Unterwegs im BMW i8

Der Vormacher

Jeder auf der Straße weiß: "Das ist ein BMW, und der ist irgendwas mit elektrisch". Wie sich die Kombination aus elektrischem Frontantrieb und verbrennungsmotorischem Downsizing-Heckantrieb im Alltag macht, haben wir ausprobiert

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  • Christoph M. Schwarzer
Inhaltsverzeichnis

Hamburg, 22. September 2014 – Bei Facebook lassen sich die Privatsphäre-Einstellungen verändern, im BMW i8 nicht. Fahrer und Mitfahrende sind immer öffentlich. Bei jedem Ampelhalt bleiben Passanten stehen. Manche machen ein Foto. Viele folgen mit dem Smartphone der Bewegung des i8. Sie filmen diesen Wagen, in dem Autofreunde die Auferstehung des M1 von 1979 feiern und Laien ein Bat-Mobil erkennen.

Bei jedem Aussteigen zeigt sich, dass BMW einen perfekten Imageträger geschaffen hat: Ohne die Details zu kennen, wissen alle Neugierigen genau zwei Sachen: Das ist ein BMW, und der ist irgendwas mit elektrisch. Es zahlt sich aus, dass die 2009 vorgestellte Vision Efficient Dynamics mit nur geringen Änderungen in ein Serienfahrzeug umgesetzt wurde. Die positive Aufmerksamkeit ist immens und perfekt geeignet, die Marke als innovativ und zukunftsfähig zu präsentieren.

Aber zuerst und zuletzt ist der BMW i8 einfach ein Auto. Ein Plug-In-Hybrid zum Grundpreis von 126.000 Euro mit „Pure Impulse“-Paket für 19.000 Euro. Für dieses Geld verkaufen die Münchner den in Leipzig gebauten Technikträger, der vieles vormacht, was so oder ähnlich in andere Modelle Einzug finden wird.

CFK-Elemente in immer mehr BMWs

Da ist zum Beispiel die Passagierzelle aus karbonfaserverstärktem Kunststoff (CFK) auf einem Aluminiumchassis. 1560 Kilogramm wiegt der i8 nach EU-Norm und damit so viel wie ein Porsche 911/ 991 Carrera 4S. Auch der BMW i3 setzt auf diese Materialmischung. Andere BMWs werden diesem radikalen Ansatz nicht sofort folgen, aber es ist absehbar, dass auch bei ihnen Teile wie Dach, Türen und Hauben künftig immer öfter aus CFK gefertigt werden.

Der BMW i8 schafft es also, trotz der gewichtstreibenden Batterie mit einer Bruttokapazität von 7,1 Kilowattstunden (netto: 5,2 kWh) nicht schwerer zu sein als der konventionell angetriebene Porsche. Im rein elektrischen eDrive-Modus, der über einen Knopf in der Mittelkonsole aktiviert wird, zieht der 96 kW (131 PS) starke Elektromotor an der Vorderachse den i8. Das Werk gibt eine Reichweite von 37 Kilometern an. Wir schafften bei energieschonender Fahrweise, trockener Straße und mit eingeschalteter Klimaautomatik zwischen 22 und 27 Kilometer. Das entspricht einem Verbrauch von 19,3 bis 23,6 kWh / 100 km. Dem Testwagen war lediglich ein Notladekabel mit Schukostecker beigelegt, wodurch sich eine Ladezeit von zwei Stunden und 45 Minuten ergab. Weniger langsam wäre es mit einem Typ 2-Kabel gegangen; das Werk gibt dafür unter zwei Stunden an.

Wählt man nicht bewusst den eDrive-Modus, ist nach dem Start automatisch das Comfort-Programm eingestellt. Damit ist der BMW i8 ein Vollhybrid. Er fährt ähnlich wie ein Toyota-Prius in Abhängigkeit des Ladestands bei niedrigen Geschwindigkeiten rein elektrisch. Wenn genug Energie im Pufferspeicher vorhanden ist, schaltet sich erst zwischen 60 und 70 km/h der Verbrennungsmotor zu – und was BMW da vor der Hinterachse verbaut hat, verdient einen genaueren Blick.

Hohe Literleistung, Hochvolt-Startergenerator

Der Dreizylindermotor mit einem Hubraum von 1499 Kubikzentimetern ist grundsätzlich mit der Maschine im Mini Cooper identisch. Dank größerem Turbolader erstarkt er hier auf 170 kW (231 PS), die höchste Literleistung im Konzern. Im Riementrieb an der Stirnseite des Motors sitzt ein zehn bis zwölf Kilowatt starker Hochvolt-Startergenerator. Er kann im Schiebebetrieb sowie beim Bremsen rekuperieren. Darüber hinaus arbeitet er neben seiner Grundfunktion als schneller Starter auch als Booster: Für eine kurze Zeit von unter einer Sekunde stellt er dem Verbrennungsmotor 100 bis 125 Nm Drehmoment zur Verfügung, die direkt über den Riemen auf die Kurbelwelle wirken.

