstiges Auto bauen will, muss von Grund auf damit anfangen. Erst ins Teileregal greifen und dann versuchen, das Schwere zum Leichten zu biegen, das funktioniert stets auf einem Niveau, das zum Lachen bringt. Ich erinnere mich an den Lamborghini Gallardo Superleggera. Er wog 1415 kg, 70 kg weniger als das Standardmodell. Das sind nicht einmal fünf Prozent. Superprozent vielleicht? Egal. Für den 1,4-Liter-Benziner gab Audi jedenfalls anno 2000 895 kg ohne Fahrer an, für die Variante mit Dreizylinder-Diesel 990 kg. Audi war es nämlich wichtig, dass der A2 außer der Tugend der Sparsamkeit auch die guter Fahrbarkeit mitbringe. Schade, dass so oft untergeht, wie wunderbar sich beide Tugenden ergänzen.

Um Platz im Innenraum mit guten Gewichtswerten zu verheiraten, griff Audi zu den Techniken, die sich in der Oberklasse beim A8 bewährt hatten: Sie bauten eine Skelettkarosserie aus Aluminium. Dabei werden Strangpressprofile, Guss- und Pressteile zum namensgebenden Alu-Skelett verbunden. In die Zwischenräume setzt man dann üblicherweise Bleche, die selbst mittragend sein können, also Kräfte aus dem Alurahmen aufnehmen für mehr Steifigkeit. Beim A2 gab es zum Beispiel eine Variante mit einem Glasdach, das für solche Kräfte ungeeignet war. Diese Variante hat daher verstärkte Dachquerträger im Skelett. Der Brite nennt eine solche Skelett-Konstruktion "Aluminium Space Frame", Audi nannte es "Audi Space Frame".

Billig war er nicht

Nun sollten jedoch viel mehr A2 als A8 gebaut werden, also reduzierten die Ingenieure Ingolstadts die Anzahl an gebogenen Strangpressträgern auf sechs nötige, vergrößerten die Gussteile, damit sie mehr Funktionen pro Bauteil übernahmen und erhöhten den Automatisierungsgrad in der Fertigung. Die Karosserieteile wurden mit Stanznieten und Schweißnähten verbunden, viele davon im damals neuen Laserschweißverfahren. Es war einer dieser Tage, an denen das Versprechen vom Techniktransfer aus der Oberklasse bedingungslos eingelöst wurde. Aber billig war es nicht: Fast 32.000 DM kostete der Basisbenziner. Der hohe Preis des A2 blieb jedoch nicht sein einziges Problem im Verkaufsraum.

Die Autobild zitierte 2003 einen anonymen Audi-Ingenieur mit: "Der A2 ist ein Technologieträger, der nie hätte in Serie gehen dürfen." Was der Anonyme meinte, wurde mit den Jahren immer klarer: Der A2 hatte sehr viele innere Werte in einer Welt, in der es auf Äußerlichkeiten ankommt, bei denen er die Zurückhaltung eines Gentlecar zeigte. Obwohl Audi den A2 auch für mehr weibliche Kundschaft konstruierte, lag der Frauenanteil bei den Kunden unter 40 Prozent. Das Design, das Audi-typisch über die Jahre belegte, wie gut es altert, kam nach der Einführung zunächst weniger gut an. Die AMS fand die schlichte Gestaltung richtig kacke, was für sich allein nicht viel heißen mag, aber eine damals weit verbreitete Meinung in der Autoszene widerspiegelt. Irgendwann sollte mit netterer Werbung und Plastik-Kotflügeln eine jüngere Kundschaft angesprochen werden, was wie so oft in solchen Fällen nur die Grenzen der Werbung zeigte. Der A2 war nie ein Typ für die Massen.

