Test: BMW M550d

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Vermutlich ist es keine allzu gewagte These, dass der Dieselmotor seine längste Zeit im Pkw hinter sich hat. Daran wird auch der Vorstoß von Bosch wenig ändern. Just zu dem Zeitpunkt, zu dem er abgasarm wie nie zuvor ist, wird er gesellschaftlich Schritt für Schritt aussortiert. Noch ist es allerdings nicht ganz so weit. Der BMW M550d zeigt dabei, auf welchem Niveau sich diese Technik inzwischen befindet und deutet mit seiner Aufladung auf die nahe Zukunft von BMW. Ganz nebenbei wird er als einer der Selbstzünder in Erinnerung bleiben, an die manch einer gern zurückdenken wird. So gesehen markiert er Anfang und Ende.

Aufladung im Quartett

Schon beim Vorgänger war der Aufwand beeindruckend, den BMW im Bereich Aufladung betrieben hat. Zwei kleine Turbolader für den niedrigen Drehzahlbereich und ein großer bedeutet hinsichtlich der Abstimmung schließlich einiges an Entwicklungsarbeit. Im neuen Motor wurden einige Dinge verändert. Es blieb bei zwei kleinen Turboladern, die schnell ansprechen und mit dafür verantwortlich sind, dass schon bei 1000/min 450 Nm anliegen. Neu ist, dass es nun zwei große Turbolader gibt, von denen einer permanent mitläuft. Der andere wird erst ab 2500/min zugeschaltet. Bei hoher Lastanforderung aus dem Leerlauf werden kurzfristig die beiden großen Turbolader mithilfe von steuerbaren Klappen umgangen und so schneller Ladedruck aufgebaut. Die beiden großen Lader sind kleiner als der große im Vorgänger. BMW verspricht sich davon ein verbessertes Ansprechverhalten.

Das Konzept von mehreren Turboladern wird sich künftig bei BMW auch an anderer Stelle wiederfinden. Der nächste 1er, der wohl spätestens auf dem Genfer Salon 2019 zu sehen sein wird, bekommt eine neue Plattform. Bisher teilte er sich diese mit dem 3er, künftig mit den Vans und dem X1. Das bedeutet quer eingebaute Motoren und das Ende des Reihensechszylinders in dieser Klasse. Um künftig auch jene Kunden zu erreichen, die bisher die Leistung eines M135i oder M140i genossen haben, wird BMW nichts weiter übrig bleiben, als den Zweiliter-Vierzylinder noch weiter unter Druck zu setzen – ganz so, wie es die Konkurrenz vorgemacht hat: Mercedes holt aus einem Zweiliter-Vierzylinder mittlerweile 381 PS. Der A 45 AMG ist eine krawallig-spaßige Kiste, die hohe Fahrkultur eines M140i erreicht er freilich nicht.

Unauffällig sauschnell

Im täglichen Umgang mit dem M550d fallen zwei Dinge recht schnell auf. Zum einen ist da natürlich das enorme Leistungsvermögen. Einem ziemlich engagiert gefahrenen VW Golf 7 GTI mit dem M550d gefühlt in Teillast folgen zu können, beschreibt den Eindruck nur unvollständig. Der stärkste 5er-Diesel entfaltet seine Kraft sehr unauffällig. Man ist mit ihm bei Bedarf sauschnell, bekommt aber erst mit dem Tempo des restlichen Verkehrs so richtig mit, wie flink dieser 1,9-Tonnen-Brummer tatsächlich ist. Kollege Florian, mit seinem privaten 60-PS-Corsa nicht unglücklich, berichtete, dass sich mit dem M550d der ihn umgebende Stadtverkehr auf einmal „seltsam zäh“ anfühlte, ja wie „in Honig getaucht“. Den Attacke-Modus kann man auf der Landstraße im Prinzip nie auskosten, sofern man halbwegs bei Verstand ist und einen Rest Verantwortungsgefühl hat. Das Ansprechverhalten ist exzellent, allenfalls aus dem tiefsten Drehzahlkeller ist noch so etwas wie eine leichte Verzögerung zu erahnen.

Bandbreite

Der zweite markante Punkt ist die gewaltige Bandbreite dieser Baureihe, die hier besonders deutlich wird. Wer den M550d zurückhaltend im Komfortmodus bewegt, bekommt eine leise und erstaunlich gut gefederte Limousine serviert. Gerade letzteres ist bemerkenswert, denn der M550d hat serienmäßig ein Sportfahrwerk und 19-Zoll-Felgen mit flacher Bereifung. Der Testwagen hat das adaptive Fahrwerk und 20-Zoll-Felgen. Der so ausgestattet Wagen ist zwar keine Sänfte, aber auch kein nervig omnipräsenter Untergrundinformant. Die Dämpfer sprechen fein auf kleine Unebenheiten an, geben dem Fahrer aber auch Rückmeldung. Gleichzeitig sind im Sportmodus Kurvengeschwindigkeiten möglich, die wahrlich atemraubend sein können. Das in diesem Modus auch die seitlichen Abstützungen der Sitze automatisch ein wenig enger gestellt werden, gehört wohl zur Folklore dieser Autogattung.

Es ist genau diese Bandbreite, die den aktuellen 5er ziemlich reizvoll macht. Das eint den M550d mit den restlichen Modellen dieser Baureihe, wobei er die „Flott“-Grenze natürlich viel weiter hinausschiebt als das einem 520d möglich ist. In dieser Hinsicht zeigt sich auch der Abstand zum schönen Jaguar XF, der weder in der einen noch in der anderen Disziplin die Grenzen den Machbaren so weit auslotet wie der 5er. Eine Mercedes E-Klasse ist, gerade mit dem teuren Luftfederungs-Fahrwerk, nochmals komfortabler, allerdings nicht so handlich wie der 5er. Der Fokus ist hier spürbar ein anderer.