Leistungsdellen, die durch die Massenträgheit des großen Turboladers entstehen, werden so glatt gebügelt. Und ganz nebenbei gibt BMW damit einen Einblick, wie man sich eine milde Hybridisierung aller BMWs vorstellen könnte: Statt eines relativ schwachen Anlassers, der in das Ritzel des Schwungrads eingreift und einer Lichtmaschine mit Riemenantrieb sitzt eine einzige, deutlich stärkere E-Maschine direkt im Riementrieb. Diese Lösung setzt Citroen seit 2005 (erstmals in C2 und C3) flächendeckend ein, Entwicklungspartner war der Zulieferer Gates, es folgten Valeo, INA, Denso und Bosch, wo man daraus das „Boost-Recuperation-System“ entwickelt hat. Heute fahren unter anderem auch Autos von Peugeot und Daimler mit dieser Technik und es ist anzunehmen, dass weitere Hersteller auf diesen Ansatz zurückgreifen werden.

Mittels Sechs-Stufen-Wandlerautomatik wird die Kraft auf die Hinterachse übertragen. Ja, mit Wandler – obwohl doch dieses hydrodynamische Anfahrelement je nach Betriebszustand mehr wertvolle Antriebsenergie in nutzlose Wärme verwandelt als die Reibscheiben eines Doppelkupplungsgetriebes. Es dürfte zu teuer geworden sein, ein eigenes Getriebe für den i8 zu entwickeln und für den Quereinbau stand nur der Wandlerautomat aus dem Mini F56 zur Verfügung.

Der Realverbrauch des i8 kann sich sehen lassen. Bei leerer Batterie lag der Benzinkonsum im Comfort-Modus zwischen 6,4 und 7,6 Litern. Diese Werte sind, anders als die NEFZ-Angabe von 2,1 Litern (49 g CO2 / km), auch darum wirklichkeitsnah, weil sich der BMW in diesem Modus am wohlsten fühlt. Er hat klare Gran Tourismo-Talente, man cruist gemütlich dahin, genießt den sanften Wechsel zwischen Motor an und Motor aus, und mit Hilfe des Soundgenerators klingt tatsächlich die Illusion eines Reihensechszylinders in den Innenraum.

Volle Power im Sport-Modus

Aber wehe, wenn der Schalthebel nach links gezogen wird. Dann färben sich die Rundinstrumente rot, der Verbrennungsmotor läuft permanent, und der Soundgenerator macht ein Gebrüll, das nach dem Geschmack des Autors zu laut ist und zu sehr an eine Playstation erinnert. Nur in diesem Sport-Modus sind die vollen 266 kW (362 PS) Systemleistung jederzeit verfügbar, und es geht beeindruckend voran. 4,4 Sekunden gibt das Werk für den Standardsprint an, und es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln.

Der Sport-Modus bietet sich immer dann an, wenn kurzfristig viel Leistung gebraucht wird. Ein Druck nach links, los geht’s. Zum Überholen, auf einer schnellen Runde, oder falls mal wieder jemand glaubt, es dem BMW i8 zeigen zu müssen. Auf Dauer aber nervt das künstlich veränderte Innengeräusch. Außerdem springt der Verbrauch auf zweistellige Werte zwischen 15 und 20 Litern. Angesichts des Tankinhalts von 30 Litern (gegen 100 Euro Aufpreis sind es 42) verzichtet man freiwillig.

Interessant: Weil im Sport-Modus mit dem Verbrennungsmotor auch der Hochvoltgenerator permanent mitläuft, ist die Batterie in kurzer Zeit wieder gefüllt. Wer also in einer Stadt keine Abgase erzeugen will, lässt den i8 vorm Ortsschild ein paar Minuten mit voller Power laufen. Das ist zwar ineffizient, aber es funktioniert.

Unpraktisch große Fahrzeugbreite

Neben der Freude am Fahren, die der BMW i8 in großem Maß vermittelt, müssen im Alltag Abstriche hingenommen werden. Die Breite von 1,94 Meter exklusive Spiegel zwingt zum jederzeit sauberen Spurfahren, und in Autobahn-Baustellen ist die rechte Bahn die einzig sinnvolle. In Parklücken wird es noch schwieriger: Die Flügeltüren lassen sich manchmal nicht vollständig öffnen, weil es zu eng ist, und dann wird der Ausstieg beschwerlich. Ein Witz ist auch der Kofferraum. Ähnlich wie beim Porsche 991/991 sind es die Rücksitze, die für den Transport herhalten müssen.

BMW zeigt mit dem i8, was die Entwicklungsingenieure können. Was den i8 so begeisternd macht, ist die Gestalt und der Mut von BMW, eine Studie eins zu eins in die Produktion umzusetzen. Der macht was her. Dass er beim Fahren nicht so richtig weiß, ob er Sportler oder Cruiser sein will, ist egal. Die internationalen Kunden wollen dieses Auto. Jetzt.

Was macht eigentlich Audi?

Die BMW AG hat die Überführung des i8 bezahlt. Für die Fahrenergiekosten ist der Autor aufgekommen.