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Köln/Pesaro, 14. Dezember 2015 – Der kleine Löwe von Benelli ist wieder da. Um die traditionsreiche italienische Marke war es sehr still geworden, doch auf der EICMA in Mailand präsentierte sie vier neue Modelle, darunter die bildschöne Leoncino.

Die Marke aus Pesaro an der Adriaküste gehört zu den Zweiradpionieren. 1911 wurde das Familienunternehmen von der Witwe Teresa Benelli gegründet, um ihre sechs motorradverrückten Jungs mit einer Werkstatt versorgt zu wissen. Ab 1921 fertigte die Marke eigene Motorräder und holte im Laufe der Jahrzehnte sogar einige Weltmeister-Titel. Doch es lief in den späten 1960er Jahren nicht mehr rund und 1971 kaufte Alejandro de Tomaso (ja, der mit dem Sportwagen Pantera) die Firma. Benelli baute 1974 mit der 750 Sei das erste Serien-Sechszylindermotorrad. Mitte der 1980er Jahre musste die Marke Insolvenz anmelden, doch 1992 erwarb die reiche Unternehmerfamilie Merloni die Rechte an Benelli und stellte zunächst Motorroller her. 2002 wagte man erneut große Motorräder zu bauen mit dem Sportler Tornado Tre 900, der von einem Dreizylinder befeuert wurde. Zwei Jahre später gelang mit dem radikal designten Naked Bike TnT ein echter Coup. Aber leider stand Benelli finanziell auf wackeligen Beinen und so wurde die Marke 2005 an den chinesischen Motorradhersteller Qianjiang (QJ) verkauft. Die Chinesen fuhren Benelli zweigleisig weiter. Zum einen ließen sie weiterhin Motorräder in Italien fertigen, produzierten aber auch in Fernost für den chinesischen Markt zugeschnittene neue Modelle mit kleineren Hubräumen unter dem Namen Benelli.

Eigenständig konstruiert

Die Leoncino im Scrambler-Look darf sicher zu den schöneren Krädern der diesjährigen EICMA gezählt werden, und doch ging sie im Trubel der Modellschwemme der großen Marken unter. Benelli benannte die Leoncino nach einem Vorbild aus den 1950er und 1960er Jahren, denn Retro-Bikes sind zurzeit en vogue. Wer eine gewisse Ähnlichkeit zur Ducati Scrambler sieht, liegt zwar nicht ganz falsch, aber die Leoncino ist eigenständig konstruiert, mithilfe des des neuen Design-Zentrums „CentroStile Benelli“ in Pesaro.

Die Leoncino wird von keinem der bewährten Benelli-Dreizylinder angetrieben, auch von keinem luftgekühlten V2 wie bei der Konkurrenz aus Bologna, sondern von einem in Pesaro komplett neu entwickelten, flüssigkeitsgekühlten Zweizylinder-Reihenmotor mit 500 Kubikzentimetern Hubraum. Zwei Nockenwellen und vier Ventile pro Zylinder arbeiten im Zylinderkopf. Der kompakte Motor steckt in einem einfachen Gitterrohrrahmen, aber bei einem Scrambler im Retro-Look sind die simplen Lösungen meist die besten. Der wie beim Vorbild rundliche Tank geht fließend in die Heckpartie über. Die Sitzbank macht einen bequemen Eindruck und ist auf der Fahrer-Sitzfläche mit mehreren Nähten und einer flauschigeren Oberfläche abgesetzt. Das Heck selbst ist kurz. Die Leoncino soll schon optisch so wirken, als würde sie kein Gramm zuviel mit sich herumschleppen. Eine Gewichtsangaben hat Benelli zwar noch nicht verlauten lassen, aber geschätzt dürfte die Leoncino vollgetankt um die 190 Kilogramm auf die Waage bringen.

Cleverer als die Kollegen aus Bologna

Für das Gewicht sollten die von Benelli angegebenen 48 PS bei 8500/min und 45 Nm bei 4500/min ausreichen. Bei einem Scrambler geht es schließlich um leichte Beherrschbarkeit. Außerdem passt die Leoncino somit in die Führerschein-A2-Klasse.

Vorne federt eine Upside-down-Gabel mit üppigen 50 Millimeter Durchmesser. Hinten stützt sich das Federbein direkt an der Schwinge ab, die aus zwei übereinander geschweißten Rohren besteht. Schwarze Drahtspeichenfelgen tragen zu einem stilechten Auftritt bei. Die Kraft wird bei der Leoncino per hydraulischer Ölbad-Kupplung und Sechsganggetriebe übertragen.

Für die Präsentation wurde der Scrambler mit sehr grobstolligen Conti TKC 80 besohlt. In die Serie dürften es die Reifen zwar nicht schaffen, wegen ihrer eingeschränkten Fahreigenschaften auf Asphalt, wohl aber die Reifendimensionen, vorne in 110/80-19, hinten in 150/70-17. Hier waren die Benelli-Entwickler cleverer als ihre Kollegen aus Bologna, die der Ducati Scrambler einen fetten 180er-Hinterreifen zumuten. Sieht vielleicht cool für die Straße aus, aber es gibt keine Geländereifen in dieser breiten Dimension.

Wie die historische Leoncino trägt sie auf einer schwarz abgesetzten Fäche ein Benelli-Emblem mit dem Löwen am Tank. Um den knappen, runden Scheinwerfer mit LED-Tagfahrlicht sind kleine LED-Blinker und eine flache TFT-Instrumenteneinheit gruppiert. Der an der hinteren Bremszangenhalterung befestigte Kennzeichenträger besteht nicht aus billigem Plastik, sondern, wie der Rahmen, aus schwarz lackierten Stahlrohren. Mit ihren Brembo-Vierkolbenbremssätteln an zwei 320er-Wave-Bremsscheiben am Vorderrad dürfte die Leoncino gut verzögern.

Eine wahre Augenweide ist der Auspufftopf, aus dessen Endkappe zwei kleine Rohre ragen. Lediglich die Schweißnähte des Auspuffsammlers hätte man etwas dezenter brutzeln können. Wie liebevoll die Designer beim Entwerfen der Leoncino vorgingen, zeigt sich auf dem schmalen Vorderrad-Schutzblech: Der Löwe aus Benellis Firmenemblem steht drauf, ebenfalls wie bei der Leoncino der 60er-Jahre. Ob das der TÜV durchgehen lässt, muss abgewartet werden.

Dünnes Händlernetz

Den offiziellen Preis hat Benelli noch nicht bekannt gegeben, gerüchteweise soll er bei 6000 Euro liegen und damit dürfte die Leoncino am europäischen Markt sehr gute Chancen haben. Der Haken an der Sache ist das dünne Händlernetz in Deutschland. Bleibt zu hoffen, dass die wenigen Benelli-Vertragshändler hierzulande nächstes Jahr ausreichend versorgt werden.