Mercedes GL 350 Bluetec: Sauber dieseln in den USA

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Yucca Valley (Kalifornien/USA), 25. Januar 2010 – Günter will wissen, ob wir mit dem Wagen denn zufrieden sind. Günter ist vor Jahrzehnten gemeinsam mit seiner Frau aus Deutschland ausgewandert und wohnt jetzt im heißen Yucca Valley. Er interessiert sich für unseren Mercedes GL – insbesondere für dessen Diesel-Motorisierung. Er überlegt, ob er sich den ML oder den GL als Selbstzünder zulegen soll. Leute wie Günter sprechen uns auf unserer Tour des öfteren an, das Interesse am Diesel scheint in den USA zu wachsen. Wir haben uns mit einem GL 350 Bluetec auf den Weg gemacht, nicht nur, um den Wagen kennenzulernen, sondern auch um Antworten zu finden auf die Frage, ob der Selbstzünder in Nordamerika eine Zukunft hat.

In den USA beinahe unauffällig

Der GL ist riesig – für deutsche Verhältnisse. Auf dem Highway fällt er zwischen einem Toyota Highlander und einem Nissan Armada nicht weiter auf, fügt sich gut ins Straßenbild ein. Ein großer Chrom-Stern stellt sich in die Luft, gefolgt von einer mittellangen Haube mit Entlüftungs-Öffnungen. Die Platzvorräte der Kabine sind schon von außen an dem kastigen Aufbau zu erkennen. Irgendwie ist der GL eines der am unauffälligsten gestalteten Mercedes-Modelle, was einem Wagen dieser Größe auch gut zu Gesicht steht.

Exzellente Qualität

Innen verdient sich der GL das Prädikat "opulent". Das gilt sowohl für die Qualität von Material und Ausstattung als auch fürs Platzangebot. Helles Leder macht den Innenraum freundlich, Echtholzeinlagen unterscheiden den Wagen signifikant von der einheimischen SUV-Konkurrenz. Hochwertigkeit prallt in den USA auf die grundsätzlich etwas anspruchsloser gestalteten Innenräume amerikanischer Wagen, die bereits nach einem halben Jahr schäbig aussehen – wer einen älteren Lincoln Navigator oder Cadillac Escalade von innen kennt, weiß, wie dort die Alterung im Zeitraffer-Tempo voranschreitet. Der Mann, der unseren Wagen nach der Wäsche mit einem Dutzend Handtüchern abtrocknet, fragt uns, warum so ein Wagen 80.000 US-Dollar kostet. Ganz klar: Der GL ist ein Oberklasse-Fahrzeug. Unser Wäscher meint, seine Nachbarn hätten auch so einen.

Mercedes GL 350 Bluetec: Sauber dieseln in den USA

Unendliche Weiten

Bein- und Kopffreiheit hält der GL vorne wie hinten in ausreichendem Maße bereit, selbst die elektrisch ausklappbare dritte Sitzreihe ist mehr als nur die sonst oft angebotenen Notlösungen – im GL halten es auch sieben Erwachsene aus. Sowohl die zweite als auch die dritte Sitzbank lassen sich umlegen, wobei die dritte Reihe zum topfebenen Kofferraumboden wird. Die Zweite bildet eine ganz leicht geneigte Ebene. Sind die Rücklehnen gefallen, breitet sich vor dem Betrachter ein unfassbar weites Ladeland aus. Das Raumangebot im Heckabteil ist gigantisch: 620 Liter bei fünf Sitzplätzen, 2300 Liter, wenn auch die zweite Reihe liegt.

Für richtige Langstrecken

In Sachen Sitzkomfort macht dem GL niemand was vor: Das Gestühl in erster und zweiter Reihe schont auch auf wochenlangen Fahrten Gesäß und Rücken. Genau mit der richtigen Festigkeit wird sämtlichen Ermüdungserscheinungen vorgebeugt. Sportlichkeit darf man hier nicht erwarten: Seitenhalt ist für die Beine gar nicht drin und für den Rücken nur mäßig. Aber wer in einem solchen Auto den Seitenhalt vermisst, sollte ohnehin seine Fahrweise überdenken. Der Fahrer erfreut sich eines Überblicks wie von einem Wachturm aus, andererseits zieht die hohe Bodenfreiheit eine hohe Ladekante am Heck des Wagens nach sich. Doch gibt es wenigstens keine Ladeschwelle, und der hintere Stoßfänger ist vor Kofferkratzern durch eine Platte aus echtem Edelstahl geschützt.

