E-Blitzstart

Start Praxistest: Opel Ampera-e

Wir starten einen vierwöchigen Praxistest mit einem Ampera-e. Wie schlägt sich der kleine Opel in der Praxis? Der erste Eindruck ist überaus positiv, denn der kleine Opel ist flott, leise und hat eine Reichweite von rund 400 km - sofern der Fahrer das will

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 266 Kommentare lesen
Opel Ampera-e 12 Bilder

(Bild: Lorenz)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Christian Lorenz
Inhaltsverzeichnis

Dieser Erfahrungsbericht besteht aus drei Teilen.

Teil 2: Elektrischer Alltag im Opel Ampera

Teil 3: Der Glöckner aus Rüsselsheim

Opel schockiert! Im Konfigurator gab es kurz vor dem von langer Hand geplanten Praxistest den Hinweis: „Aufgrund eingeschränkter Verfügbarkeiten ist Ihre Wunschkonfiguration ggf. nicht mehr erhältlich.“ In mehreren Foren ist zu lesen, dass Opel den Ampera-e in Deutschland nicht mehr anbieten will. Damit wäre dieser Test obsolet gewesen, denn ein Auto das es neu nicht und gebraucht kaum gibt, erscheint nicht so recht interessant. Doch die stets freundliche Pressestelle beruhigte uns auf Nachfrage: der Ampera-e bleibt im Programm.

Höllentrip

Zwei Stunden nach dem avisierten Übergabetermin ist es soweit. Der blaue E-Blitz biegt in meine Einfahrt. Der erste Eindruck: ein sympathischer Minivan. Im guten Sinne Opel ohne irgendwelche Crossland-„Eskapaden“. Ich mochte Opel eigentlich immer und habe dieses verbiesterte Spießerimage, das die Autos beim hauptsächlich vorurteilsgeleiteten Klientel hatten nie verstanden. Zu diesem unaufgeregt wirkenden Fahrzeug passt aber nicht, der Fahrer, der zwar auch souverän und freundlich agiert, aber offensichtlich einen Höllentrip hinter sich hat. Was er mit dem fatalistischen Lächeln des mehrfach Gescheiterten erzählt, schreibt zum großen Teil Drehbuch und Aufgabenbeschreibung für den Dauertest mit. Von Rüsselsheim nach München zu fahren kann offensichtlich auch mit dem per se zu den reichweitenstärksten BEVs gehörenden Ampera-e sehr nah an der Grenze des Machbaren liegen.

Opel verspricht für den Ampera-e eine Reichweite von 520 km. In der Praxis sind zwar, das ist nach drei Tagen Gebrauch schon klar, nicht wesentlich mehr als 400 km drin, aber immerhin. Opel hatte den Überführer natürlich nicht ohne genaue Kenntnis der Lademöglichkeiten auf dem Weg losgeschickt. Aber im wahren Leben sind eben Ladestationen manchmal besetzt oder auch nicht in Betrieb oder verlangen nach einer speziellen Bezahlkarte, die man als Durchreisender nicht hat oder alles zusammen in dieser Reihenfolge. Mein Kollege Clemens Gleich hat das erst kürzlich beschrieben.

Macht Spaß

Die nächsten Wochen wird es im Selbstversuch auch darum gehen, ob und inwieweit Mitte des Jahres 2019 E-Mobilität in Deutschland von der Infrastruktur her möglich ist. Das Stromern im Ampera-e macht von der ersten Sekunde an einen Heidenspaß. Besonders in der Wählhebelstellung „L“, in der der Ampera so stark rekuperiert, dass fast immer das Einpedalfahren möglich ist. Es ist entspannend und souverän, einfach nur mit der Fahrpedalstellung ohne auch nur ans Bremsen zu denken gleichmäßig, grünphasenantizipierend durch die Stadt zu stromern und über jene SUV-Fahrer zu schmunzeln, die einem erst in die Heckscheibe kriechen, um dann vor der Ampel noch zu überholen, vor der sie dann auf einen warten.

