Wüste Tour im Dacia Duster

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Marrakesch (Marokko), 16. April 2010 – Ein Auto zu nennen wie ein Staublappen, ist schon eine lustige Idee. Da scheint es durchaus angebracht, den Dacia Duster in Marokko vorzustellen, wo der Straßenverkehr mächtig Staub aufwirbelt. Spaß beiseite – Die teils reichlich bescheidenen Straßen um Marrakesch sind gut geeignet, uns von den Fähigkeiten des rustikalen Dacia Duster zu überzeugen, der auch als Allradler angeboten wird – zumal auch der geringe Preis des Rumänen im übertragenen Sinne Staub aufwirbeln könnte.

Erstkontakt

Der erste Kontakt mit dem Duster ist ernüchternd: Wir sind von hinten an ihn herangetreten, um unser Gepäck zu verstauen. Dabei hat mein Fingernagel Bekanntschaft mit dem Hartplastik gemacht, welches den Öffnungsknopf der Heckklappe umgibt. Ein Blick hinunter zeigt: Ja, auch an der Karosserieunterkante trägt der Duster dieses schwarze Plastik: robust, aber nicht sonderlich ansprechend. Egal, denke ich mir, ist halt ein günstiges SUV. Besser als ein Schickimicki-Auto fürs Bummeln auf dem Boulevard. Dabei sieht der Duster überhaupt nicht hässlich aus, im Gegenteil, von der Optik könnte sich so manches Modell der Dacia-Mutter Renault eine Scheibe abschneiden.

Spartanische Basisversion

Am Steuer verfestigt sich der erste Eindruck: Hartplastik auf dem Armaturenbrett, an den Türinnenseiten und auch sonst fast überall. Die Außenspiegel werden bei unserem Exemplar manuell eingestellt – die Preisliste zeigt, dass sich daran auch nichts ändern lässt. Auch die Fensterheber werden in der Basisversion manuell bedient, und eine Zentralverriegelung gibt es ebensowenig. Selbst das Sicherheitspaket bleibt mit nur zwei Airbags winzig klein – Seiten- oder gar Kopfairbags gibt es für die Grundversion ebensowenig wie ein ESP.

Weit günstiger als jedes andere SUV

Üppig ausgestattet ist die Basisvariante des Duster wahrlich nicht. Dafür kostet sie nur 11.900 Euro und ist damit ein Preisbrecher im sonst recht kostenintensiven SUV-Bereich. Die günstigste Alternative, ein Daihatsu Terios, kostet als Fronttriebler mit einem 105-PS-Benziner schon rund 16.500 Euro, ein vergleichbarer Skoda Yeti knapp 18.000 Euro.

1,6-Liter-Benziner mit 105 PS

Die Basismotorisierung des Duster ist mit dem des japanischen Konkurrenten Terios gut vergleichbar: Das rumänische Grund-SUV hat einen 1,6-Liter-Benziner mit 105 PS. Der Motor – der nach den Erwartungen von Dacia 60 Prozent der Verkäufe ausmachen soll – beschleunigt den Duster ordentlich, was schon die Angabe von 11,5 Sekunden zeigt. Auch in Marokko haben wir niemals Probleme beim Überholen. Den Spritverbrauch gibt Dacia mit 7,5 Liter an. Das ist nicht gerade wenig, wenn man mit dem Skoda Yeti 1.2 TSI mit ebenfalls 105 PS vergleicht: Der Tscheche mit Downsizing-Motor benötigt fast einen Liter weniger. Suboptimal und schwer nachzuvollziehen ist die Schadstoffeinstufung: Der Duster 1.6 16V 4x2 erfüllt nur die Euro-4-Abgasnorm, während die Allradversion schon die Euro-5-Bescheinigung vorweisen kann.

