„Ready to race“

KTM startet in die MotoGP

KTM startet am 26. März in der MotoGP. Die RC16 wurde in relativ kurzer Zeit entwickelt und verfügt als einziges MotoGP-Bike über einen Stahlrahmen. Leistung hat der V4 reichlich, nur an der Traktion mangelt es noch ein wenig

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Inhaltsverzeichnis

KTM startet am 26. März zum ersten Mal in der MotoGP-Klasse. Die Österreicher haben in relativ kurzer Zeit ein schlagkräftiges Team zusammengestellt und ein leistungsstarkes Motorrad entwickelt. Fernziel ist der WM-Titel.

Als Stefan Pierer 1992 die insolvente Motorradmarke KTM in Mattighofen übernahm, ersann er bald das Firmenmotto „Ready to race“. Klarer hätte er KTMs Ausrichtung zum Rennsport kaum formulieren können. Die Philosophie dahinter besagte, dass KTM Sportmotorräder entwickelt, die von jedem Käufer im Wettbewerb eingesetzt werden konnten. Die Basis des KTM-Werksmotorrads in der WM unterschied sich nicht von dem Modell im Laden. Das Konzept beschränkte sich über ein Jahrzehnt lang allerdings auf den Geländesport.

Im Enduro-Bereich erlangte KTM schließlich eine Marktdominanz, nicht nur im Verkauf, sondern auch im Sammeln von WM-Titeln. Das war der Zeitpunkt, an dem die Marke nur noch wachsen konnte, wenn sie auch reine Straßenmodelle bauen würden. Genau das tat KTM, aber auch in der Sparte legte der clevere Pierer Wert darauf, im Rennsport aktiv zu sein – denn eine bessere Werbung als einen WM-Titel gibt es für eine Marke nicht.

Sprung von der Moto3 in die MotoGP

KTM engagierte sich ab 2003 in der Klasse der 125cm3-Zweitakter, die ab 2012 durch die Moto3 mit 250-cm3-Einzylinder-Viertaktern ersetzt wurde. Mit beiden Motorkonzepten hatten die Österreicher bereits viel Erfahrung und es sprangen insgesamt zwei Fahrerweltmeisterschaften und vier Konstrukteurstitel in der kleinsten GP-Klasse heraus. Den einzigen Ausflug in die MotoGP unternahm KTM 2005, als sie ein halbes Jahr lang das Team Roberts mit 990-cm3-V4-Motoren belieferten. Die Zusammenarbeit endete aber rasch wieder.

Doch Stefan Pierer zeichnete sich schon immer nicht nur durch einen ausgeprägten Geschäftssinn, sondern auch durch ambitionierte Ziele aus. Als er 2014 verkündete, dass KTM mit einem eigenen Team in die MotoGP einsteigen würde, und zwar schon ab der Saison 2017, hatte ihn manch einer für verrückt erklärt. Doch die Reaktion hatte sich Pierer auch bereits vor rund zehn Jahren anhören müssen, als er erklärte, dass KTM zum größten Motorradhersteller Europas aufsteigen würde. 2015 hatte er dieses Ziel erreicht und seine Kritiker Lügen gestraft. Wenn Pierer eine Zielvorgabe macht, darf man sich darauf verlassen, dass er vorher gründliche Analysen betrieben hat und zuversichtlich ist, sie zu erreichen.

Der Eintritt in die MotoGP ist ohne Frage äußerst ehrgeizig. Schließlich hat KTM auf dem Gebiet abgesehen von einem Intermezzo 2005 keinerlei Erfahrungswerte und trifft auf Gegner, die schon seit Jahrzehnten in der Königsklasse aktiv sind. Doch in Mattighofen versammelte man eine schlagkräftige Truppe für das MotoGP-Projekt. Als eine der Schlüsselfiguren dient sicherlich Mike Leitner. Der Österreicher war elf Jahre lang der Crew-Chief von Dani Pedrosa bei Honda und verfügt über einen riesigen Erfahrungsschatz. Er ist genau der Richtige für den Posten des Team-Managers.

