Schwimmt sogar auf Schotter

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Das liegt gar nicht speziell am Tiger, nicht einmal an der Kategorie solcher Einspur-SUV. Ich habe gute Geländefahrer mit solchen Schlachtrössern ohne größere Anflüge von Anstrengung Crosser-Anfänger demütigen sehen. Doch für Fahrer näher der Mitte der Glocken-Normalverteilungskurve macht sich das Gewicht doppelt bemerkbar. Auf der Assietta-Kammstraße war es dann nach einem langen Tag des Schotterrüttelns soweit: Der Tigerreiter nahm das Angebot an, auf der kleinen Honda zurück ins Tal zu rollen. Er war wie wiederbelebt. Von den Toten aus "ich kann nicht mehr" auferstanden zu "ich will mehr, mehr Schotter!". Für mich war es der bezeichnende Moment der Tour.

Reiseenduros, das emotionalste Marktsegment

Über Reiseenduros kann man herrlich streiten, denn jeder Motorradfahrer hat seine eigenen Ansichten, wie deren Kompromiss am besten ausgeführt sein sollte. Eine Mehrheit liebt BMWs R 1200 GS, die ihren Kompromiss irgendwo zwischen Tiger und Ténéré findet. Kaum jemand würde die Honda CRF 250 L überhaupt in Betracht ziehen als Reiseenduro. Das liegt wahrscheinlich hauptsächlich daran, dass die Emotion "ich mach's zwar nicht, aber ich könnte" das Kaufverhalten so stark beeinflusst. Die planbare Tankreichweite der 250er von 150 bis 160 km nervt, wenn man 500+ km am Tag abspulen will. Es hat sich aber gezeigt, dass man das nicht mehr will, wenn ein relevanter Anteil der Strecke aus Schotterwegen besteht. Plötzlich ist die Tankreichweite der Honda nicht mehr das limitierende Element, sondern die Masse des Tigers. Überhaupt ist die Menge derer, die noch solche Tagesetappen fahren, verschwindend gering geworden.

Die letzte Etappe der Tour sah so aus: Wir standen in dichtestem italienischen Stadtverkehr, dem ich mich mit der KTM sofort anpasste: Die Rollerspur ist überall, wo man durchpasst. Ich drehte mich um. Da war die Honda. Wo war der Tiger? Weg. Mir fehlte noch das Zieleinlaufbild an irgendeinem Strand, aber das konnte ich zur Not auch allein mit der KTM schießen. Deshalb war ich froh, als Tiger und Ténéré schon vorab zurückfuhren zu unserem Nachtlager. In unter 20 Sekunden erreichten wir auf Honda und KTM das Meer, passend zur Tour an einem Schotterstrand. Mir fiel das Racing-Zitat ein: "If you want to finish first, you have to finish first."

Testsieger für Hotelparkplätze

Am nächsten Tag fuhren wir alle in einem Rutsch zurück nach Deutschland, das waren für den Tiger über 1000 km. Easypeasy. Die Tanketappen der Honda nervten. Die optimale hypothetische Reiseenduro wäre eine Honda CRF 450 L mit 250 km Tankreichweite. Aber in der Realität, bei den existierenden Produkten? Naja, ich sah einen Hänger voll BMW R 1200 GS gen Alpen schippern und dachte mir: Ihr habt die falschen Moppeds dabei. Mein Reiseendurovergleichstest zeigt eindeutig: Die beste Reiseenduro für Leute, die mit Hänger reisen, ist die Honda CRF 250 L. Für diese Kunden gibt es einen Toptipp: Hänger kaufen, zwei der Dinger kaufen, falls was kaputt geht, gebrauchtes Zugfahrzeug kaufen, immer noch unter dem Preis der Tiger bleiben. Dann klappt's auch mit dem Hotelparkplatz. (cgl)