K 70: Der Volkswagen von NSU ist heute seltener als ein Mercedes 300 SL Flügeltürer

Volle Kante

Es gibt kaum sachlicher gestaltete Autos als den K 70. Das lässt die Limousine auch heute noch modern aussehen. Auf der Oldtimerrallye Silvretta Classic überwiegen zwei Reaktionen. Entweder: Lustig, diesen VW kenne ich ja gar nicht! Oder: Toll, ein K 70, lange nicht mehr gesehen!

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Von
  • Florian Pillau
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Gaschurn (Österreich), 18. Juli 2013 – "Schön ist der nicht gerade" urteilt mein Teamkollege Fabian beim Anblick des goldenen VW K 70 in der Tiefgarage. Es gibt kaum sachlicher gestaltete Autos als den K 70. Das lässt die Limousine auch heute noch modern aussehen. Auf der Oldtimerrallye Silvretta Classic überwiegen zwei Reaktionen. Entweder: Lustig, diesen VW kenne ich ja gar nicht! Oder: Toll, ein K 70, lange nicht mehr gesehen! So einen hatte ich mal!

Eigentlich ein NSU zwischen allen Stühlen

Aber nicht nur das klare Design sorgt dafür, dass der K 70 bei VW-Liebhabern zwischen den Stühlen steht. Sein kurzes Leben von fünf Jahren fällt just in die Phase vor Golf und Passat und läutet - noch ganz schüchtern - Volkswagens größten Paradigmenwechsel ein. Und eigentlich ist er gar kein VW. Die spannende Story des K 70 beginnt Anfang 1965 bei NSU in Neckarsulm. Dort ist man mit dem kleinen Prinz erfolgreich gewachsen, aber Mitte der 1960er-Jahre wollen die Kunden mehr Auto, passend zu immer mehr Geld in der Lohntüte. Der Trend geht klar zur Mittelklasse ab 1,5 Liter Hubraum, wo etwa Opel mit dem Rekord abräumt. Aber das Konzept des Heckmotor-Wagens ist bei NSU ausgereizt, es soll etwas Modernes her. Das bedeutet viel Platz für die Familie, vier Türen und Frontantrieb.

Ende 1966 ist das neue Auto als Holzmodell fertig, sein Design stammt hauptsächlich von Hermann Bühler, einem engen Mitarbeiter von Claus Luthe. Luthe arbeitet zeitgleich am legendären NSU Ro 80. Tatsächlich sind optische Parallelen zur größeren Wankel-Limousine nicht zu übersehen, doch mit seinem kubischen Design soll der K 70 weniger polarisieren. Der Name K 70 steht fast sinnbildlich hierfür: Was wie eine Kunstfaser klingt, steht für "Kolben" und die Größeneinordnung unterhalb des Ro 80. Statt eines Wankelmotors kommt ein konventionell gestrickter Benziner mit 1567 Kubikzentimeter Hubraum zum Einsatz, der zunächst 90 PS leisten soll. "Keine Experimente" lautet die Devise, schließlich soll der K 70 möglichst viele Kunden ansprechen. Experimentiert wird lediglich in der NSU-Designabteilung: Fest eingeplant ist ein Kombi namens K 70 F, aber es werden auch Schrägheck-Varianten entworfen, die ein wenig den späteren VW Golf vorwegnehmen.

Die Dresdner Bank holt den K 70 nach Wolfsburg

NSU ist mit seinen modernen Entwürfen Volkswagen mit seinen mittlerweile fast zu Tode evolutionierten Vorkriegskonstruktionen zwar weit voraus, allerdings fehlt das Geld. Die aufwendige Entwicklung von Wankelmotor und Ro 80 hat bereits die Reserven gekostet, rund 30 Millionen Mark werden für den K 70 veranschlagt. Im März 1969 soll die Produktion starten, der Kombi Mitte 1970 folgen.