Sportereignis: der Lotus Evora IPS

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Hethel (England), 8. Juli 2011 – Wir müssen etwas grübeln, um in der Geschichte einen Lotus mit automatisch schaltendem Getriebe zu finden: Von 1986 bis 1992 wurde der Excel SA mit einer Viergang-Automatik gebaut. Und jetzt fahren wir den Evora, mit seiner Sechsgang-Automatik, ob das mal gutgeht – ein Lotus ist schließlich kein Ausflugsdampfer. Wir gewohnt zieht der drahtige Sportler die Blicke auf sich, ohne aber auch nur ansatzweise prollig zu wirken. Flach liegt er auf der Straße, wirkt aber optisch deutlich geglätteter als die Elise. Bis mindestens 2017 wird der Zwei-plus-Zweisitzer das wichtigste Fahrzeug des exklusiven englischen Herstellers sein.

Guter Einstieg

Der Einstieg in den Evora klappt um Welten besser als der in die Elise, zumindest wenn dieser das Dach geschlossen ist. Allerdings müssen wir uns immer noch mit ein wenig Geschick über die breite Schwelle schlängeln. Hier sieht Wolf Zimmermann, von Mercedes AMG gekommener Entwicklungs-Chef bei Lotus, noch Spielraum: "Wir können trotzdem sportlich und eigenständig sein, auch wenn man in unsere Fahrzeuge zukünftig leichter einsteigen kann." Kleine Schwächen bei der Ergonomie, wie beispielsweise der rechts hinter dem Lenkrad versteckte Knopf-Block, wären auch noch zu beheben. Aber Lotus-Sprecher Andreas Maenner versichert uns: "Der Evora wird ab jetzt ständig verbessert, der Wagen ist viel zu wichtig für uns." Die vorderen Sitze sind sportlich bequem und das Lenkrad ist ein schönes kleines Rund.

Mit Fußstütze

Gegen Aufpreis gibt es eine Rückbank mit Anschnallgurten. Dort ist gerade mal Platz für kleine Kinder – 80 Prozent der Kunden ordern sie trotzdem. Auch bei auf Leichtbau spezialisierten Marken wie Lotus gilt für die meisten Kunden anscheinend: "Alles rein, was geht." Eine andere Neuheit wirkt unscheinbar, ist aber nicht zu unterschätzen: Im recht engen Evora-Fußraum gibt es beim IPS-Modell jetzt eine kleine Fußstütze. Schließlich fällt bei der Automatik-Version das Kupplungspedal weg. In den Varianten mit manueller Schaltung kann der Fahrer seinen Fuß nur vor der Pedalerie abstellen, nicht daneben.

Tolles Fahrwerk

Raus aus dem Lotus-Werk, ziehen wir zügig um eine Kurve – wir sind sofort eins mit dem Wagen. Ohne zu wanken, geben sowohl die präzise direkte Lenkung als auch das unglaublich ausgewogene Fahrwerk und das extrem steife Chassis Sicherheit. Den ersten Speed-Bumper in der Altstadt von Norwich gehen wir vorsichtig an – alle weiteren nehmen wir flotter, das Fahrwerk gibt sich in diesen Extremsituationen unerwartet gutmütig. Und die wohl dosierbaren sowie kräftigen Bremsen komplettieren das gute Bild.

Motor: Gut umgesetzt

In unserem britischen Wagen schlägt ein japanisches Herz: Der 3,5-Liter-Sechszylindermotor wird auch im Toyota Camry eingebaut. Lotus hat dem Aggregat das firmeneigene T6-Motormanagement verpasst und ihm die nötige Knurrigkeit und Spritzigkeit verpasst. 280 PS und ein maximales Drehmoment von 350 Nm umsorgen den rund 1400 Kilogramm leichten Wagen. In 5,5 Sekunden geht es von null auf 100 km/h, als Höchstgeschwindigkeit sind 250 km/h möglich. Die Unterschiede zum Evora mit Handschaltung sind minimal: Dort ist man in 5,1 Sekunden auf Referenztempo, maximal werden 261 km/h erreicht. Der Motor hinter uns grummelt genüsslich und die leichte Anfahrschwäche, die wir noch beim Handschalter gespürt haben, fühlen wir nicht. Der Verbrauch geht mit 8,8 Liter pro 100 Kilometer in Ordnung. Beim Handschalter würden 8,5 Liter fällig.

Automatik mit Charakter

"Man kann ruhig spüren, wenn die Automatik schaltet." sagt uns Entwicklungschef Wolf Zimmermann. Wir düsen durch die englische Landschaft und finden, dass sich die neue Sechsgang-Automatik unspektakulär in den Antriebsstrang fügt. Schließlich wird sie auch bei Toyota an den Camry-Motor gekoppelt. Außerdem kommt die U660E-Automatik noch im Lexus RX 350 zum Einsatz. Aber schon die Bedienung ist bei Lotus anders: Die Einstellungen "Neutral", "Reverse" oder "Drive" werden per Knopfdruck vorgenommen.

Dies kennen wir bisher nur aus dem Elektrorenner Tesla Roadster, der auf der Lotus Elise basiert und nur mit einer festen Untersetzung unterwegs ist. Geschaltet werden kann zudem serienmäßig auch über Schaltpaddles am Lenkrad. Nach zehn Sekunden ohne Paddleeingriff kehrt das Getriebe wieder in den Automatikmodus zurück. Lotus hat die Schaltung an den Motor angepasst – die Japaner liefern zwar die Hardware, haben aber keinerlei Daten rausgerückt. "Das Getriebe kam als Black-Box zu uns", so Zimmermann. Aber die Briten hat der Ehrgeiz gepackt, das Getriebe sollte etwas ganz Besonderes werden.

Auf Knopfdruck ganz anders

Nachdem wir uns von der komfortablen Herangehensweise der Automatik ausgiebig überzeugt haben, drücken wir den Sport-Knopf. Jetzt drehen die Gänge höher aus und werden mit einem spürbaren Rucken eingelegt. Außerdem sind jetzt Mehrfachschaltvörgänge über mehrere Stufen möglich. Genau das wollten die Lotus-Leute erreichen: Der Automatik sollte eine Charakteristik verpasst werden, die der eines automatisierten Schaltgetriebes ähnelt. Dabei dachten die Ingenieure nicht an die Systeme eines Smart, Citroën C5 oder Abarth Punto Evo, die beim Schalten ein Wippen verursachen, sondern eher an Ferrari und Lamborghini. An deren knackige Schaltvorgänge reicht die Lotus-Technik zwar nicht heran, aber wir haben das Gefühl, die tapferen Engländer haben das Beste daraus gemacht – und das Beste ist hier richtig gut.