Wir haben den Opel Ampera gefahren – und mehr über seinen Antrieb erfahren

Stille Reserve: der Antrieb des Opel Ampera

In den USA läuft der Chevrolet Volt bereits in Serie – sein Bruder Opel Ampera soll bei uns im Herbst auf den Markt kommen. Wir konnten Fahreindrücke sammeln und einen genauen Blick auf den Range-Extender-Antrieb werfen

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  • ggo
Inhaltsverzeichnis

Dudenhofen, 5. April 2011 – 42.900 Euro – das ist eine Menge Geld: Der Opel Ampera, der im Herbst 2011 auf den Markt kommen soll, konkurriert nüchtern betrachtet mit Kompaktwagen, die in dieser Leistungsklasse für etwa 25.000 Euro angeboten werden. Dabei muss man Opel nicht einmal Preistreiberei unterstellen. Die Differenz gibt wahrscheinlich nicht einmal die Kosten wieder, die für die Lithium-Ionen-Batterie mit einem Energieinhalt von 16 kWh anfallen. Dass die Opel-Entwickler diesen Preis für ein gutes Angebot halten, ist für Kunden sicherlich schwer nachzuvollziehen, aber zumindest technisch begründbar.

Zur Arbeit stromern

Im Opel-Testzentrum Dudenhofen hatten wir die Gelegenheit, den Ampera im schon sehr seriennahen Zustand zu fahren. Außerdem erhielten wir ausführliche Informationen darüber, wie der Antrieb denn nun genau funktioniert. Bis vor nicht allzu langer Zeit war man davon ausgegangen, dass es sich im technischen Sinne um einen rein seriellen Hybrid handelt. Das ist nicht der Fall und es gibt gute Gründe dafür.

Seine Ausnahmestellung verdankt der Ampera seinem Range-Extender-Antrieb. Er kann rein elektrisch betrieben zwischen 40 und 80 Kilometer weit fahren, abhängig ist das von Kriterien wie Fahrweise, Streckenprofil und den Anforderungen von Nebenaggregaten wie der Klimaanlage. Bei leerer Batterie springt ein Verbrennungsmotor an, der im Generatorbetrieb Strom erzeugt. Beim täglichen Weg zur Arbeit ist es durchaus realistisch, dass der Verbrennungsmotor selten etwas zu tun bekommt. Am Zielort angekommen, hängt man den Ampera an eine ganz normale Steckdose, nach maximal vier Stunden ist die Batterie wieder voll geladen. Ihr Energieinhalt wird übrigens nur etwa zur Hälfte genutzt, um die Lebensdauer der Batterie zu erhöhen, schließlich garantiert Opel eine einwandfreie Funktion über acht Jahre und 160.000 Kilometer.

Benzin-Tourist

Wie stark die Batterie den Preis beeinflusst, sagt Opel nicht. Die Faustregel 1 kWh = 1000 Euro dürfte aber nicht völlig in die Irre führen. Der Kunde bezahlt beim Ampera im Grunde einen Kompaktwagen mit Elektroantrieb, der zusätzlich noch einen Verbrennungsmotor an Bord hat, und dazu ein ausgeklügeltes Planetengetriebe für das Zusammenspiel der Antriebskomponenten. So gesehen kann er nicht billig sein, obwohl der Range-Extender-Antrieb eine deutlich kleinere Batterie als in einem reinen Elektroauto erfordert.

Anders als bei reinen Elektroautos ist das auch kein Problem. Bei leerer Batterie kann man noch etwa 500 Kilometer mit Benzin weiterfahren, bei einem Elektroauto sind solche Reitweiten fast illusorisch. Denn dafür bräuchten sie rechnerisch eine Batterie mit etwa 75 kWh Energieinhalt – ein gewaltiger Klotz, der allein so viel wie eine Luxuslimousine kosten und das Fahrzeuggewicht mehr als 800 kg anheben würde. Kein Wunder, dass Elektroautos im Markt bisher praktisch keine Rolle spielen, von hochspezialisierten Nischenfahrzeugen einmal abgesehen – denn sie sind einfach zu teuer. Das heißt allerdings noch längs nicht, dass die Menschen in Scharen den Ampera kaufen werden. Es leuchtet aber ein, dass die am Anfang stehende Technik der Range Extender ein pragmatischer Zwischenweg ist, der einer alltagstauglichen Elektromobilität die Türen öffnet.