Mit Diesel unterwegs

Ein Dieselmotor, der nicht in einem der Eighteen-Wheeler-Trucks grummelt, ist in den USA noch noch immer ein Exot. Immerhin: Das Dilemma, dass die Selbstzünder nur dann erfolgreich sein können, wenn es genügend Tankstellen gibt, scheint ansatzweise gelöst. Noch 2008 mussten wir teilweise recht lange nach einer Diesel-Zapfsäule suchen. Und wenn wir eine gefunden hatten, dann war das ein ölstarrendes schrottreifes Ding auf der Rückseite des Kassenhäuschens. Dazu gab es auch noch gepfefferte Preise – Diesel war der mit Abstand teuerste Kraftstoff, kostete teilweise umgerechnet 80 Euro Cent pro Liter. Hier hat sich in kurzer Zeit enorm viel getan.

Mercedes GL 350 Bluetec: Sauber dieseln in den USA

Viele neue Diesel-Zapfsäulen

Die Zahl der Tankstellen, die Diesel führen, scheint ist erheblich gestiegen. Neue Zapfsäulen lächeln uns an – und wir lächeln zurück: Diesel ist beinahe zur billigsten Kraftstoffsorte geworden. Im Yucca Valley tankten wir für 2,899 Dollar pro Gallone, was nach jetzigem Kurs rund 54 Euro-Cent pro Liter entspricht. Nur 87-Oktan-Benzin ist mit 2,859 Dollar noch minimal günstiger. Doch noch haben längst nicht Tankstellen den besonders schwefelarmen Diesel im Angebot, den der GL benötigt. Bei der Suche helfen zum einen die Hinweisschilder an der Straße: Die "Gas-Exits", so heißen die Highway-Abfahrten zu den Tankstellen, oder auf dem Zapfsäulen-Symbolschild trägt die Säule ein dickes "D" auf dem Bauch. Auch hilft das Comand-System des Benz dabei, passende Zapfstellen zu finden. Zum einen werden in der Karte alle Diesel-Tankstellen gekennzeichnet, zum anderen lässt sich gezielt nach solchen Tankstellen suchen. Ganz nebenbei: Viele Orte lassen sich im Navi auch einfach über das Eingeben der Telefonnummer finden – ein hilfreiches Feature, welches allerdings für Deutschland nicht freigeschaltet ist.

Sauberer Sechszylinder

Unter der Haube des GL arbeiet ein Sechszylinder-Bluetec-Motor mit 3,0 Liter Hubraum – für amerikanische Verhältnisse ein kleines Aggregat. Und auch hierzulande gibt es einen 4,0-Liter-V8-Diesel mit 306 PS oder gar einen 5,5-Liter-V8-Benziner mit 388 PS für den GL. Wir sind mit 211 PS unterwegs. Und wir vermissen nichts: Der Euro-6-konforme Motor hat mit dem schweren Wagen keine Probleme, wir kommen gut weg vom Fleck: in 9,6 Sekunden sind wir von 0 auf 100 km/h, 540 Nm Drehmoment zwischen 1600 und 2400 U/min verfehlen ihre Wirkung nicht. Die höheren Motorisierungen machen den Wagen sicher spritziger, aber unser "kleiner" Diesel passt – schließlich kann ein Elefant auch nicht springen. Als Höchstgeschwindigkeit sind 210 km/h drin, was wir nicht ausprobieren - schließlich würden wir für diese auf der deutschen Autobahn legale Geschwindigkeit in den USA ins Gefängnis wandern. Damit der Diesel-Antrieb für Pkw in den USA eine Chance hat, muss er sauber sein – spätestens ein Blick in die Dauerdunstglocke über Los Angeles dürfte überzeugen. So wird beim GL 350 Bluetec durch Harnstoff-Zugabe in den Abgasstrang der Stickoxid-Ausstoß um 80 Prozent reduziert. Doch zugleich muss auch der Verbrauch stimmen.

