VW Golf R in der Praxis

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Ellmau (Österreich), 27. Januar 2010 – Schon seit 2002 ist das Topmodell vom Golf nicht mehr der GTI, sondern trägt ein "R" in der Typenbezeichnung. Beim Golf IV und beim Golf V hieß er R32, mit Hinweis auf die 3,2 Liter Hubraum der Sechszylinder-Motoren. Doch in der Downsizing-Ära müssen zwei Liter Hubraum und vier Zylinder genügen. Der Benzin-Direkteinspritzer mit Turboaufladung ist ein alter Bekannter im Volkswagen-Konzern: Er treibt seit 2006 den Audi S3 und seit Ende 2009 auch den Seat Leon Cupra R an. Während er bei den Schwestermodellen – wie auch im Scirocco R – 265 PS leistet, sind es im Golf R noch einmal 5 PS mehr.

Leisetreter

Beim Anlassen des Motors ist ein kurzes Grummeln zu hören, doch dann zeigt sich das TSI-Aggregat klanglich eher unaufgeregt. Dem ein oder anderen wird der sonore Bass des Vorgängermodells R32 fehlen, doch auch das klangliche Understatement des neuen Top-Golfs ist nicht ohne Reiz. Was das R-Modell zu bieten hat, muss es ohnehin nicht lautstark kundtun, zumindest nicht im Alltagsbetrieb. Beim festen Tritt aufs Gaspedal hingegen liefert der Vierzylinder eine durchaus sportliche Akustik. In Verbindung mit dem Doppelkupplungsgetriebe DSG wird das vor dem Hochschalten auch noch durch ein kurzes Blubbern aus den Auspuffrohren untermalt: Es signalisiert eine kurzzeitige Zylinderabschaltung, um das Drehmoment vor dem Gangwechsel zu reduzieren.

Kraftprotz

Während der zurückhaltende Sound dennoch Geschmackssache bleibt, bietet der Antrieb kaum Anlass zur Diskussion: Der kompakte Sportler hängt gierig am Gas, bietet eine exzellente Beschleunigung (mit DSG in 5,5 Sekunden von null auf Tempo 100) und erweist sich als wahrer Kraftprotz. Das volle Drehmoment von 350 Nm – übrigens 30 Nm mehr als beim Vorgänger R32 – liegt über den sehr breiten Drehzahlbereich zwischen 2500 und 5000 Umdrehungen an. Ob auf der Autobahn, beim Überholen oder um des puren Fahrspaßes willen: Der Golf R stellt immer reichlich Kraft bereit. Bei Tempo 250 wird der Wolfsburger elektronisch abgeregelt – möglich wäre mehr.

VW Golf R in der Praxis

Sparsam(er)

Fast perfekt harmoniert der Antrieb mit den schnellen Gangwechseln des Sechsgang-DSG, das vor allem in der S-Stufe eine besonders sportliche Fahrweise erlaubt. Erfreulich ist, dass trotz der Mehrleistung gegenüber dem Vorgänger die Verbrauchswerte reduziert werden konnten – das war allerdings auch zu erwarten: 21 Prozent weniger Kraftstoffverbrauch gibt VW für den R im Vergleich an. So soll mit DSG ein Durchschnittsverbrauch von 8,4 Liter möglich sein. Ein paar zügige Sprints im hohen Drehzahlbereich lassen die Verbrauchsanzeige jedoch schlagartig nach oben schnellen. Wir hatten nicht die Gelegenenheit, echte Verbrauchstests durchzuführen, Erfahrungen mit anderen TSI- und TFSI-Motoren legen aber nahe, dass man praktisch eher bei 10 Liter Verbrauch landen wird, bei "artgemäßer" Fahrweise auch deutlich mehr.

Alle Viere

Der serienmäßige Allradantrieb sorgt für beste Traktion – und das sogar auf Schnee, wie wir feststellen konnten. Die alltagstaugliche Abstimmung des Sportfahrwerks überrascht anfangs. Die auf Wunsch erhältliche adaptive Fahrwerksregelung DCC passt die Dämpfung permanent an Fahrbahn und Fahrsituation an. Sie bietet etwas, was mit einer konventionellen Dämpfung nicht möglich ist: eine relativ weiche Einstellung, die bei Bedarf einer härteren Abstimmung weicht. Auf Knopfdruck lassen sich zudem die Einstellungen "Comfort" und "Sport" anwählen. Die letztgenannte fällt deutlich straffer aus, lässt den Wagen dafür förmlich auf der Straße kleben. Kurvenräubern wird so zum Kinderspiel. Das unten abgeflachte Ledervolant liegt griffig in der Hand, die Lenkung arbeitet direkt. Gut zupackende Hochleistungsbremsen übernehmen die Verzögerung. Vorne kommen Bremsscheiben mit 345 Millimeter Durchmesser zum Zuge, an der Hinterachse sind es 310-Millimeter-Scheiben.

VW Golf R in der Praxis

Unaufdringlich

Von außen setzt der Golf R auf einen nicht zu aufdringlichen Auftritt. Vom R32 wurden die beiden mittig am Heck platzierten Endrohre übernommen. Weitere Erkennungsmerkmale sind im Vergleich zum herkömmlichen Golf modifizierte Stoßfänger, große Lufteinlässe an der Front, Seitenschweller und ein Dachspoiler. Außer serienmäßigen Tagfahr-LEDs vorne kommen erstmals in einem Golf auch Rückleuchten in LED-Technik zum Einsatz. 18-Zoll-Räder im Fünf-Speichen-Design legen den Blick auf die Bremsanlage mit schwarz lackierten Sätteln frei. Auch der Innenraum wurde wohldosiert aufgewertet: Applikationen aus Alu, Chrom und Klavierlack sorgen für ein sportliches Ambiente. Das Rot der Instrumentennadeln wurde durch leuchtendes Blau ersetzt. Fahrer und Beifahrer nehmen auf Sportsitzen mit eingesticktem R-Logo Platz. Für 3150 Euro extra stehen zudem Schalensitze bereit, die den Körper stramm im Griff haben.

Preislich fast ein Audi

Nicht nur den Antrieb übernimmt der Golf R von seinem Schwestermodell Audi S3, auch preislich orientiert sich der Wolfsburger Kompaktsportler eher an den Premiummarken als an der klassischen Kompaktwagenkonkurrenz: Für den dreitürigen Golf R fordert VW mindestens 36.400 Euro, mit DSG werden ab 38.275 Euro fällig. Zwei Türen mehr kosten jeweils 765 Euro Aufpreis. Der dreitürige Audi S3 ist mit 37.650 Euro also bereits in Sichtweite. Ford verlangt für den 305 PS starken Focus RS (nur als Dreitürer) hingegen 35.900 Euro, Seat für den Leon Cupra R (ausschließlich als Fünftürer) lediglich 30.190 Euro. Die beiden letztgenannten müssen jedoch auf einen Allradantrieb verzichten.