Test: Opel Astra CNG

Inhaltsverzeichnis

Die Sache könnte so furchtbar einfach sein: Wer bisher auf einen Diesel gesetzt hat, um günstig weite Strecken zu fahren, steigt einfach um auf Alternativen. Eine davon wäre ein Auto, das Erdgas als Treibstoff nutzt. Doch die Neuwagenkunden wollen das offenkundig nicht: Die Zuwachsraten sind bei Elektro-, Hybrid- und Gasfahrzeugen zwar durchaus nennenswert, die absoluten Zahlen aber bleiben gering. Gerade bei Erdgas ist das auf den ersten Blick unverständlich, auf den zweiten lassen sich die Ursachen allerdings schnell eingrenzen. Ein Test mit einem Opel Astra CNG zeigt dies.

Großer Vorrat

Für die Tankstellendichte kann Opel nichts. Hier stagniert die Zahl rund um 900. Das Ziel der im Mai 2017 von Volkswagen ausgerufenen Initiative, die zahlreiche Partner aus der Gas- und Mineralölwirtschaft unterstützten: Bis 2025 sollen 2000 CNG-Tankstellen eine Million Fahrzeuge versorgen. Davon sind wir aktuell weit entfernt. Im Astra ist der Erdgastank größer als im vergleichbaren Volkswagen-Trio, bestehend aus Seat Leon, VW Golf und Skoda Octavia. Hier passen 19 kg Erdgas in den Tank. Dafür ist der Vorrat an Benzin mit 13 Litern erheblich kleiner. Diese Aufteilung erscheint mir sinnvoller, denn schließlich rechnet sich der doch erhebliche Aufpreis gegenüber einem vergleichbaren Benziner nur dann, wenn man möglichst oft mit Gas fährt und Benzin nur im Notfall nutzt.

Im Alltag kamen wir mit minimal 3,8 Kilogramm 100 km weit. Das Szenario dafür bestand aus einer betont zurückhaltend gefahrenen Runde über Landstraßen. Damit liegt der Opel deutlich über dem, was wir im Octavia minimal erreicht haben. Dort waren es unter vergleichbaren Bedingungen 2,9 kg. Im Durchschnitt über alle Kilometer liegt der Opel auch etwas über dem Skoda, doch mit 4,5 zu 4,1 kg ist der Unterschied geringer. Das der VW Polo TGI nochmals etwas mehr verbraucht hat, liegt wohl unter anderem an stark unterschiedlichen Temperaturen im Testzeitraum. Den Polo sind wir bei bitterer Kälte im Februar 2018 gefahren, den Astra im Juni.

Vergleich mit dem Dreizylinder

Vor gut zwei Jahren hatten wir den damals recht frischen Astra mit dem Einliter-Dreizylinder in der Redaktion. Der ist mir als angenehm motorisiertes Auto in Erinnerung geblieben. Wer nicht die Ambition hat, an der nächsten Ampel besonders lange auf den zuvor zurückgelassenen Rest zu warten, wird mit dem drehfreudigen und nicht zu lauten 105-PS-Motor gut zurechtkommen. Für einen Motor im unteren Leistungsangebot lässt sich festhalten, dass er den Astra bereits recht anständig antreibt. Es wird immer Menschen geben, die mehr fordern, doch wer es nicht ständig eilig hat, wird hier bereits gut bedient.

Ähnlich wie beim Vergleich zwischen dem Seat Ibiza mit 95 PS und dem VW Polo TGI mit 90 PS liegen auch beim Astra zwischen dem Dreizylinder-Benziner mit 105 PS und dem Erdgas-Vierzylinder mit 110 PS Welten. Obwohl er mehr Leistung und Drehmoment zu bieten hat, fühlt sich der Erdgasantrieb im Astra regelrecht verklebt an. Unter 2000/min geht es vor allem bei kaltem Motor so zögerlich voran, dass man spontan an einen Defekt glauben möchte. Etwas Schwung in die Angelegenheit kommt erst bei 3000/min. Es gibt Kollegen, die stets schneller unterwegs sind als ich. Sie werden mit 110 PS vermutlich nie zufrieden sein. Mir reicht es meist, wenn ein Auto locker und unauffällig im Verkehr mitschwimmen kann. Der Astra mit dem kleinen Benziner erledigt das nebenbei und kann bei Bedarf eben noch zulegen. Beim Erdgas-Astra hatte ich aber das Gefühl, ihn schon beim Mitschwimmen fordern zu müssen – ihm fehlt einfach eine gewisse Leichtigkeit.

Schaltet man ihn um auf Benzin, wirkt der Antrieb freier. Es ist nicht so, dass er nun für Duelle auf der Autobahn gerüstet wäre, doch er schwimmt im Verkehr merklich leichter mit und wirkt bei der Erledigung von alltäglichen Aufgaben nicht so angestrengt. Wer mehr will, muss auch hier höher drehen, doch das ist in dieser Leistungs-Gewichts-Kombination vollkommen in Ordnung. Auf dem schmalen Grat zwischen genug und zu wenig, den jeder Fahrer für sich beschreiten wird, sind die beiden hier möglichen Wege für mich klar: Mit Erdgas betrieben wäre es mir zu wenig, mit Benzin noch okay. Die lockere Drehfreude, die den Dreizylinder so sympathisch macht, bietet dieser Vierzylinder allerdings nicht.