Unter Normverbrauch

Die Amerikaner geben den Verbrauch in Meilen pro Gallone an. So soll der GL 350 Bluetec laut Herstellerangaben in der Stadt mit einer Gallone Diesel 17 Meilen weit kommen, was 13,8 Liter pro 100 Kilometer entspricht. Auf der Autobahn sollen 10,2 Liter fällig sein und kombiniert 12,4. Auf dem Highway kommen wir nach stundenlanger Tempomat-Fahrt 9,0 Liter pro 100 Kilometer. Obwohl die Klimaanlage mit der Kühlung des großen Innenraums des GL gut beschäftigt war, unterboten wir also den US-Normwert. Aber nach europäischem Fahrzyklus sollen dem Wagen auf der Autobahn 7,5 Liter reichen, in der Stadt sind 12,2 Liter gefragt und kombiniert werden 9,3 Liter aufgerufen. Den deutschen Autobahnwert überbieten wir damit, aber in der Stadt kommen bei uns 11,2 Liter zusammen – ein Liter unter der europäischen Herstellerangabe. Und wir sind nicht in irgendeiner Stadt unterwegs: San Francisco mit seinen heftigen Steigungen und den dazugehörigen nervenden Stoppschildern ist ganz sicher kein Spritspar-Paradies. Für ein SUV mit über 2,5 Tonnen Lebendgewicht sind diese Verbrauchswerte bemerkenswert klein.

Mercedes GL 350 Bluetec: Sauber dieseln in den USA

Perfekt abgestimmt

Eine Siebengang-Automatik kümmert sich im GL serienmäßig ums Schalten. Und sie kümmert sich gut: Nicht einmal ruckelt das Zahnradwerk, kein Verschalten, keine Suche nach dem richtigen Gang reißt uns aus unserem Schwebezustand. Auch in den steilen Straßen von San Francisco oder auf der ausgelutschten Offroadpiste neben der Eisenbahnlinie verliert die Automatik nicht ihre Souveränität. Zudem könnten wir über manuelle Schaltwippen ins Geschehen eingreifen. Aber so, wie wir den Wagen kennengelernt haben, sind die Paddles nicht für eine sportliche Gangart da, sondern taugen eher für die Dosierung der Motorbremse im Gebirge – wirklich gebraucht haben wir sie nicht.

Endlos schweben

2,5 Tonnen wiegt unser stattlicher Wagen – 2,5 Tonnen, die auf Luft gebettet sind. Das "Airmatic" genannte Luftfahrwerk ist Serie und hält die Risse im Asphalt von den Insassen fern. Ist auch noch der Tempomat eingeschaltet, schweben wir sanft dahin, als wären wir in einem Heißluft-Ballon unterwegs. Nur ausgewachsene Schlaglöcher oder Erdkuhlen im Gelände holen uns in die Wirklichkeit zurück, lassen die Räder leicht nach unten rumpeln – die erträgliche Kehrseite von einer Luftfederung in Kombination mit den auf dem US-Markt serienmäßigen 20-Zoll-Reifen (in Deutschland 18 Zoll). Und als wir einmal eine ziemlich ausgewaschene Offroad-Strecke ausprobieren, um an die Bahngleise der Santa Fe Railway zu gelangen, fahren wir das Fahrwerk auf Knopfdruck um 6 Zentimeter nach oben. Hier erleben wir auch die Geländefähigkeiten des des SUVs mit permamentem Allradantrieb, befahren eine Strecke, die sonst Pick-ups vorbehalten ist, die noch einen halben Meter höher liegen unser Auto.

Automatisch abgesenkt

Bei Geschwindigkeiten über 90 km/h wird der Wagen aus dem Normalniveau hingegen um 1,5 Zentimeter abgesenkt. Dies kommt auch dem Kurvenverhalten zugute: Der Dicke wankt weniger als erwartet – aber er wankt. Wir sind hier wirklich nicht in einem Wagen unterwegs, der auch nur ansatzweise vorgibt, sportlich zu sein. Das passt und ist ehrlich. Zum Stillstand kommt der GL, als wäre er gefühlt eine Tonne leichter: Kräftig, aber nicht brutal ruppig kommr der Koloss auf kurzem Wege zum Stehen. Ebenso zufrieden sind wir mit der Lenkung: Nie zu weich oder zu hart, sondern genau richtig können wir mit ihr den Wagen präzise durch die Kurven führen. Und im gewundenen Teil der Lombard Street in San Francisco wissen wir eine gute Lenkung zu schätzen – viel größer als unser GL dürfte ein Wagen, der hier heil herunterkommen will, auch kaum sein.