Modern Britain on Ice

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Weniger bekannt ist, dass ein großer Teil aktueller Rennsporttechnik (Formel 1, MotoGP, Rallye, alles) in GB gefertigt wird, und die Briten werden immer besser in modernem Industriedesign. Beispiel Jony Ive, der bei allen Apple-Geräten seit dem ersten iMac Feder führt. Beispiel Norman Foster, der den Umbau des Dresdner Hauptbahnhofs entwarf. Beispiel Mark Adams, der Opels/Vauxhalls schön gemacht hat. Beispiel BAC Mono, das vielleicht schönste aller Straßenfahrzeuge. Beispiel Adrian Morton, der die neuen Maschinen von MV Agusta zeichnet. Beispiel Aston Martin. Beispiel Jaguar. Es gibt in Großbritannien eine Kultur für gutes Design, die an ihren hellsten Brennpunkten die deutsche Braun-Schule schlichter, zeitlos inszenierter Funktion mit italienisch verspieltem Schwung kombiniert. Als etwa Herr Morton das MV-Design vom großen Tamburini übernahm, gab es keinen Bruch.

Diese Qualitäten versammeln sich im F-Type, zusammen mit typisch britischem Pragmatismus. Was mich in Deutschland so unendlich Nerven kostet, ist dieses "wenn es nicht PERFEKT sein kann, machen wir es gar nicht", denn damit machen wir sehr viel gut Machbares eben wirklich gar nicht, selbst wenn Perfektion gar nicht so wichtig ist. Ein Stuttgarter hätte nach einem Blick in Jaguars Kiste der verfügbaren Teile gerufen: "Ausgeschlossen! Ohne Doppelkupplungsgetriebe geht schon mal überhaupt nicht, wir brauchen drei Meteorologen für die Klimaanlage und diese mittelalterlichen Infotainment-Bildschirme mit ihren hagelkorngroßen Pixeln und ihren geologisch bemessenen Reaktionszeiten kommen mir nicht auf die Konsolen! Packt die Pläne für diesen Effteip wieder ein!"

Mehr laut, weniger Gurtpiepser

In Coventry war es jedoch anders. Die Achtgang-Automatik? It'll do. Man nimmt in Kauf, dass der F-Type beim Gas geben erstmal laut wird, bevor einen Augenblick später der Tritt ins Kreuz kommt. Es gibt ja auch noch den manuellen Eingriff, mit dem man einen Gang halten kann, bis seine untere oder obere Drehzahlgrenze erreicht ist. Ja, das Infotainment-System ist ein paar Jährchen alt. Who cares? Keiner kauft so ein Auto, weil der Computerkram so cutting edge ist. Musik spielt von iPod, Smartphone oder USB-Sticks, das Telefon bluthustet mit der Freisprechanlage, das Navi führt zum Ziel. Reicht. Internet? Smartphone benutzen. Funktioniert eh viel besser.

Ihre Zeit haben die Ingenieure in Formgestaltung gesteckt, in das Fahrverhalten und in die Klangausgabe des betörenden Jag-V8. Wenn der Motor lauter ist als der Gurtpiepser, hat jemand die richtigen Prioritäten gesetzt. Die meisten Vergleiche implizieren, dass Kunden zwischen einem 911 oder einem Boxster oder dem F-Type entscheiden werden, oder dass sie ihn gar statt eines schnittigen Haareschneiderautos wie dem TT erwägen. Das kann ich mir beides schwer vorstellen. Wer einen SLK fährt, wird im F-Type nach fünf Kilometern seine Herzpillen brauchen und zu Daimler zurückkehren. Wer in einem perfekt geometrisch gezeichneten Entscheidungsbaum am 911 angelangt ist, wird den F-Type erst gar nicht probefahren. Nein, die eigentliche Käufergruppe sind all jene, die Coolness unter dem Gefrierpunkt mit aufklappbarem Dach suchen. Dafür mussten sie bisher zu einem SLS AMG für den doppelten Preis schielen. (cgl)