Die sind mit ihren sportlich mit allerlei S-R- oder GT-Lines aufgespritzten Premiumkachelöfen bei einem Spurwechsel leistungsmäßig auf einmal ganz klein, da sie zwar vielleicht 700 Nm Drehmoment haben, der Ampera aber seine 360 Nm gefühlt in einem Wimpernschlag freisetzt. Es ist zugegebenermaßen ein toller Anblick, einen formatfüllenden Agro-SUV im Rückspiegel schrumpfen zu sehen. Der Ampera-e präsentiert sich also als sehr angenehmer Begleiter, der einem nicht nur ein gutes Gefühl, sondern auch Souveränität vermittelt.

Ein gewisses Maß an Souveränität erfordert allerdings auch das Preis-Leistungs-Verhältnis des Ampera-e. Opel war lange Zeit das deutsche Synonym für „Viel Auto für´s Geld.“ Sicherlich muss man hier fair bleiben, denn ein ordentlich ausgestattetes E-Fahrzeug mit 60 kWh Batteriekapazität und einer realen Reichweite nahe 400 km kann derzeit nur Hyundai für unter 40.000 Euro (abzgl. der 4000-Euro-Prämie) realisieren. Der Hyundai Kona EV (Test) ist etwas günstiger und dürfte auch einer der Hauptkonkurrenten sein, wobei Hyundai momentan die Nachfrage kaum befriedigen kann.

Auch ein BMW i3 mit deutlich weniger Leistung und Reichweite kostet schon mindestens 38.000 Euro. Zumal Opel hier, anders als BMW beim i3 (Test), nur rundum ausgestattete Komplettvarianten anbietet und fast gänzlich auf eine Sonderausstattungsliste verzichtet. Der Testwagen verfügt über die teurere der beiden Ausstattungslinie „Ultimate“ und kommt so auf knappe 50.000 Euro abzüglich der 4000-Euro-Prämie für BEV. Da sind dann aber auch viele Features dabei, die man nicht unbedingt braucht. Die einzelnen Assistenz- und Infotainmentdetails werden in der weiteren Folge bei näherer Beschäftigung mit dem Dauertester folgen.

Einfach ausgekleidet

Ich frage mich nur, ob es für Opel nicht möglich gewesen wäre, dem Kunden, der so viel für seinen Ampera-e investiert hat, etwas mehr Ambiente zu bieten als in einem Crossland X. Der Innenraum ist sehr einfach ausgekleidet, kein Vergleich zu ähnlich teuren Autos mit Verbrennungsmotor. Der Ampera-e ist ein vernünftiger, vanartiger Kleinwagen wie ein Seat Arona (Test) oder ein Opel Crossland X mit der gleichen Formensprache und als solcher gut gemacht. Er kostet halt nur dreimal so viel. Da muss man bei aller Technikaufgeschlossenheit und dem vergleichsweise außerirdischen Antriebskomfort durch den E-Antrieb trotzdem schlucken.

Reichweite und Verbrauch erlauben am Anfang noch des Tests noch wenig belastbare Aussagen. Der erste Eindruck ist jedoch vielversprechend. Ich übernahm das Fahrzeug mit einem Durchschnittsreichweite von 5,6 km pro kWh, die auf 846 km Strecke ermittelt worden war. Wer diese in Amerika übliche Angabe auf die hierzulande gängige kWh/100 km umrechnet, kommt auf 17,86. Ich konnte bisher 30 km Stadtverkehr mit einer Reichweite zurücklegen, die zwischen 9 und 12 km pro kWh lag. Das heißt bei meinen Stromtarif, dass man für 3,10 Euro rund 100 km weit fahren kann. Wir werden das beobachten und freuen uns schon auf die weiteren Wochen mit dem Ampera-e.