Länger grün für Rad und Bus: Kopenhagens „kluge Ampeln“

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Die Fahrradstadt Kopenhagen will Vorreiter für grüne Ideen im Verkehr sein. Bald könnten dort Sensoren an Ampeln Radfahrer viel schneller durch die Stadt lotsen. Dabei helfen soll das Mobiltelefon in der Tasche

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  • Julia Wäschenbach, dpa
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Kopenhagen, 5. Februar 2015 – Acht Uhr morgens an einer Kreuzung in Kopenhagen. Dutzende Pendler knubbeln sich vor der roten Ampel an einer Brücke auf dem Weg in die Innenstadt. Drei Grünphasen brauchen die Studenten in dicken Winterjacken und die Angestellten mit Schultertaschen, um über die Straße zu kommen. Aber nicht mit dem Auto – sondern auf dem Rad.

Fahrradstaus sind in Dänemarks Hauptstadt, wo mehr als ein Drittel der Menschen zur Arbeit radeln, ein vertrautes Bild. Um die zu verhindern, will die Kommune nun „kluge Ampeln“ einführen, die ihre Grünphasen an die Zahl der Radler anpassen. Doch der Datenschutz könnte die Pläne zunichtemachen: Denn auch Smartphones der Wartenden spielen bei den Systemen eine Rolle.

Mobiltelefone statt Kameras

„Wir haben Detektoren an unseren Kreuzungen, die erkennen können: Ist da eine große Gruppe Radfahrer, die vorbei will? Na, dann bleibt die Ampel eben ein paar Sekunden länger grün“, erklärt der zuständige Bürgermeister Morten Kabell. Bislang wurde das Aufkommen mit Kameras erkannt. Doch die Stadt will mehr: Umgerechnet rund acht Millionen Euro nimmt die Kommune jetzt in die Hand, um den Radfahrern das Leben noch leichter zu machen – und nebenbei das ehrgeizige Klimaziel, 2025 die erste CO2-neutrale Hauptstadt der Welt zu sein, zu erreichen.

Dazu gehört auch, Busse – vor allem nach Großereignissen wie Konzerten oder Fußballspielen – mit Grünlicht schneller durch den Verkehr zu lotsen als bisher. Auch wenn ein Bus zu spät unterwegs ist, weil die Straßen glatt oder die Fahrgäste zahlreich sind, sollen Ampeln das über Sensoren künftig genauer und in Echtzeit erkennen können. Bei einem Versuch in dem Stadtteil Valby hätten die Busse bis zu 40 Prozent Fahrzeit gespart, berichtet Kabell. Er sieht seine Stadt als Labor für solche grünen Experimente, die auch anderen europäischen Großstädten nutzen könnten.

Dafür eignet sich Kopenhagen vor allem wegen seiner Infrastruktur, seinen breiten Radwegen, die sich in der Stadt über mehr als 350 Kilometer erstrecken. In kaum einer anderen Großstadt sind die Menschen deshalb so viel mit dem Fahrrad unterwegs wie in Kopenhagen. Zusammengerechnet rund 1,2 Millionen Kilometer legen sie täglich auf dem Sattel zurück – eine Strecke so lang wie 30 Erdumrundungen.

„Es gibt Situationen, vor allem im Berufsverkehr, in denen viel zu viele Radfahrer auf den Radwegen unterwegs sind“, sagt Per Høeg, Professor für Raumforschung an Dänemarks Technischer Universität in Kopenhagen. „Dann passiert es, dass die Leute ineinander fahren, auf die Autospur geraten, aggressiver werden.“ Um das zu verhindern, haben er und sein Team im Auftrag der Kommune geforscht – und unter anderem vorgeschlagen, eine Fahrspur für Autos bei Platzmangel spontan zu einem Radweg umzufunktionieren.

Bike-to-X ist auch eine Frage der Privatsphäre

Auf einer belebten Straße in der Hauptstadt haben Høeg und seine Kollegen auch Sensoren an Ampeln getestet, die Wifi- oder Bluetooth-Signale von den Handys der Radfahrer empfangen können. „Es gibt heute kaum jemanden, der kein Mobiltelefon hat“, sagt er. Bewegungen im Straßenverkehr können damit deshalb leicht beobachtet und Radler schneller durch die Stadt geführt werden, meint Høeg – und sicherer. Eine seiner Ideen: Weil viele Unfälle beim Rechtsabbiegen passierten, könnten Radfahrer durch ein Lichtsignal gewarnt werden, wenn etwa ein Lastwagen gleichzeitig an einer Ampel ankommt.

Doch vielen dürfte es bitter aufstoßen, dank Smartphone im Alltag bei jedem Weg durch die Stadt registriert zu werden. „Es ist klar, dass das hier auch eine Frage der Privatsphäre ist und wir sicherstellen können müssen, dass die Behörden keine Daten darüber haben, wo du oder ich uns befinden“, sagt Bürgermeister Kabell. „Wir wollen kein „Big Brother is watching you“-System“, betont auch Høeg.

Stattdessen wollen die Entwickler erreichen, dass die individuelle Kennnummer eines Handys direkt an den Sensoren verschlüsselt wird. „Wir haben dann zwar ein Smartphone lokalisiert, das sich bewegt wie du, aber wir wissen nicht, dass es deins ist“, sagt Høeg. Ob das mit dem Gesetz in Einklang steht, entscheidet die Datenschutzbehörde.

Kann man die Kennung verschlüsseln?

Die hohen Datenschutzanforderungen seien in Deutschland ein Knackpunkt bei der Einführung von intelligenten Verkehrssystemen, sagt der Verkehrsforscher Philip Krüger von der TU Darmstadt. Ähnliche Tests wie in Kopenhagen gebe es auch hierzulande. Aber: „Sie müssen bei diesen Systemen dann wirklich sicherstellen, dass das anonymisiert ist, dass keine Rückverfolgbarkeit gegeben ist“, sagt Krüger. „In dem Moment, wo personenbezogene Daten gespeichert werden können, schlagen Datenschützer immer Alarm.“