Wie sicher ist Wasserstoff als Energieträger in einem Brennstoffzellenfahrzeug?

„... und alles explodiert!“

Wasserstoff als Energieträger weckt Skepsis. Elon Musk, Gründer der Elektroauto-Firma Tesla Motors, behauptet, Wasserstoff sei „eine schreckliche Wahl, weil er hochentzündlich ist“. Solche Statements nähren die Frage: Wie gefährlich ist Wasserstoff denn wirklich?

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Von
  • Christoph M. Schwarzer
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Hamburg, 20. Januar 2015 – „Wer mit großen Energiemengen hantiert, sollte prinzipiell vorsichtig sein.“ Daniel Hustadt bringt es auf den Punkt. Damit meint er nicht nur den Wasserstoff, für dessen reibungslose Abfüllung er an der Tankstelle in der Hamburger Hafencity verantwortlich ist. Benzin, der beliebteste Autosprit Deutschlands, ist brandgefährlich. Mit Dieselöl (und Kunstdünger) kann schlimmer Unfug getrieben werden. Und elektrochemische Speicher, also Batterien, pferchen immer mehr Energie auf immer engerem Raum zusammen. Wir bunkern viel Energie im Auto, um vom Fleck zu kommen. Das ist grundsätzlich nicht ungefährlich.

Ein Molotow-Cocktail beeindruckt uns. Niki Laudas Feuerunfall bleibt in Erinnerung. Trotzdem lässt uns der Benzintank kalt. Wasserstoff als Energieträger aber weckt Skepsis. Elon Musk, Gründer der Elektroauto-Firma Tesla Motors, spielt mit der Angst und provoziert im SPIEGEL: Wasserstoff sei „eine schreckliche Wahl, weil er hochentzündlich ist“. Bei einem Leck, so Musk, sammele sich das Gas unter der Garagendecke. „Dann steckt sich jemand eine Zigarette an, und alles explodiert.“ Solche Statements nähren die Frage: Wie gefährlich ist Wasserstoff?

Hierbei müssen zwei Aspekte betrachtet werden: Zum einen der Tankvorgang und zum anderen das Auto selbst.

Wasserstoff ist extrem flüchtig

„Ich habe ein sicheres Gefühl, selbst falls Leckagen auftreten sollten“, erklärt Daniel Hustadt. Ist doch klar, möchte man meinen, denn Hustadt ist Projektleiter der von der Vattenfall Europe Innovation GmbH betriebenen H-Tankstelle in der Hafencity. Aber so einfach ist das nicht. Das Gefühl Hustadts gründet sich auf Fakten und Argumente.

Mit Technik von Linde werden an der Oberbaumbrücke zurzeit rund 1,2 Tonnen Wasserstoff pro Monat verkauft. Abnehmer ist unter anderem die Hochbahn, die damit elektrische Busse des öffentlichen Nahverkehrs antreibt. Die Anlage kann bis zu 260 Kilogramm Wasserstoff pro Tag produzieren – und das ist die Besonderheit: Hier wird der Energieträger nicht von Tanklastzügen angeliefert, sondern durch Elektrolyse aus grünem Strom vor Ort fabriziert.

Der entscheidende Sicherheitsvorteil von Wasserstoff ist, dass er extrem flüchtig ist. Es ist das chemische Element mit der geringsten Atommasse. Klein und 18-mal leichter als die Umgebungsluft möchte es einfach nur weg. Und so ist es kaum möglich, die untere Zünd- oder Explosionsgrenze von gut vier Volumenprozent zu erreichen. Sollte es dennoch zur Entzündung kommen, ist die Deflagration, also der schnelle Abbrand, wahrscheinlicher als die Detonation.

Zurück zur Vattenfall-Tankstelle in Hamburg. Hier sind alle beweglichen Teile und Schraubverbindungen belastet. Dass diese regelmäßig überprüft werden, ist normal. Und auch beim Tankvorgang wird getestet: Zu Beginn, wenn man die Zapfpistole aufgesetzt hat, erfolgt ein so genannter Prüfstoß. Damit checkt das System, ob alle Leitungen inklusive der Verbindung zum Druckgastank im Fahrzeug dicht sind. Sollte das nicht der Fall sein, macht die Anlage sofort zu.

Fünf Mal dichter als ein Benzintank

Ach ja, die Dichtigkeit: Sie ist angeblich mangelhaft. Ein Brennstoffzellenauto, so das Klischee, steht nach zwei Wochen mit leerem Tank da. Dieses falsche Bild stammt noch aus den 90er Jahren. Damals experimentierte man mit verflüssigtem Wasserstoff, der bei tiefsten Temperaturen gelagert werden sollte. Die unvermeidliche Erwärmung führte dann zum so genannten „Boil-off“. Aber das ist vorbei. Weltweit hat sich die Autoindustrie auf die Druckspeicherung bei 700 bar (bei Nutzfahrzeugen 350 bar, zum Vergleich Erdgas: 200 bar) geeinigt.

Nach Auskunft von Audi, wo man jüngst den Prototypen A7 h-tron vorgestellt hat, halten diese Speicher den Wasserstoff über Jahre und sind fünf Mal dichter als die von Benzin. Batterie-elektrische Fahrzeuge dagegen leiden bei längerer Standzeit unter einem sinkenden Ladestand („Vampire Drain“).

Die Autohersteller nehmen mögliche Sorgen gegenüber der Technik sehr ernst. Toyota etwa unterstützt Erklärungsvideos im Internet. Seien Sie unbesorgt, lautet die Botschaft. Und auch Mercedes macht deutlich, dass eine „mit diesel- und benzinbetriebenen Fahrzeugen vergleichbare Sicherheit gewährleistet werden kann“, so Professor Christian Mohrdieck, Leiter Antriebsentwicklung Brennstoffzellensystem bei der Daimler AG. Das schließe alle Betriebsbedingungen ein, so Mohrdieck, auch „das Abstellen in Garagen und Parkhäusern.“

Gute Chancen für einen Verlässlichkeitbeweis

In der chemischen Industrie, heißt es weiter, sei der sichere Umgang mit Wasserstoff seit über hundert Jahren gängige Praxis. Außerdem habe das Gas eine deutlich höhere Zündtemperatur als Benzindampf. Dennoch, sagt Christian Mohrdieck, wäre „jede Art von Energiespeicher, egal ob konventionell oder alternativ, grundsätzlich brennbar und daher mit Sorgfalt zu behandeln.“

Ab 2017 will Mercedes eigene Serienfahrzeuge anbieten. Man hat dort den kompletten Antriebsstrang fertig entwickelt und so weit verkleinert, dass Brennstoffzellenstack, Elektromotor und Nebenaggregate unter die Haube und in die Aufnahmepunkte der Limousinen passen. Nur wegen der Kosten hatte man den ursprünglich geplanten Marktstart 2014 verschoben. Eine Kooperation mit Ford und Nissan-Renault, durch die höhere Stückzahlen zu Stande kommen, soll dieses Problem nun lösen.

Aus rationaler Sicht ist das Fahren mit Wasserstoff also mindestens so ungefährlich wie das mit Benzin. Am Ende gilt, dass der Antrieb auf der Straße und im wirklichen Autoleben seine Verlässlichkeit beweisen muss. Die Chancen dafür stehen sehr gut.