Zäher Riese

Probefahrt im Opel Insignia Country Tourer

Der Opel Insignia Country Tourer lockt mit modischer Aufmachung und vergleichsweise günstigen Preisen. Im Alltag zeigt er viele Qualitäten und nur wenige Schwächen, zu denen der 210 PS starke Dieselmotor zählt

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Opel Insignia Country Tourer 19 Bilder

(Bild: press-inform / Grundhoff)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Wolfgang Gomoll
Inhaltsverzeichnis

Wenn es sie irgendwo noch gibt, dann hier, in Westeuropa. Anderswo auf der Welt spielt der Kombi so gut wie keine Rolle. Dabei gibt es durchaus noch immer gute Gründe für dieses Format. Der Opel Insignia gehört zu den größten Vertretern seiner Gattung. Für eine Ausfahrt stand er uns als modischer Country Tourer mit dem 210-PS-Diesel zur Verfügung.

Riesig

Die Suche nach Parklücken in einer deutschen Großstadt gehört sicher nicht zu den Vorzügen des Opel Insignia Tourer. Denn mit einer Länge von fast fünf Metern ist er alles andere als kompakt. Das merkt man auch beim Einparken und der mäßigen Übersicht nach hinten. Da hilft die 360 Grad-Kamera und im Verkehr, ergänzend zum Schulterblick, der Assistent, der vor Autos im toten Winkel warnen soll.

Die üppigen Abmessungen haben im Alltag natürlich auch ihre Vorteile. Der Kofferraum fasst zwischen 560 und 1665 Litern. Mit dem praktischen Schienensystem und den flexiblen Trennelementen lässt sich die Beladung des Kofferraums recht gut organisieren – gerade wenn der nicht voll ist. Die Ladekante ist angenehm tief, sodass man Gepäck nicht allzu hoch wuchten muss. Praktisch ist auch die Verstellmöglichkeit der Aufschwinghöhe der Heckklappe mittels eines Drehknopfs in der Fahrertürablage. Damit lässt sich bei flachen Garagendecken ein Anschlagen der Pforte an der Decke vermeiden. Schwingt die Klappe voll auf, können Personen mit einer Größe von 1,85 Metern darunter aufrecht stehen.

Bequem

Im Fond gibt es ausreichend viel Platz, alles andere wäre bei einem Fünf-Meter-Kreuzer auch eine Überraschung. Ganz so viel Bewegungsfreiheit wie im deutlich kürzeren Skoda Superb Combi gibt es hier allerdings nicht. Vorne reist man auf den aufpreispflichtigen AGR-Sitzen inklusive Massagefunktion sehr gut, auch wenn letztere kaum spürbar ist. Eine bequeme Sitzposition ist schnell gefunden.

Kleine Schwächen leistet sich der Insignia bei der Bedienung. Der Zeiger der Geschwindigkeitsanzeige wird auf einem Display dargestellt und ruckelt leicht. Das Head-Up-Display ist zwar hell genug, kann aber nicht Navigationsbefehle und Geschwindigkeit gleichzeitig anzeigen, was Opel demnächst ändern will. Wenigstens ersparen die Opelaner den Insignia-Fahrer die etwas billig wirkende Zusatzscheibe, wie sie beispielsweise BMW in die Modelle unterhalb des 3ers einbaut.

Das recht leicht zu bedienende Infotainmentsystem bietet keine Echtzeit-Verkehrsinformationen und glänzt auch nicht mit einer sensationellen Grafik. Allerdings verlangt Opel selbst für das große System zumindest vergleichen mit der Konkurrenz erstaunlich wenig dafür. Und die Einbindung von Apples iPhone klappt tadellos.

Zäh

Nicht so recht überzeugt hat uns der 210-PS-Diesel. Zwar gefällt er bei gleichmäßiger Fahrt mit guter Laufkultur, doch verglichen mit ähnlich starken Motoren der Konkurrenz ist der Antritt eher verhalten. Spätestens ab 190 km/h wird es ziemlich zäh, womit die meisten Menschen wohl gut leben könnten, wenn es darunter flott voranginge.

Auch die Höchstgeschwindigkeit von 228 km/h zeugt nicht von einem gewaltigen Leistungsvermögen. Zur Einordnung: Eine minimal kleinere Mercedes E-Klasse erreicht in „All-Terrain“-Aufmachung mit 194 PS sogar noch etwas mehr Tempo und ist auch im Standardsprint minimal schneller. Auch der Verbrauch auf unserer Ausfahrt von rund 9 Litern erscheint, gerade in Bezug dem Gebotenen, zu viel.

Euro 6c

Bei der Stickoxidnachbehandlung setzt Opel auf einen SCR-Kat. Während die schwächeren Dieselmotoren bereits nach Euro 6d-TEMP eingestuft sind, erfüllt der stärkste Diesel aktuell nur die ab September 2018 EU-weit für alle Neuwagen verbindliche Abgasnorm Euro 6c. Die Grenzwerte sind bei Euro 6c und 6d-TEMP gleich. Der Unterschied: Mit der Euro 6d-TEMP müssen die Autos die Einhaltung der Grenzwerte zusätzlich auf der Straße belegen. Wobei der Gesetzgeber den Herstellern ausgesprochen großzügig entgegengekommen ist. Der Stickoxidgrenzwert von 80 mg/km auf dem Prüfstand darf im RDE vorübergehend um mehr als das doppelte überschritten werden. Es dürfte aber nur eine Frage der Zeit sein, bis auch dieser Abgasstrang nach Euro 6d-TEMP zertifiziert ist.

Nicht hart

Das serienmäßige FlexRide-Fahrwerk mit den adaptiven Dämpfern erledigt seine Aufgabe gut. Selbst in der Dynamik-Einstellung „Sport“ ist der Insignia nicht über Gebühr hart. Viel Lob bekommt das LED-Matrix-Licht, das im Testwagen in der „Exclusive“-Version ohne Aufpreis enthalten war: Das Ausleuchten der Fahrbahn beziehungsweise „Ausblenden“ von anderen Verkehrsteilnehmern funktioniert einwandfrei. Auch die Ausstattung mit Assistenzsystemen ist zufriedenstellend: ein Spurwechsel- und aktiver Notbremsassistent sind ebenso vorhanden, wie ein adaptiver Tempomat, der allerdings – ebenso wie die Überwachung des Toten Winkel – nur bis zu einer Geschwindigkeit von 180 km/h funktioniert.

Der reichhaltig ausgestattet Testwagen kam auf einen Listenpreis von 59.940 Euro. Das erscheint viel, schließlich gibt es das Basismodell in dieser Aufmachung schon für knapp 35.000 Euro. Doch wer die Kombination aus Dieselmotor, Automatik und Allradantrieb haben möchte, muss zum 210-PS-Diesel greifen, der dann mindestens 42.825 Euro kostet. Gegenüber dem 170-PS-Diesel mit Automatik kosten Allrad und 40 PS mehr damit rund 3000 Euro Aufpreis.

Vergleichsweise günstig

Ohnehin erscheint der Opel vergleichsweise günstig kalkuliert. Ein kleinerer VW Passat Alltrack kostet mit 190-PS-TDI, DSG und Allradantrieb mindestens 44.875 Euro, eine ähnlich große Mercedes E-Klasse als E 220d 4Matic All-Terrain 58.280 Euro. Wie der Opel gibt es auch bei diesen Modellen die Ausführung mit reichlich unlackiertem Kunststoff nur in Verbindung mit dem Kombi. Aber das hält europäische Kunden in dieser Klasse ja nicht von einem Kauf ab.