Nah an der Serie

Die Amperas, die Opel vom Entwicklungszentrum in Mainz-Kastel mitgebracht hatte, sind von einem Serienfahrzeug eigentlich nicht mehr unterscheiden. Die Anmerkung eines Pressesprechers, wir sollten berücksichtigen, dass dies noch keine Serienmodelle seien, wirkt fast ein wenig kokett. Jawoll, die Verarbeitung macht einen guten Eindruck, es ist aber auch kein Wunder, denn der baugleiche Chevrolet Volt wird ja seit Dezember 2010 in den USA offiziell verkauft. Allenfalls bei der Abstimmung ist vielleicht noch nicht das letzte Wort gesprochen, in der Regel werden Autos für Europa ein wenig knackiger ausgelegt. So wirkt die Lenkung noch ein wenig synthetisch, das mag sich bei der endgültigen Europa-Abstimmung ändern. Die Feder-Dämpfer-Abstimmung ist komfortorientiert, der Opel-Entwickler auf dem Beifahrersitz hätte es gerne noch einen Hauch straffer – ich nicht.

Stiller Zeitgenosse

Im Innenraum des Ampera fallen vor allem die farbenfrohen Statusanzeigen im Display und ein modernistischer "Automatik"-Wählhebel in Alu-Optik auf. Die Sitzposition ist auffallend gut, Überraschungen bleiben bis auf das angemessen neuzeitliche Ambiente aus. Dem Druck auf den Startknopf folgt wie bei Elektroautos üblich akustisch nichts, wir fahren ohne jedes Spektakel los. Weil einige Kollegen die Batterie bereits "leer" gefahren haben, springt schon nach ein paar Metern der Verbrennungsmotor an und sorgt für leises Begleitgrummeln des ansonsten kaum zu hörenden Elektromotors. Opel hat den kleinen Vierzylinder hervorragend gezähmt – kein Vergleich zu dem Geplärre, das bei manch einem Serienhybrid im Markt unter Last zu vernehmen ist.

Es handelt sich übrigens um einen ganz normalen Ecotec-Vierzylindermotor mit 1,4 Liter Hubraum, der zwar ziemlich viel Platz beansprucht, aber kostengünstig zu haben ist. Die Ingenieure haben ihn allerdings in einigen, nicht näher erläuterten Details angepasst – zum Beispiel, um Probleme zu vermeiden, die bei längerer Nichtbenutzung eintreten könnten. Vermutlich wird der Motor zu diesem Zweck auch in bestimmten Zeitabständen ein Weilchen in Betrieb gesetzt, eine offizielle Bestätigung dafür haben wir aber nicht.

Schlummernde Kräfte

Wenn man im Range-Extender-Betrieb fährt, wird das Gros der vom Generator erzeugten Energie für den Vortrieb genutzt. Ab und zu wird ein wenig für die Batterie abgezwackt, um immer etwas Ladung in der Hinterhand zu haben. Obwohl der Vierzylindermotor den Generator nur mit 63 kW (86 PS) antreiben kann, stehen so in Beschleunigungs- oder Überholphasen die vollen 111 kW zur Verfügung. Selbst im Stadtverkehr scheint oft genügend Reserve vorhanden zu sein, um den Motor abzuschalten und rein elektrisch zu "segeln", wie es Entwickler gerne bezeichnen.

Das funktioniert am besten, wenn man am Wählhebel den "L"-Modus wählt, der beim Ausrollen stärker als das "D"-Programm rekuperiert. Störend ist übrigens, dass die Hebelposition nur im Zentraldisplay angezeigt wird, dabei aber je nach Statur des Fahrers vom Lenkrad verdeckt wird, eine Schwäche, die mit Leichtigkeit zu beheben wäre. Die Wirkung des "L"-Programms besteht in der stärkeren Bremswirkung beim Ausrollen. Im Vergleich zu einem konventionellen Antrieb ist das vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig, kommt aber der Rekuperation zugute und verleitet im positiven Sinne dazu, die Radbremsen seltener zu betätigen. Das sanfte Anbremsen vor Kurven oder Ausfahrten lässt sich meist mit dem Gaspedal bewerkstelligen.