Saabige Kundschaft

Die Jungen wollten ihn nicht, die Frauen wollten ihn nicht, die Rentner bevorzugten die konzeptionell vergleichbare A-Klasse von Mercedes, denn sie hatten ja schon immer einen Mercedes. Es blieben als Zielgruppe Menschen um die 50 mit einem Level von Geschmack, Interesse und Intelligenz, der sie diesen Alu-Audi schätzen ließ. Es war eine sehr saabige Kundschaft, aber wie bei Saab eben auch eine sehr kleine. Diese Menschen erfuhren im Alltag schnell, wie gut verarbeitet das Auto war, wie praktisch der Innenraum (die leichten Rücksitze etwa konnten einfach herausgenommen werden und per Tragegurt getragen), und wie bequem vier Personen selbst auf langen Touren saßen. Diese langen Touren zeigten jedoch auch die wohl größte konstruktionstechnische Schwäche des A2: den kleinen Tank. 38 Liter plante Audi ein. Später vergrößerte man den Tank nach der berechtigten Kritik ("ein Witz") auf 42 Liter. Doch obwohl das Auto bis heute die Bestenlisten der Spritsparer dominiert, obwohl seine Aerodynamik ausgezeichnet funktionierte, nervte diese Tankgröße auf Autobahnreisen mit ihrem höheren Verbrauch.

Hot in the City

Doch die verkauften A2 haben heute ihren Platz gefunden, meistens irgendwo im Ballungszentrum oder dessen Speckgürtel. Da passt er hin, da reicht die Tankgröße vollkommen aus. Ich sehe ihn in Stuttgart häufig, meistens in Leasing-Silber, seltener auch in blau oder schwarz. Immer steht er sehr gut da. Ich habe noch nie einen vernachlässigt-verotteten A2 gesehen. Das mag an den Eigenarten Baden-Württembergs liegen, ich vermute die Ursache jedoch eher darin, dass Mensch-Maschine-Beziehungen mit einem A2 vornehmlich von Menschen geführt werden, denen ihr Auto, dessen Wartung, Zustand und Technik nicht egal sind.

Meistens sind die Besitzer sehr glücklich in ihrer Beziehung. Es fällt mir auch bis heute schwer, mir vorzustellen, wo ein A2 unangebracht wäre. Man stelle sich vor, der Bundeshosenanzug höchstpersönlich würde mit dem A2 vorfahren. "Die Dame hat Geschmack", würde der gebildete Bundesbürger denken, "und sie hat eben gezeigt, dass sie die Tugend einer Lady hat: Understatement." Am anderen Ende der Bewährungshelfer, der seinen A2 im Brennpunktviertel für sein regelmäßiges Gespräch zur Resozialisierung parkt. Der Wagen steht dann da wie ein Fanal für das Gute, das der Bewährungshelfer von seinem Schützling erwartet, und wenn wir schon dabei sind: gleich vom ganzen Viertel. Obwohl er nie billig war, wirkt er innerhalb eines Ballungsraums niemals überkandidelt.

Er fände wieder kaum Käufer

Aus späterer Sicht schrieben Viele, Audi sei einfach zu früh drangewesen, das Konzept habe erst in spätere Zeiten gepasst. Das glaube ich nicht. Wenn Audi heute wieder einen modernen A2 auflegen würde, fände auch der wieder kaum Käufer. Deshalb planen sie ja ihre kommenden Elektroantriebe gleich in SUVs ein: Sie passen denkbar schlecht zur aktuellen Batterietechnik, aber die Leute kaufen das wenigstens. Audi fährt also für die kleineren Fahrzeuge weiter mit ihrer bewährten Mischung aus VW-Technik mit leicht aggressiver Bemaskung, gekonnten, konservativen Hauptlinien, modernem Infotainment und Lack in der Farbe "Premium". Doch es gibt ein Auto, das vergleichbar mutig anders konstruiert wurde, sich ebenfalls schlecht verkauft und daher in zehn, fünfzehn Jahren ähnlich gut ausschauen könnte als Meilenstein der Stadtautos: BMWs i3. Nur ob sein Design in vergleichbarer Würde altert, müssen die nächsten 15 Jahre zeigen ...