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Robo-Taxis - Ein falsches Aushängeschild

Robo-Taxis, die Krone des autonomen Fahrens? Sie mögen einen Nutzen haben, heute schon als Shuttles auf der Hannover-Messe oder auf anderen Riesen-Arealen. Aber sie sind so ziemlich das Letzte, womit man mir Appetit auf autonomes Fahren machen könnte

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Von
  • Detlef Grell

Robo-Taxis, die Krone des autonomen Fahrens? Ich freue mich schon auf vollgekotzte Taxis mit geschlitzten Sitzpolstern, zugeschmierten Sicherheitskameras. Taxis, die bei immer weiter steigenden Mieten vielleicht sogar bewohnt vorfahren. Also das, was man zum Beispiel in der Berliner S-Bahn schon heute live erleben kann. Robo-Taxis mögen dereinst einen Nutzen haben, heute gern auch schon mal als Shuttles auf der Hannover-Messe oder auf anderen Riesen-Arealen wie dem Frankfurter Flughafen. Da, wo sie nicht nachts dem Vandalismus frustrierter Besoffener ausgeliefert sind.

Aber sie sind so ziemlich das Letzte, womit man mir Appetit auf autonomes Fahren machen könnte. Wieso diese dauernden missionarischen Predigten über diese Art des zukünftigen Fahrens? Ich gehöre zu den eher konservativen Autofahrern, die gern ein eigenes Auto besitzen. Ich mag es, meine Musik darin zu hören, Dinge dauerhaft dabeihaben zu können, die mir unterwegs wichtig sind. Und ich denke, ein Großteil der aktuell 47 Millionen deutschen Autofahrer ist derzeit noch ähnlich gestrickt.

Ich mags autonom

Ich wehre mich auch überhaupt nicht gegen autonomes Fahren, ganz im Gegenteil. Von mir aus darf die Karre gern selber in die Garage fahren, nachdem ich ausgestiegen bin. Oder den Stau komplett so in Eigenregie managen, dass ich dabei lesen, im Internet surfen oder fernsehen darf. Ich lass mich auch gern nach Hause fahren, wenn ich mal ein Bierchen zu viel getrunken habe. Oder das Auto möge mich auf einer Dienstreise völlig autark ans Ziel bringen, damit ich in Ruhe letzte Vorbereitungen treffen kann – also genau so, wie man es sonst in der Bahn machen würde.

Ein eigenes Auto möchte ich allerdings unbedingt auch aktiv fahren dürfen. Ich bestehe auf Lenkrad und Pedale. Die gewohnte Selbstfahrmöglichkeit ist für mich absolut wichtig, damit ich mich nicht hilflos fühle, wenn ich demnächst von einem Computer chauffiert werde. Ich möchte eingreifen können und ich denke, mit diesem Problem werden auch andere Fahrer zu kämpfen haben. So wie man dem automatischen Abstandstempomat eben erst vertraut, wenn man ihn ein paar Mal hat zuverlässig agieren sehen. Genau so muss sich auch das autonome Fahren das Vertrauen der Mitfahrer erst noch verdienen.

Ein großes Missverständnis?

Aber zu alldem brauche ich kein Robo-Taxi, und ich will es auch ganz explizit nicht. Die aktuelle Situation erinnert mich an ein ähnliches Missverständnis von Touchscreen-Monitoren: „Da kann man doch gar nicht dran arbeiten, da kriegt man doch lahme Arme, was für eine bekloppte Idee.“ Ja, in der Tat ist das so, wenn man auf die Maus verzichtet. Haben Sie aber seinerzeit die Tastatur aufgegeben, als die Maus kam? In Wahrheit ist der Touchscreen als drittes Eingabe-Interface neben Maus und Tastatur äußerst praktisch: Wann immer es ums Zoomen geht etwa oder ums Scrollen oder neu Platzieren von Fenstern. Wenn man zum Beispiel nicht mehr nach Fensterecken oder Rollbalken angeln muss.

Genau so sehe ich autonomes Fahren: Es wird die angenehmste Form der Fahrassistenz sein, die man immer dann in Anspruch nimmt, wenn man kein Lust zum Selbstfahren hat, vielleicht lieber die Sportschau gucken will oder gerade mit geweiteten Pupillen vom Augenarzt kommt. Eine tolle Sache. Und sogar ich, der ich bekennender aktiver Selbstfahrer bin, mag nicht ausschließen, dass dieser Weg des autonomen Fahrens dazu führen könnte, dass ich den Chauffeurs-Service viel häufiger in Anspruch nehme als ich mir derzeit vorzustellen vermag. Aber was um alles in der Welt hat das mit Robo-Taxis zu tun? Taxis ersetzen heute nicht den Individualverkehr. Warum soll sich das ändern, nur weil sie autonom fahren? (gr)