Immer weniger Platz, immer mehr Autos stehen herum. Was tun?

Klartext: Parkinfarkt

Die Fahrradpendler bemerken es am meisten: Die Parkplatznot in den Städten wird immer schlimmer. Es geht hier jedoch nicht allein um den Zwist zwischen Auto- und Fahrradfahrern, sondern wir sehen ein grundsätzlicheres Problem: den Kampf um Platz

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Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

“Die Stadt hat aufgegeben“, schreiben resignierte Fahrradpendler unter Bilder ihres alltäglichen Arbeitswegs voller Blechimmobilien, häufig zähneknirschend geduldet von den Behörden. Was jedoch auf den ersten Blick aussieht wie ein weiterer Schauplatz des Kampfes zwischen Auto- und Fahrradfahrern, wurzelt in Wahrheit viel tiefer: Tatsächlich sehen wir Effekte des Kampfs um die knappe Ressource „Platz in der Stadt“.

Alle brauchen Platz

Jede Urbanisierungswelle verändert die Städte, in die wir strömen. Die neu Hinzugekommenen brauchen entweder eine Stadtwohnung oder sie brauchen Zugang zum Speckgürtel mit Pendelmobilität, in welcher Form auch immer. Beides braucht Platz. Da sich die Nachfrage nach Platz erhöht, steigt der Preis – für Wohnraum, aber auch für Parkraum. Beide stehen in direkter Konkurrenz nicht nur zueinander, sondern auch zu allen anderen Dingen, die Platz beanspruchen in der Stadt, zum Beispiel die lange vernachlässigte Fahrrad-Infrastruktur oder die Fußgänger-Reviere in der Innenstadt.

Laissez faire

Zur Problemlösung schauen wir alle zuerst auf die Behörden. Sie sollen besser kontrollieren. Schauen wir jedoch genauer hin, sehen wir die Sicht der Beamten. In vielen Fällen kontrollieren sie, verhängen auch Strafen, aber die Falschparker kommen trotzdem immer wieder. Prominent fallen Anwohnern Parker auf Bushaltestellen auf. Die dort verhängten Ordungswidrigkeiten liegen oft unter den lokalen Parkkosten, sodass sich Falschparkerverhalten ökonomisch lohnt. Da die Behörden nicht auf Gesetzesänderungen warten können, wird es an solchen Orten kommen müssen wie in Berlin: Die Öffi-Betreiber lassen Falschparker bei der kleinsten Behinderung des Betriebs teuer abschleppen.

Die Polizei weiß es

Häufig dulden die Behörden Fehlverhalten dauerhaft. Das sehe ich auch in meinem Viertel und generell in Stuttgart. Es gibt zu wenige Parkplätze. Also stellen sich die Leute blöder hin – nicht weil sie nicht wüssten, dass das blöder ist, sondern aus Mangel an Alternativen. Die Polizei weiß das, die Beamten kennen es wahrscheinlich sogar aus ihrer eigenen Nachbarschaft. Wenn der Mülllaster nicht mehr durchkommt, suchen sie den Falschparker, damit er umparkt. Wenn sie ihn nicht finden, suchen sie auch Richtigparker, wenn das einen Weg für den Mülllaster freiräumt.

Die Polizei meint ihre Schonung sehr gut, doch es führt dazu, dass es keine klaren Parkregeln mehr gibt, wohl aber das Wissen, dass "blöd parken" ohne Konsequenzen bleibt. Im dicht besiedelten Stuttgarter Westen kannst du jeden Abend sehen, was man alles nicht darf, aber aus Verzweiflung tut, vom Kreuzungen und Bürgersteigen zuparken bis hin zum konsequenten Zweireiher die Straße hinunter. Als die Straßen zeitweise unbenutzbar zu werden drohten, begann die Stadt mit Abschleppen. Das Problem verdünnte sich auf eine weitere Umgebung mit weniger krassen Verstößen, und in diesem wackligen Gleichgewicht blieb es erst einmal. Es wird aber schlimmer werden.

Drei große, aktuelle Entwicklungen im Städtebau: Fahrrad-Infrastruktur vielleicht doch mal in Angriff nehmen, Fußgänger-Innenstädte weiter ausbauen und immer mehr Sanktionen gegen die wie Luzifer gefallen gesehene Technik des Autos an sich. Dem steht gegenüber, dass der Fahrzeugbestand trotz allem beständig weiter steigt, in einem seit Beginn der Neunziger ungebrochenen Trend. Autos halten eben doch eine Weile, sodass es schlicht jedes Jahr mehr neu zugelassene Fahrzeuge als abgemeldete gibt. Die älteren Autos wandern weiter die finanzielle Nahrungskette hinunter, die ganz alten sortieren sich wieder weiter oben ein für ihr neues Leben als Oldtimer-Schätzchen (der Oldtimer-Bestand steigt ebenfalls).

Die Hersteller entwickeln bereits Dienstleistungen für die kurz bewegte Meistensimmobilie: Einkaufslieferdienste in den Kofferraum, Reinigungsservices für Kleidung oder das Auto. Letztendlich steht die Nützlichkeit des Blechkastens im Stand jedoch immer höheren Kosten gegenüber, während die Nützlichkeit in Fahrt gleichzeitig abnimmt, weil die erreichbaren Fahrtschnitte in den vollen Städten immer niedriger werden.

“Have one less child.“

Letztens habe ich einen Flyer gesehen, der Menschen helfen sollte, im allgemeinen Daten-Wirrwarr Dinge ihres Lebens nach Ressourcen zu ordnen, falls sie geneigt wären, Ressourcen-bedacht durchs Leben zu gehen. Ganz vorne, vor dem „autolosen Leben“ stand: „Have one less child.“ Aktuelle Gesellschaftsentwicklungen betrachtet, würde ich sagen: Wir werden nicht wieder zur Auto-freundlichen Stadt zurückkehren. Also bleibt uns nur die bittere Pille, wenigstens gegen den Bestandsdruck zu arbeiten: Have one less car. Und dann geht es ja auch um die Dimensionen des einzelnen Autos. Es lebe der kompakte Allrounder.