Tod durch Marketing

Teslas Toter

Es musste passieren, und passiert ist es Tesla: Jemand verunfallte tödlich, während der „Autopilot“ genannte erweiterte Tempomat fuhr. Die Verantwortung für den Unfall trägt außer dem Fahrer auch Tesla

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Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Irgendwann musste es passieren, kürzlich war es soweit: Ein Autofahrer verstarb durch einen Unfall, während eine Automatik fuhr und jetzt ist das Geschrei groß. Der Unfallhergang schildert sich eher banal: Ein links abbiegender LKW wurde vom erweiterten Tempomaten nicht gesehen oder „für ein Schild gehalten”, wie der Fahrzeughersteller schreibt. Die Front des Fahrzeugs passte unter den hoch aufliegenden Anhänger, sodass die Windschutzscheibe mit den A-Säulen die volle Wucht des Aufpralls trug. Diese Art Unfall hat sich stets als besonders gefährlich erwiesen – siehe auch: Elch-Kollisionen.

So weit, so tragisch. Doch das Auto war ein Tesla Model S und der Fahrer Joshua Brown war ein großer Tesla-Fan, der in Youtube-Videos zeigte, welches enorme Vertrauen er in die Autobahnautomatiken legte. Er tat das unter Anderem, weil Tesla diesen erweiterten Tempomaten einen „Autopiloten” nannte und beim ersten Rollout gar versprach, das sei „autonomes Fahren per Software-Update”, obwohl es zu dieser Zeit anderswo Systeme gab, die mehr leisteten, deren Hersteller aber nie wagen würden, so etwas zu versprechen.

Die Presse betete Teslas Marketing begeistert nach, wie immer mit der Spitze, dass das „die Anderen” einfach nicht könnten, was Tesla da mit Alien-Technologie „per Software-Update” aus dem Hut zaubert. Kein Wort davon, dass die am S verbauten Sensoren für „autonomes Fahren” nicht ausreichen. Kein Wort über vergleichbare Systeme, die zu diesem Zeitpunkt schon recht weit verbreitet waren, vor allem in den technoiden süddeutschen Automarken.

Rechtlich eindeutig, moralisch nicht

Und jetzt haben wir einen Unfall. Rechtlich dürfte der recht eindeutig sein: Mr. Brown hatte die Pflicht, sein Fahrzeug zu kontrollieren. Das war nicht der Fall, denn sonst hätte er den Sattelschlepper gesehen. Die US-Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA ermittelt, ob den Fahrzeughersteller eine Schuld trifft, aber nach den übernassforschen ersten Videos freihändiger S-Fahrer gab es ein weiteres Software-Update, das prüft, ob die Hände am Steuer sind und es gab eine Warnung, das zu tun. Das Update zum Update sorgte also für Verhältnisse wie bei der konservativ vermarktenden Konkurrenz. Aber Teslas vorherige große PR-Show hatte da schon lange ihre Wirkung gezeigt. Die Öffentlichkeit diskutiert also jetzt an einem erstaunlich frühen Zeitpunkt darüber, wie man mit autonomen Fahrzeugen umzugehen habe, die für einen Todesfall verantwortlich sind. Das ist interessant, weil der Tesla S beim besten Willen kein solches Fahrzeug ist. Ich möchte daher hier darüber diskutieren, wie Technik vermarktet wird, denn an diesem Punkt liegt in diesem Fall der Hund begraben.

Natürlich müssen wir dem armen Mr. Brown die Verantwortung zuweisen für diesen Unfall. Aber jemand, der sich ein Auto der Luxusklasse leisten kann, muss doch ein halbwegs mündiger Mensch sein. Sein ungewöhnlich naiver Zustand erklärt sich am besten aus der Vermarktung seines Autos heraus. Wir sind alle Menschen und daher einfach gestrickt. Wenn uns jemand eine einfache Geschichte erzählt, die in sich schlüssig klingt, dann glauben wir sie zunächst automatisch. Jede urbane Legende vermehrt sich nur deswegen als Mem durch die Hirnsubstrate. „... und dann war eine VOGELSPINNE in der Bananenkiste!” „Nein!” „Doch!” „Ooh!”

Deshalb müssen wir auch dem Geschichtenerzähler eine teilweise Verantwortung zuweisen, denn er kennt seine Macht. Der Geschichtenerzähler in diesem Fall ist Elon Musk, dem wir so gern vertrauen, weil er als Heilandsfigur auftritt. Heilandsfiguren sprechen ebenso wie Geschichten direkt mit der festverdrahteten Wetware, ohne große Umwege über die Ratio. Steve Jobs hat den Computer gerettet und Elon Musk das Auto. Elon wird uns alle in die strahlende Zukunft der Mobilität führen. Die Deutschen haben gern angenommen, dass sie besonders sind, weil sie einem Führer hinterherliefen. Diese Annahme fußt auf der Eitelkeit, etwas Besonderes zu sein, selbst im Negativen. In Wahrheit sind wir alle nichts Besonderes. Wir alle laufen unabhängig der Nation gern solchen Persönlichkeiten nach.

Weniger Technikfeindlichkeit, mehr Marketingfeindlichkeit

Es wird jetzt auf die Technik eingedroschen werden. Die war nie ein ernstes Problem, bis man einen erweiterten Tempomaten einen „Autopiloten” nannte, der die Karre in ein „autonomes Auto” verwandele. Beleg der These: Audi, BMW und allen voran Daimler setzen solche Systeme seit langem ein, ohne dass sich Youtube-Meme von der Rückbank entwickelten. Anders als bei Tesla gibt es in Süddeutschland jedoch heute keinen Führer mehr, der große Versprechungen schwingt, die niemals gehalten werden können. Wenn derselbe Unfall sich in einem A8 ereignet hätte, würde keine Sau darüber sprechen, ob der Tempomat angeschaltet war. Es würde überhaupt niemand über diesen Unfall sprechen.

Teslas Marketing rächt sich insofern, als die große Aufmerksamkeit sich natürlich auch jetzt wieder auf jeden Fehler richtet. Wir wissen von jedem einzelnen brennenden Model S aus den Nachrichten. Wenn ein Audi brennt oder ein BMW, ist das keine Nachricht. Autos brennen halt manchmal. Aber Teslas UFOs sind in der Medienwahrnehmung keine Autos, das sind immer Nachrichten, wenn sie etwas Spektakuläres wie verbrennen tun. Sofort in den Newsticker damit! Alarmiert das NHTSA! Die US-Behörden werden technisch wohl kaum etwas zu beanstanden finden. Aber ich finde, sie sollten Elon Musk einmal vor eine ihrer Anhörungen ziehen und ihm eintrichtern, dass seine öffentliche Position mit öffentlicher Verantwortung einhergeht.