Schlaglöcher sind kein Problem

Bevor wir aber auf die 4x4-Version zu sprechen kommen, noch etwas zum Fahrwerk: Es bügelt auch gravierende Schlaglöcher mit Leichtigkeit weg. Das merken wir in Marokko recht schnell. Da kommt schon mal ein bunt bemalter Lkw entgegen und nimmt dabei einen Großteil unserer Fahrbahnhälfte in Beschlag. Dann muss man runter vom Teer und rein in den schlaglochübersäten Schotterstreifen rechts davon. Bei solchen schnellen Ausweichbewegungen schwankt das Auto schon etwas, aber im Schotter bewährt sich der Duster glänzend. Selbst bei zehn Zentimeter tiefen Löchern bleibt es bei einem kräftigen "Boing" – die Wirbelsäule des Fahrers trägt aber keinen Schaden davon. Auch das Auto nicht, denn die Bodenfreiheit liegt bei 21 Zentimeter.

Zwei verschiedene Hinterachsen

Das Fahrwerk ist also wie gemacht für solche Straßen. Dabei basiert der Duster auf der Kleinwagenplattform von Renault/Dacia. Erkennbar ist das unter anderem an den Bremsen, die hinten in allen Versionen als Trommeln ausgeführt sind. Vorne gibt es eine McPherson-Achse, hinten kommt die bis in die Kompaktklasse hinein übliche Verbundlenkerachse zum Einsatz – allerdings nur beim Fronttriebler. Im Allradler wird dagegen eine Mehrlenker-Hinterachse verwendet, das hat wohl mit der Herkunft des 4x4-Systems zu tun.

Allradantrieb aus dem Murano

Denn der Allradantrieb des Duster basiert laut Dacia auf der Technik des Murano von Allianzpartner Nissan. Und dieser hat hinten eben eine Multilinkachse. Für die Kraftverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse des Duster ist eine elektrisch geregelte Mehr­scheiben­kupplung verantwortlich. Es gibt drei Modi – 2WD, Auto und Lock – die mit einem Drehregler in der Mittelkonsole gewählt werden. Im 2WD-Modus wird der Duster stets über die Vorderachse angetrieben. Das ist auch in der Betriebsart Auto der Fall, nur bei Glätte gelangt bis zu 50 Prozent der Kraft nach hinten. Für ganz schwere Fälle, im Gelände oder bei extrem winterlichen Verhältnissen, wechselt man in den Lock-Modus mit einer starren Kraftverteilung von 50 zu 50.

Offroadfahrt mit 110-PS-Diesel

Den Allradantrieb probieren wir in Marokko im Gelände aus, und zwar in Kombination mit dem 110 PS starken Topdiesel. Dazu hatte Dacia einen Parcours auf sandig-steinigem Untergrund abgesteckt, der es in sich hat. Ein Offroad-Experte steigt zu uns ins Auto und gibt Tipps: Zuerst sollen wir in den Lock-Modus schalten und den ersten Gang einlegen. Den sollten wir um Gottes willen niemals im Gelände herausnehmen, schärft uns der Mann ein. Wenn man ohne eingelegten Gang unbeabsichtigt ins Rollen oder Schliddern käme, würde es gefährlich. Es fehlt dann die Motorbremswirkung und zum Gangeinlegen wäre es meistens schon zu spät. Dann rollen wir langsam auf einen gähnenden Abgrund zu. Instinktiv steigen wir auf die Bremse, denn so steil hinunter sind bisher wenige gefahren.

Ein erster Gang zum Kriechen

Der Guide neben uns sagt uns, wie es geht: Gefühlvoll bremsen, aber nicht die Kupplung treten. Der erste Gang, sagt er, ist beim Duster dCi 110 4x4 sehr kurz ausgelegt, man kann ihn fast wie einen Kriechgang einsetzen. Und tatsächlich, nach mehrmaligem Motorabwürgen vertrauen wir uns endlich dem langsamen ersten Gang an. Bei 1000 U/min schleicht das Auto dann mit nur knapp 6 km/h dahin. Dies gilt für das neu entwickelte Sechsgang-Getriebe, das bei den Allradversionen und beim Fronttriebler mit 110-PS-Diesel zum Einsatz kommt – die anderen Versionen haben nur eine Fünfgangschaltung, eine Automatik wird nicht angeboten, aber dergleichen gibt es auch bei keinem anderen Dacia.

