Verkehrsminister Hermann kritisiert Merkel und DUH

Die Kanzlerin ist für den Grünen-Politiker Hermann im Kampf für saubere Luft ein rotes Tuch. Die Christdemokratin lehnt sein favorisiertes Instrument zu Luftreinhaltung, die Blaue Plakette, ab. Aber auch mit der CDU im Land könnte Zoff bevorstehen

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Verkehrsminister Hermann kritisiert Merkel und DUH
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Von
  • dpa

Nach Kritik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an der Blauen Plakette hat Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) ihr fachliche Inkompetenz vorgeworfen. „Sie ist seit ihrem Ausscheiden aus dem Amt der Umweltministerin 1998 nicht mehr in allen Themen up to date, vor allem was Umwelt- und Klimaschutz angeht“, sagte Hermann der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart.

Baden-WĂĽrttembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (GrĂĽne)

(Bild: Winfried Hermann)

Die Kanzlerin begründete ihre ablehnende Haltung jüngst mit Problemen bei den Kontrollen der Fahrzeuge. Die auch von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) boykottierte Plakette ermögliche im Gegenteil eine einfache Kontrolle, weil alle Fahrzeuge, die die Stickoxid-Grenzwerte überschreiten, diesen Aufkleber eben nicht bekommen, konterte Hermann.

In Stuttgart und Umgebung wĂĽrden nach seinen Worten bereits jetzt etwa zwei Drittel der zugelassenen Fahrzeuge eine Blaue Plakette nach dem von Baden-WĂĽrttemberg vorgeschlagenen Konzept erhalten. Fahren dĂĽrften demnach alle Diesel der Abgasnorm Euro 6 sowie alle anderen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor ab Euro-3-Norm.

Hermann hält es für möglich, dass sich das Blatt für die Blaue Plakette nach der Bundestagswahl wendet. „Dass wäre die erste Wahl, nach der sich gar nichts ändert.“ Noch sei nicht ausgeschlossen, dass die Grünen künftig im Bund mitregieren können.

Hermann rügte auch das Verhalten der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Diese poche zwar zu Recht im Sinne des Gesundheitsschutzes auf Einhaltung der Grenzwerte, reite ansonsten aber ausschließlich auf Fahrverboten für Dieselfahrzeuge herum und drohe die Republik mit Prozessen zu überziehen. „Das ist nicht die richtige Antwort auf die komplexen Probleme, die wir mit dem Verkehr und der Luftreinhaltung in den Städten haben.“ Die DUH hatte am Mittwoch die Landesregierung noch einmal aufgefordert, kurzfristig Fahrverbote für Diesel-Autos in Stuttgart einzuführen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) müsse das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart annehmen und die Fahrverbote zum 1. Januar 2018 umsetzen.

Hermann betonte, die schwarz-grüne Landesregierung habe sich noch nicht entschieden, wie sie mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts umgehe. Neben den Optionen der Berufung beim Verwaltungsgerichthof in Mannheim und der Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht nannte er auch die Möglichkeit, das Urteil zu akzeptieren.

Bei der Entscheidung über die von Nordrhein-Westfalen im Rechtsstreit mit der DUH beantragte Revision beim Bundesverwaltungsgericht sei er insbesondere an der Frage interessiert, ob die Länder stellvertretend handeln müssten, wenn der Bund in Sachen Emissionsschutz trotz Grenzwertüberschreitungen und Bürgerklagen untätig bleibe.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) habe die Einführung der Blauen Plakette mit den Worten vom Tisch gewischt: “Sie glauben doch nicht, dass ich mich zum Fahrverbotsminister machen lasse.“

Auf die Frage, ob der Umgang mit dem Stuttgarter Richterspruch zum Zankapfel in der schwarz-grünen Koalition werde könne, antwortete Hermann: “Das halte ich nicht für ausgeschlossen.“ Sein Haus werde die vierwöchige Frist nach dem Eingang der seit kurzem vorliegenden Begründung des Urteils nutzen, um dieses fachlich und juristisch zu prüfen. „Wir werden nichts überstürzen“, schrieb er der DUH und dem Koalitionspartner CDU ins Stammbuch. CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart hatte sich bereits für eine Berufung ausgesprochen.

Hermann warnte davor, die Diskussion auf die Frage „Fahrverbote ja oder nein“ zu verengen und dabei den öffentlichen Nahverkehr, Rad- und Fußgängerverkehr aus dem Blick zu verlieren. Es gehe vielmehr um den Wandel hin zu einer umweltfreundlichen Mobilität. (fpi)