Hohe Anfangsinvestition

Der sparwillige Fahrer muss aber nicht nur mit einem zähen Antrieb leben, sondern vorher auch noch kräftig investieren. Opel bietet den Astra CNG nur mit zwei Ausstattungslinien an. Als Edition kostet er 25.090 Euro, als Innovation 27.415 Euro. Das sind über 4000 Euro mehr als für den Dreizylinder mit 105 PS. Allein über die Treibstoffkosten wird es geraume Zeit dauern, bis diese Differenz wieder eingefahren ist.

Eine grobe Beispielrechnung zur Orientierung: Benzin kostet im Juni 2018 Deutschlandweit laut ADAC 1,44 Euro je Liter. Erdgas kommt auf etwa 1,15 Euro je Kilogramm. Für einen Vergleich nehmen wir unseren damaligen Testverbrauch von 5,9 Litern an – die Astra-Fahrer bei Spritmonitor liegen meist in einem ähnlichen Bereich. 100 Kilometer mit dem Benziner kosten demnach 8,50 Euro, mit Erdgas etwa 5,18 Euro. Auf 100 km spart man also 3,32 Euro an Kraftstoffkosten. Auf dieser Basis fährt man den Erdgas-Aufpreis (Edition-Ausstattung: aktuell 4445 Euro) also erst nach etwas mehr als 138.000 Kilometern wieder rein, wenn man wirklich nur die Kraftstoffkosten miteinbezieht. Nicht eingerechnet sind dabei eventuelle Zusatzkosten bei der Wartung und regionale Förderungen.

Gute Sitze für wenig Geld

Abgesehen davon ist der Astra nach wie vor eine überlegenswerte Offerte in dieser Klasse. Die Verarbeitung ist insgesamt gut, im Testwagen war bei groben Erschütterungen ein sehr leises Quitschen aus der Tür zu hören. Wie leise? Meinem Kollegen Florian ist es nicht aufgefallen. Die guten Sitze mit dem AGR-Siegel (Aktion gesunder Rücken) sollte sich jeder Astra-Fahrer gönnen, zumal der Aufpreis mit 390 Euro für den Fahrersitz und 685 für beide Sitze vorn fair kalkuliert ist. In der Innovation-Ausstattung ist der auf der Fahrerseite sogar Serie.

Die breite C-Säule schränkt die Rundumsicht leider ziemlich ein – eine Mode, die wir schon oft kritisiert haben. Die Rückfahrkamera löst etwas grob auf und wird leicht dreckig. Ganz ehrlich? Wenn ich vor dem Einparken aussteigen muss, um die Linse zu säubern, möchte ich Controllern Sachen hinterherrufen, die Umstehende an meiner guten Kinderstube zweifeln ließen. Gleiches gilt für eine Einparkhilfe in Kombination mit der Auffahrwarnung, die einen Warnton von sich geben, der dem eines Rauchmelders nicht ganz unähnlich ist.

Wie gut, dass man den Ton mit einem Knopfdruck abschalten kann. Wie schlecht, dass er sich bei Geschwindigkeiten oberhalb von elf km/h eigenmächtig wieder einschaltet. Einzige Gegenmaßnahme: Vor jeder Fahrt das ganze Getröte deaktivieren. Ich glaube noch immer, dass der Testwagen kaputt war oder ich einen Bedienfehler gemacht habe. Dass sich an jeder Ampel die Einparkhilfe meldet, kann kein Mensch gewollt haben. Zumindest keiner, der es gut mit Opel meint.

TMCpro

Einen sehr seltsamen Eindruck hat auch das große Infotainmentsystem hinterlassen. Routenführung und -berechnung sind okay, doch Verkehrsmeldungen via TMCpro sind im Jahr 2018 nichts, für was ich knapp 1000 Euro ausgeben würde. Das serienmäßige Radio „R 4.0 IntelliLink“ bietet Android Auto und Apple Carplay. Damit lässt sich Google Maps nutzen – inklusive aktueller Karte und Verkehrsdaten. Da liefert dann auch der ein Zoll größere Bildschirm im teuren Navi keinen nennenswerten Kaufanreiz. Kartenupdates dafür gibt es nur beim Händler. Immerhin: Die sechs „Premium-Lautsprecher“ liefern einen halbwegs ordentlichen Klang.

Raum verschenkt

Der Astra bietet mit seinem ausgewogenen Fahrwerk und seiner insgesamt ordentlichen Dämmung gute Reisequalitäten. Das Platzangebot für die Passagiere ist im Rahmen dessen, was man in dieser Klasse erwarten darf. Die aktuelle Generation nutzt die vorhandene Verkehrsfläche geschickter als der Vorgänger, ohne neue Bestmarken zu setzen. Wirklich nennenswert ist allerdings die Einschränkung des Gepäckraums: Die Astra-Limousine mit konventionellem Antrieb fasst 370 Liter, mit Erdgas sind es nur noch 241. Beim Kombi sind es statt 540 nur noch 397 Liter. Klar, der Erdgas-Tank muss irgendwo hin, doch Opel verschenkt viel Platz. So gibt es riesige Styropor-Teile unter dem Ladeboden, um diesen zu begradigen. Das geht fraglos besser. Vielleicht nutzt Opel das für 2019 geplante Facelift, um solche Schwächen abzustellen.

Opel hat eine der beiden Überführungen übernommen, die Kosten für Erdgas die Redaktion.