Das "Gaspedal" hat ausgedient

Anders als verschiedentlich gelesen läuft der Verbrennungsmotor nicht in zwei festen Drehzahlbereichen. Tatsächlich können deutlich mehr stationäre Zustände angefahren werden. Dass überhaupt bestimmte, feste Drehzahlen gewählt werden, dient dazu, besonders günstige Wirkungsgradbereiche zu nutzen. Weil der Motor so leise zu Werke geht, fällt übrigens kaum auf, dass er der Fahreranforderung immer ein wenig hinterherzuhinken scheint. Das Ergebnis ist etwas ungewohnt, der Grund dafür aber leicht nachzuvollziehen: Der Fahrer befehligt ja mit dem Gaspedal die Elektromotoren, die Steuerung des Vierzylinders übernimmt die Antriebssteuerung nach eigenem Ermessen – wie überhaupt im Normalmodus der Fahrer keinen Einfluss auf das Zusammenspiel hat.

Darüber hinaus aber gibt es drei Programme, mit denen sich das Verhalten des Antriebs anpassen lässt. Im Sportmodus reagiert der Ampera spontaner auf das Gaspedal. Im Bergmodus wird auch im Range-Extender-Betrieb, also bei laufendem Verbrennungsmotor, der Ladezustand angehoben, damit beim Erreichen eines Berges genügend elektrische Energie zur Verfügung steht. Am interessantesten finden wir den Hold-Modus. Auch bei ihm schaltet man bewusst den Motor ein, hier aber, um einen gegebenen Ladezustand zu halten. Dies ist im Grunde ein Vorgriff auf zukünftige Regelungen, nach denen man vielleicht am Zielort nur noch rein elektrisch fahren darf. Prinzipiell ließe sich das mithilfe Navigation automatisieren, doch darauf verzichtet Opel derzeit.

Seriell und leistungsverzweigt

Auch der Antrieb kennt mehr Betriebszustände, als man ursprünglich erwartet hatte. Der Ampera, welch Skandal, hat keinen rein seriellen Hybridantrieb, in bestimmten Betriebsbereichen findet tatsächlich eine Leistungsverzweigung statt, ähnlich wie man sie von der Toyota-Hybridtechnik kennt. Vereinfacht gesagt – genauer ist es in der Bilderstrecke beschrieben – gibt es vier Betriebsmodi:

1. rein elektrisch,

2. rein elektrisch mit Leistungsverzweigung zwischen zwei Elektromotoren bei hoher Geschwindigkeit,

3. Range-Extender-Betrieb mit einem betriebenen Elektromotor,

4. leistungsverzweigter Range-Extender-Betrieb mit teilweisem Durchtrieb des Verbrennungsmotors.

Daran beteiligt sind das Planetengetriebe und drei Kupplungen, welche eine unterschiedliche Verschaltung der Motoren erlauben – also dem Verbrennungsmotor, dem Elektromotor mit 111 kW und dem Generator mit 54 kW, der auch als zusätzlicher Antriebsmotor fungieren kann. Die beiden "Ausnahmemodi" 2 und 4 kommen bei hoher Geschwindigkeit zum Einsatz, weil dort der Antriebs-E-Motor nicht mehr im optimalen Wirkungsgrad läuft. Bei geladener Batterie gibt es dann per Leistungsverzweigung Unterstützung durch den Generator, bei Range-Extender-Betrieb sorgt der Verbrennungsmotor für Entlastung.

Reine Abwägungssache

Im Grunde machen es GM und Opel bei hohen Geschwindigkeiten ähnlich wie Toyota bei ihren rein leistungsverzweigten Hybridantrieben: Das Planetengetriebe kann – grob vergleichbar einer Waage – die Beiträge zweier Motoren so verteilen, dass in Summe ein möglichst günstiger Wirkungsgrad entsteht. Dass dabei zeitweise der rein serielle Antrieb aufgegeben wird, spart Energie und ist aus Sicht der Entwickler nur folgerichtig. Was der Lohn all der Mühe ist, konnten wie bei unseren kurzen Fahrten noch nicht ermitteln.

Besonders spannend wird natürlich die Frage, wie hoch der Spritverbrauch im Range-Extender-Betrieb ist – und zwar ohne Einberechnung der elektrisch gefahrenen Strecke. Bisherige Erfahrungen einiger amerikanischer Kollegen deuten zumindest auf respektable Werte hin. Dass sich durch den billigen "Strom aus der Steckdose" der Mehrpreis des Ampera wieder zurückholen lässt, erscheint ziemlich theoretisch. Chevrolet Volt und Opel Ampera sind eher so etwas wie die ersten ihre Art, die sich deswegen der schnöden Kostenbetrachtung entziehen dürfen. Davon unabhängig können wir feststellen, dass der Ampera eine angenehme Erfahrung ist, weil der derzeit noch einmalige Antrieb sich bemerkenswert im Hintergrund hält, was so nicht unbedingt zu erwarten war.