FAQ nach vorläufigem Ende für „Blaue Plakette“

Lange trotzt das Umweltministerium in Sachen blauer Diesel-Plakette der Kritik, nun will man sich doch nach Alternativen umsehen. So oder so: Für das eigentliche Problem hinter dem Streit muss dringend eine Lösung her

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Vorläufiges Ende für ?Blaue Plakette?: Wie geht's weiter?
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Teresa Dapp, dpa

Die Ansage kam überraschend: Aus der blauen Plakette, die „saubere“ Diesel auszeichnet, wird vorerst nichts. Begründung: Die aufgeregte Debatte lenke vom eigentlichen Problem ab.

Worum geht es im Kern?

Die Luft in deutschen Großstädten ist schlecht – so schlecht, dass die EU über Vertragsverletzungsverfahren Druck macht, Grenzwerte endlich einzuhalten. Dabei geht es einerseits um Feinstaub, andererseits um Stickstoffdioxid (NO2). Das Gas kann unter anderem zu Atemproblemen führen und Pflanzen schädigen. Diesel-Motoren sind eine Hauptquelle für Stickoxide. Das Umweltbundesamt hat 2015 an 57 Messstationen in Deutschland eine Überschreitung des NO2-Jahresgrenzwerts gemessen. Derzeit werden Grenzwerte dem Umweltministerium zufolge in rund 80 Städten überschritten.

Was hat das Umweltministerium geplant?

Die Idee war, eine blaue Plakette für Autos mit relativ niedrigem Schadstoff-Ausstoß einzuführen. Die Plakette hätten voraussichtlich Autos mit Ottomotoren, Elektroautos und Diesel-Pkw nach Euro-6-Norm bekommen. Umweltzonen einzurichten, in die nur noch Autos mit blauer Plakette fahren dürfen, wäre Sache der Kommunen gewesen – die Bundesregierung hätte ihnen lediglich die Möglichkeit dazu gegeben. Mehrere Städte hatten gegenüber der Deutschen Presse-Agentur Interesse bekundet. Es gibt in Deutschland schon 53 Umweltzonen, in denen nur Autos mit grüner Plakette fahren dürfen, zu denen verschiedene Fahrzeuggruppen gehören.

Wer hat was dagegen und warum?

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) führt die "Blaue Plakette" erstmal nicht ein. Das Bild zeigt sie mit Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), einem Plakettengegner.

(Bild: Bundesministerium Verkehr und digitale Infrastruktur)

Ärger gab es von vielen Seiten. Unter anderem protestierten Autoindustrie, ADAC, das Baugewerbe, das Handwerk, verschiedene Wirtschaftsverbände und nicht zuletzt Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Die Rede war unter anderem vom einem Diesel-Fahrverbot in Innenstädten, das etwa Lieferanten und Baufirmen an der Arbeit hindern würde. Der Geschäftsführer der Umwelthilfe Jürgen Resch, hält dagegen: Nachrüsten sei möglich.

Warum gibt das Umweltministerium den Plan erst mal auf?

Die Debatte um schlechte Stadtluft habe sich zu sehr auf die blaue Plakette konzentriert, sagt ein Sprecher, „als wäre sie das einzige Mittel“. Daher habe man ein Zeichen geben wollen, dass man kompromissbereit sei – damit wieder sachlich über die Verbesserung der Luftqualität diskutiert werde. Der Sprecher betonte auch, dass das Vorhaben nicht komplett vom Tisch sei.

Bleibt die Luft in der Stadt jetzt so ungesund?

Umweltschützer befürchten es. Die Förderung des Radverkehrs oder Modernisierung von Bussen müssten zusätzlich sein, nicht stattdessen, sagt etwa Jens Hilgenberg vom BUND. Allerdings drohen Deutschland Strafen, wenn EU-Grenzwerte weiter überschritten werden. Die Verkehrs- und Umweltminister der Länder sollen jetzt einen Kompromiss finden. Am 6. und 7. Oktober ist in Stuttgart die nächste Verkehrsministerkonferenz, da wird die Luftqualität sicher Thema sein.

Welche Vorschläge gibt es?

Dobrindt sagt, man solle nicht Fahrzeuge aus der Stadt verbannen, die dort nur selten fahren, sondern besser Busse, Taxen, Behördenfahrzeuge und so weiter auf alternative Antriebe umstellen. Der ADAC hält „Verkehrsverflüssigung“, Stichwort „grüne Welle“ an Ampeln“, und moderne Abgas-Technologie für gangbare Wege.

Hat das was mit dem Abgasbetrug bei Volkswagen zu tun?

Inzwischen ist klar, dass sehr viele Diesel-Autos mehr Schadstoffe ausstoßen, als auf dem Papier angegeben. Wenn die Abgasnormen nicht funktionierten, dann könnten die Kommunen auch die Stickoxid-Werte nicht weiter senken, wenn sie den Verkehr umlenkten, sagt ein Sprecher des Umweltministeriums. BUND-Experte Hilgenberg zufolge gibt es das Problem mit den Grenzwerten gar nicht, wenn die Normen Euro 5 und Euro 6 im Stadtverkehr tatsächlich eingehalten würden. (fpi)