Die Marke stand für Kutschen, Edelkarossen und Kriegsflug­zeuge

Spyker: Die Geschichte des Saab-Käufers

Saab-Käufer Spyker baut heute nur ein paar Dutzend Autos pro Jahr. Bis zum Konkurs 1929 stand die niederländische Marke für Kutschen, Edelkarossen und Kampfflugzeuge im ersten Weltkrieg

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  • rhi/ssu
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Zeewolde (Niederlande), 28. Januar 2010 – Neuer Herr im Hause Saab ist nach der Einigung mit GM das niederländische Unternehmen Spyker Cars. Den meisten Auto-Enthusiasten sind die ultramodern gezeichneten Supersportwagen der heutigen Automanufaktur bekannt, doch nur wenige kennen die Wurzeln der Marke Spyker.

Angefangen mit Kutschen fürs Königshaus

Die Ursprünge der Marke liegen in Amsterdam. Dort bauten die Brüder Jacobus und Hendrik-Jan Spijker, gelernte Kutschenbauer, ihr erstes Motorfahrzeug mit einem Benz-Aggregat. Schon bald wechselte man vom Kutschen- zum Autobau, daher wurde der Nachname in "Spyker" geändert, was im Ausland leichter zu merken und wohl auch auszusprechen war. 1903 überraschte Spyker mit dem 60/80 HP: Das Fahrzeug besaß einen Sechszylindermotor, Bremsen an allen Rädern und sogar einen permanenten Allradantrieb. Ein weiteres Highlight war ein Chassis, mit dem das Auto weniger Staub auf den damals noch unbefestigten Straßen aufwirbelte. Höhepunkt war 1907 der zweite Platz eines Spyker 14/18 HP Tourer bei der mörderischen Rallye Peking-Paris. In Großbritannien wurden die Fahrzeuge aus Holland als "Rolls-Royce des Kontinents" gelobt.

Kriegsflugzeuge und Konkurs

Mit Ausbruch des ersten Weltkriegs 1914 brach die Nachfrage nach Luxusautos zusammen, Spyker baute stattdessen nun Kampfflugzeuge. Zeitgleich entstand der noch heute gebrauchte lateinische Slogan der Marke: "Nulla tenaci invia est via", übersetzt: Für den Beharrlichen ist keine Straße unpassierbar. Dazu kam das Firmenlogo als Kombination aus einem Speichenrad und einem Propeller. Nach dem Krieg brachte Spyker den noblen C4 auf den Markt, dessen Motor Wilhelm Maybach entwickelt hatte. Doch es nutzte nichts, im Jahr 1929 musste Spyker Konkurs anmelden.

Spyker: Die Geschichte des Saab-Käufers

Neubeginn im Jahr 2000

Erst 75 Jahre später, im Herbst 2000, wurde wieder ein Auto mit dem Traditionsnamen vorgestellt, der Spyker C8 Spyder. Es folgten die geschlossene Version C8 Laviolette sowie der C12 LaTurbie und die SUV-Studie D12 Peking-to-Paris. Beide Zwölfender sind mit dem Sechsliter-W12 aus dem VW-Konzern bestückt. Jüngstes Produkt ist der 2009 gezeigte C8 Aileron, den es mittlerweile auch als offenen Spyder gibt. Beim Aileron kommt ein Audi-V8 mit 4,2 Liter Hubraum zum Einsatz, die Preise des hangearbeiteten Flitzers beginnen bei mindestens 226.088 Euro. Zu den Anteilseignern von Spyker Cars zählen übrigens der als Schöpfer des TV-Formats "Big Brother" bekannte Medienunternehmer John de Mol und das Öl-Emirat Abu Dhabi, das über eine Investmentgesellschaft 17 Prozent der Firmenanteile hält.

Ehrgeizige Ziele: Porsche als Vorbild

Der neue Besitzer von Saab nimmt sich deutsche Premium-Marken zum Vorbild, um Saab wieder in die Spur zu bringen. "Was ist mit Porsche? Wie kann ein kleiner Autohersteller, der in den 1980er Jahren an der Grenze zur Insolvenz stand, heute 100.000 Wagen im Jahr produzieren und großen Gewinn machen?" sagte Spyker-Chef Victor Muller der Financial Times (FT) zwei Tage nach der Einigung mit GM und fügte hinzu: "Wo war Audi vor 10 oder 15 Jahren? Nun verkaufen sie eine Million Autos." Der Absatz von Spyker beträgt bis dato jedoch nur einige Dutzend Autos pro Jahr, heißt es in dem Bericht weiter. Keine Erfolgschancen für den Neuanfang bei Saab sieht unterdessen Scania-Chef Leif Östling – der Lkw-Produzent hatte genau wie die Pkw-Sparte seine Wurzeln in dem Luftfahrt- und Rüstungskonzern Saab AB. Die Wiederbelebung von Saab sei eine "unmögliche Aufgabe", die er selbst für alles Geld der Welt nicht übernehmen würde.

Spyker: Die Geschichte des Saab-Käufers

Neue Modelle 2010 und 2012 geplant

Zuletzt waren die Verkäufe bei Saab von 95.000 Fahrzeugen auf nur noch knapp 40.000 eingebrochen, und die Schweden schreiben anhaltend hohe Verluste. Autoexperten sehen in einer exklusiveren Modellpalette die einzige Chance, dass das Unternehmen wieder hochkommt. In diesem Jahr soll eine Neuauflage des Topmodells 9-5 starten. Für 2012 ist die Neuauflage des kompakten 9-3 vorgesehen, den Muller der FT zufolge "as Saabish as possible" gestalten lassen will.

Alte Kunden zurückerobern

"Wir müssen nicht rausgehen und neue Kunden finden", sagte Muller. "Wir müssen nur die zurückgewinnen, die wir verloren haben." Saab-Kunden gehörten zu den markentreuesten und am besten informierten Autokäufern überhaupt, was man so deuten kann, dass GM viele von ihnen mit Qualitätsmängeln verschreckt hatte und durch den Einsatz von Großserientechnik Saabs Image als Marke für Individualisten auf der Strecke blieb.

Autoexperten rechnen damit, dass Saab sich gesundschrumpfen muss. Einen Schutz vor Stellenabbau gibt es dabei nicht. "Die Chancen auf Neueinstellungen sind aber viel höher als auf Kündigungen", sagte Muller. Von den Bändern im schwedischen Werk Trollhättan sollen nach seinen Vorstellungen schon bald wieder 100.000 Autos im Jahr rollen. Ohne die Übernahme durch Spyker hätte General Motors die Marke mit ihren noch 3400 Mitarbeitern abgewickelt.