Der Nachteil des relativ kurzen Entwicklungszeitraums der RC16 wurde durch die hohe Motivation der Mitarbeiter wieder wettgemacht, wie die Beteiligten unisono berichten. In Mattighofen besteht zudem der große Vorteil, dass der Austausch mit den anderen Entwicklungsabteilungen – etwa dem für die Motocross-Maschinen – auf dem kurzen Dienstweg möglich ist: Man besucht in der Frühstückspause mit einer Tasse Kaffee die Kollegen und tauscht sich über ein akutes Problem aus. Muss kurzfristig eine Entscheidung gefällt werden, reicht meist ein Anruf bei der Schaltzentrale des KTM-Motorsports in Gestalt von Pit Beirer. Der Ex-WM-Motocrosser leitet seit vielen Jahren überaus erfolgreich die Geschicke des Sports der Marke. Sein direktes „okay“ ermöglicht dem Team dann umgehend die Weiterarbeit. Bei anderen Firmen würden erst einmal langwierige Meetings angesetzt und Entscheidungen vertagt werden.

Stahl statt Aluminium

Anders als die gesamte Konkurrenz geht KTM bei seinem MotoGP-Konzept einen ganz eigenen Weg und baut statt eines Aluminiumrahmens einen Stahlrohrrahmen. Darin haben die Österreicher enorme Erfahrung – sämtliche KTM-Modelle tragen einen Stahlrohrrahmen – und den wollen sie ausspielen. Gleiches gilt für die Federelemente der zum Mutterkonzern gehörenden Marke WP, die bislang noch keine MotoGP-Bikes bestücken konnte.

Das eigens etablierte Test-Team um den Finnen Mika Kallio war sehr fleißig und testete allein 16 verschiedenen Rahmen. Offensichtlich befindet sich die KTM RC16 aber auf dem richtigen Weg, bei den letzten offiziellen Testfahrten auf Phillip Island fehlten den beiden Werksfahrern Pol Espargaro und Bradley Smith 1,3 bzw. 1,4 Sekunden auf die Bestzeit von Maverick Vinales (Yamaha). Das sind im MotoGP natürlich noch Welten, doch niemand bei KTM erwartet, dass man sich schon im ersten Jahr vorne etablieren kann. Gelegentliche Platzierungen im Mittelfeld wären schon Achtungserfolg genug. Pierer macht keinen Hehl daraus, dass er Suzuki zum Vorbild erkoren hat. Die japanische Marke ist erst 2015 wieder in die MotoGP zurückgekehrt, hat aber bereits letzte Saison in manchen Rennen an der Spitze mithalten können und gewann sogar in Silverstone.

Das Red Bull KTM Factory Team besteht aus rund 40 Leuten und KTM investiert in der Saison etwa 30 Millionen Euro. Für die Entwicklung hat KTM neben Mika Kallio auch die erfahrenen Racer Tom Lüthi, Alex Hofmann, Randy de Puniet und Karel Abraham als Testfahrer eingesetzt. An Leistung mangelt es dem 990-cm3-V4-Motor nicht, er bringt es inzwischen auf rund 270 PS bei 16.000/min. Doch, wie Mike Leitner betont, kommt es auf die Harmonie von Rahmen, Federelemente, Elektronik, Reifen und Motorleistung an. Schließlich muss die brutale Kraft kontrollierbar bleiben. Im Punkt Fahrbarkeit zeigen sich Espargaro und Smith soweit zufrieden mit dem Ergebnis.

Viel Power, noch mangelnde Traktion

Einzig das Umlegen des Motorrads in die Kurve und die Traktion beim Herausbeschleunigen entspricht noch nicht ganz den Wünschen der beiden, aber daran arbeitet das Team gerade mit Hochdruck. Am 26. März erfolgt das Debut der KTM RC16 beim Rennen in Qatar. Dann werden sich die Früchte der knapp dreijährigen Entwicklungsarbeit zeigen, die mit einem weißen Blatt Papier anfing.

Natürlich wird es während der Saison Rückschläge geben, das ist normal bei einem Neueinsteiger. Vielleicht ist mal mit etwas Glück ein Platz in den Top Ten möglich. Doch im dritten Jahr hofft man bei KTM auch um Podiumsplätze mitfahren zu können. Das Fernziel lautet WM-Titel. Stefan Pierer sagte dazu: „Wenn es zehn Jahre dauert, bis wir die MotoGP gewinnen, dann fahren wir halt zehn Jahre mit.“ Wer jetzt darüber lacht, kann das ruhig tun – KTM hat schon mehrmals die Lacher eines Besseren belehrt.