Der Rest der siebenten 5er-Generation, die seit 2017 verkauft wird, ist wohlbekannt. Sie bietet noch mehr technische Spielereien als der Vorgänger und ist besser gedämmt. Dazu kommen etwas großzügigere Platzverhältnisse, feine Materialien und eine saubere Verarbeitung. Letzteres kann der Kunde erwarten, denn wie seine Vorgänger ist auch dieser 5er beileibe kein Schnäppchen.

M550d vs. 540d

Womit wir bei der Einordnung des M550d innerhalb der Baureihe wären. Vorschlag des stets zügig fahrenden Kollegen Christian: „Nehmen Sie den 540d mit M-Paket und versaufen Sie den Rest“. Da hätten dann allerdings auch Gewohnheitstrinker mit Hang zu teurem Alkohol eine Weile zu tun. Die Differenz von rund 20.000 Euro zum 540d schockt sicher nicht nur mich. Ausstattungsbereinigt wird der Unterschied etwas kleiner, aber für 80 PS mehr bleiben die rund 15.000 Euro Aufpreis trotzdem eine Menge Holz.

Zumal nüchtern betrachtet auch der 540d mit seinen 320 PS keine Spaßbremse ist. Allradantrieb ist in beiden Serie. Im Standardsprint trennen sie ganze 0,3 Sekunden, bei 250 km/h ist hier wie dort Schluss. Größere Differenzen gibt es beim Verbrauch: Der 540d ist im Zyklus mit 5,2 Litern angegeben, der M550d mit 5,9. Letzterer war im Test mit rund 7 Litern zufrieden, wenn er gar nicht gehetzt wird. Mit 8,5 Litern ist man schon recht flott unterwegs, mehr als 10 sind möglich, erfordern aber Vorsatz. Wie alle aktuellen 5er-Diesel bekommt auch der M550d einen Speicher- und einen SCR-Kat zur Reduzierung von Stickoxiden.

Preis und Wert von Extras

Der Testwagen war, wie so viele Autos für die Presse, mit nahezu allem ausgestattet, was die Preisliste hergibt, der Listenpreis dürfte bei knapp 110.000 Euro liegen. Ob man tatsächlich alles, was in diesem Auto eingebaut war, im Alltag braucht, entlarvt den Fragesteller als jemanden, der aktuell nicht vor der Zusammenstellung eines so teuren Autos steht. In dieser Preisklasse spielen, sehr zur Freude der Hersteller, ein paar tausend Euro mehr oder weniger keine kaufentscheidende Rolle mehr. Doch es geht nicht nur um den Preis, sondern auch um den Wert mancher Extras. Der Display-Schlüssel ist eine hübsche Spielerei, deren Akku man regelmäßig nachladen muss – dass Öffnen und Schließen klappt aber auch, wenn der Akku zu schwach für ein leuchtendes Display ist. Dafür ist er ganz schön klobig und kann nicht viel mehr als die BMW-App fürs Handy.

Das kleine Navigationssystem „Business“ ist serienmäßig, für eine Anzeige von internetbasierten Verkehrsdaten verlangt BMW 160 Euro zusätzlich. Wohl dem, der einen Verkäufer hat, der einen auf solche Feinheiten hinweist. Ich würde mich wohl unglaublich ärgern, wenn so etwas in meinem 100.000-Euro-Auto nicht drin wäre. Ärgerlich auch die Kopplung bei den Soundsystemen. Wer eine Anlage von Harman Kardon oder Bowers & Wilkins haben möchte, muss das große Navigationssystem „Professional“ nehmen. Das kleine HiFi-Lautsprechersystem, das in den anderen 5er-Modellen 490 Euro kostet, ist für den M550d nicht zu haben.

Nicht alle Helfer überzeugen

Meinen Kollegen Christian haben einige Assistenzsysteme nicht überzeugt. Mal wird ein Hindernis angezeigt, wo keines ist. Mal wird eine Geschwindigkeitsbegrenzung angezeigt, wo keine ist. Ferngesteuert ausparken funktioniert in seiner Garage nicht, weil da der Sender keinen Kontakt aufbauen kann. Ohne Schlüssel nur per Druck auf den Griff die Tür zu öffnen, funktioniert mal, mal nicht. Die Gestiksteuerung reagiert manchmal mit Verzögerungen, sodass ich mich frage, warum das Gehampel vor dem Bildschirm sein muss, wenn sich das viel schneller über die Tasten regeln lässt. Geht es nur noch um den Fortschritt um des Fortschritts willen?

Nicht falsch verstehen: Bei BMW funktioniert vieles meistens etwas besser als bei einigen anderen Herstellern. Aber es ist wohl die Krux unserer Digitalgeneration, dass wir uns damit abgefunden haben, dass die Dinge halt so ziemlich funktionieren, also mehr als nicht. Seinen Eltern, so argumentiert Christian, hätte das noch nicht gereicht. Früher wurde die Qualität eines Autos danach bewertet, dass alles funktioniert, was es hat. Heute muss ein Auto alles haben, aber wie gut es umgesetzt ist, scheint nur noch eine Minderheit zu interessieren. Das betrifft nicht nur BMW, fällt aber in einer so hochgerüsteten Umgebung wie im Testwagen besonders auf.

Die Redaktion hat Überführung und Spritkosten übernommen.