Im Mutterland der Demokratie soll es noch neue 1er M Coupés geben

Klartext: Glücksgeburt in Russland

Nach einer Fahrt am Nürburgring im 1er M Coupé finde ich ja, dass Gerhard Schröder doch nicht Satan ist, sondern recht hatte, genau wie Gérard Depardieu: Putin ist toll, Russland ist DIE Demokratie, und es gibt dort der Sage nach noch neue Ms.

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Von
  • Clemens Gleich

Nürburgring, GP-Strecke, in der ballistischen Bergab-Anflugskurve auf die Dunlop-Kehre. Leicht schwänzelnde Bremsung ins Eck, ein Gang runter, Pedal aufs Blech, rum. Jemand lacht. Ich glaube, ich. Das Fahrzeug ist ein BMW 1er M Coupé, der ohne eine Sekunde des Nachdenkens beste Viersitzer, den ich je gefahren bin. Das ist umso erstaunlicher, als ich sowohl den M3 und den M5 kurz vorher gefahren bin. Für beide wird man einen breiten Konsens für "bester Viersitzer" finden, aber einen Konsens ohne mich. Man fährt einen Viersitzer, weil der auch den Alltag können soll, also Bandbreite haben muss. Der M5 ist bestimmt besser auf der Autobahn. Aber wenn ich ein dort quasi lebender, entsprechend finanzkräftiger Vertreter wäre, würde ich für die Autobahn immer AMG-Benzen vorziehen. Auf kleinen Landstraßen ist der M5 ein Öltanker. Und der M3 ist ein wunderbares Auto. Er hat nur ein Problem: Der 1er M ist noch wunderbarer. Immer mal wieder in der Geschichte des Fahrzeugbaus kommt alles zusammen: die richtigen Leute, die richtigen Teile, die richtige Motivation, die richtige Zeit und das immer nötige Quäntchen Glück. Ich kann gut verstehen, dass BMW nur recht wenige 1Ms gebaut hat. Man hätte sich sonst wahrscheinlich in die M3-Verkäufe geschnitten.

Probe aufs Exempel: anhalten, umsteigen. In einen M3 GTS, den schnellsten M3. Eigentlich ein unfairer Vergleich, denn der GTS hat ja nichtmal eine Rückbank. Tatsächlich ist nach spätestens 20 Metern klar, dass der GTS den 1er rundenzeitenmäßig schlachten würde wie eine Piñata. Tatsächlich ist jedoch auch nach spätestens 50 Metern klar, dass der 1er trotzdem selbst hier auf der Rennstrecke lustiger ist. Ich kann mich an kein Auto erinnern, dass mehr schwanzwedelnden Enthusiasmus vermittelt. Der 1M ist wie ein riesiger orangefarbener Labrador. Oh, zweiter Gang am Begrenzer! Das mach ich am liebsten. Oh, Hinterräder verrauchen! Das mach ich am liebsten. Oh, völlig gestört zu schnell ins Eck fahren und retten müssen! Das mach ich am liebsten. Einen aktuellen VW Golf GTI zu fahren ist im Vergleich dazu wie Opas Vorträge aus seinem Sparbuch zu ertragen.

Ein Kollege bemerkte irgendwas mit "aber die Instrumentenkonsole ist weniger Premiumrhabarberrhabarber ..." Ich hatte für ihn nur den mitleidsvollsten aller Blicke übrig. Wie leer muss eine Seele sein, um so einen Gedanken zu gebären? Solche Menschen schauen bei einem Labradorwelpen wahrscheinlich auch als erstes auf die Marke der Leine. Ich glaube, dass der 1er M in vielen Jahren noch eine strahlende Ikone des bayrischen Fahrzeugs sein wird, eins der wenigen gefragten Sammlerstücke aus dieser unserer Zeit. Es ist nach dem Fiat Panda Twinair erst das zweite Auto überhaupt, das ich wirklich gerne neu besessen hätte. Im Bus zurück zum Hotel schnappe ich mir ein geduldig aussehendes Ohr, um das mit 1M-Lob zu füllen, bis es blutet. "Das hört man doch gerne", sagt ein Mund, der zu nicht direkt verbundenen, aber offenbar offenen Ohren gehört. "Dann kauf doch einen." Es ist ein Pressemensch von BMW. Wie kann er nur! Ich empöre mich: "Ihr habt ja nur fünf gebaut und die sind alle längst verkauft!" Er lächelt ein gleichzeitig wissendes und gemeines Lächeln. "Oh, nein", sagt er schließlich. "Ich weiß einen Ort in Russland, an dem es noch einen Neuen für dich gibt."

Seitdem ist viel Wasser die Isar runtergeflossen. Es gibt einen M135i, von dem viele sagen, er fahre "vergleichbar gut" wie der 1er M. Das interessiert mich nicht. In zwanzig Jahren werden Bayern-Experten das vielleicht noch wissen. Aber wollen werden sie den orangefarbenen Labrador, nicht das Auto mit dem Gesicht von Angela Merkel. Deshalb schweifen meine Gedanken immer noch immer wieder gen Russland. Herr Putin ist ja für mich ein lupenreiner Demokrat, so im Vergleich zu Frau Merkel. Das Land ist toll, ich liebe Oligarchen und Wodka im Winter. Und im Sommer. Und auf Arbeit mit Milch. Meine Bank sträubt sich noch, mein Projekt sicherheitenlos in bar zu finanzieren, aber ich denke, ich kann mindestens so gut schleimen wie Gérard Depardieu, und ich bin zuversichtlich, dass die Filiale einlenkt, wenn meine bestellten Gutachter mit ihren Kalaschnikows vorstellig werden. Vielleicht verstehen Sie das nicht. Dann sollten Sie gelegentlich ein BMW 1er M Coupé fahren. Wir sehen uns dann in Russland. (cgl)