Achtbare Offroadeigenschaften

Außer den Erkenntnissen zum kurzen "Ersten" wird bei der Geländefahrt deutlich, dass der Dacia tatsächlich offroadfähig ist. Wo die steile Steigung wieder in eine ebene Piste übergeht, können wir die vorderen Böschungswinkel testen. Der Duster bietet 30 Grad, was schon ein ordentlicher Wert ist. Der Hardcore-Offroader Jeep Wrangler hat vorne zwar mit 38 Grad einen besseren Wert, hinten aber mit 31 Grad einen schlechteren – da wartet der Duster mit 36 Grad auf. Bei der Bodenfreiheit liegt der Jeep klar vorne: 21 statt 26 Zentimeter. Aber beim Rampenwinkel, der beim Überfahren von Geländekanten wichtig ist, ist der Unterschied wieder gering: Beim Duster sind es 23 Grad, beim Wrangler 25. Insgesamt liefert der Duster achtbare Offroadfähigkeiten.

Viel Platz im Fond

Wichtiger für den Alltag sind die Transportfähigkeiten. Auf dem Rücksitz haben auch groß Gewachsene viel Platz: Es mangelt weder an Knie- noch an Kopffreiheit. Allerdings ist der Gurt für den Mittelsitz in der Decke untergebracht, was nicht ganz so praktisch wie eine Anbringung in der Lehne ist.

Großer Kofferraum, geringe Variabilität

Der Kofferraum bietet beim Fronttriebler 475 Liter Volumen. Zum Vergleich: Ein Daihatsu Terios weist 380 Liter auf, ein Skoda Yeti 405 Liter. Die Rücksitzlehne lässt sich nur optional oder bei den höheren Ausstattungen serienmäßig geteilt umklappen. Zuvor empfiehlt es sich, die Sitzfläche umzuklappen. Das ist in allen Versionen nur ungeteilt möglich. Wenn hinten jemand sitzt, kann man die Umklappvorrichtung also nicht nutzen. Nach dem Umklappen ergibt sich aber eine leidlich ebene Ladefläche. Etwas störend ist die etwa vier Zentimeter hohe Ladeschwelle am Kofferraumeingang. Maximal passen 1636 Liter in die 4x2-Version – beim Allradler liegen die Kofferraumwerte immer etwas niedriger. Für den Terios ist kein Maximalwert fürs Kofferraumvolumen bekannt, beim Yeti ist er mit 1580 Liter niedriger. Insgesamt kann man dem Duster einen großen Kofferraum bescheinigen, allerdings bei eingeschränkter Variabilität.

Vier Ausstattungen

Das Beste am Duster ist der Preis. Die bereits genannten 11.900 Euro erklären sich allerdings auch durch die spartanische Ausstattung der Grundversion: nur zwei Airbags, manuelle Scheibenheber, händische Spiegeleinstellung, keine Zentralverriegelung und weder Radio noch Klimaanlage. 800 Euro über der Grundversion "Duster" liegt die Variante Ambience. Sie bietet zwar vier Airbags, elektrische Fensterheber vorne und eine Zentralverregelung, aber sonst nicht viel. Wer will, kann CD-Radio und Klimaanlage für 850 Euro dazukaufen.

Lauréate und Prestige

Oder man entscheidet sich für die 700 Euro teurere Version Lauréate. Hier sind Klimaanlage, Nebelscheinwerfer, elektrisch einstellbare Außenspiegel und eine Einstellmöglichkeit für Lenkrad und Fahrersitz Serie, das noch fehlende CD-Radio kostet 350 Euro Aufpreis. Die Topversion Prestige hat auch ein MP3-fähiges CD-Radio an Bord, dazu noch Ledersitze und 16-Zoll-Aluräder.

Ein Benziner und zwei Diesel

Als Motoren gibt es außer dem 105-PS-Benziner zwei 1,5-Liter-Diesel mit 86 und 107 oder 110 PS. Die niedrigere Leistungsangabe beim starken Diesel bezieht sich auf die 4x2-Version, die höhere auf die 4x4-Variante. Neben dem starken Diesel kann man auch den Benziner, nicht aber den 86-PS-Selbstzünder mit Allradantrieb bestellen, wobei der Aufpreis jeweils 1800 Euro beträgt.

Erster Dacia mit ESP

Der Duster mit dem Topdiesel ist der erste Dacia, der mit ESP verfügbar ist – es wurde auch Zeit. Allerdings wird das Stabilitätssystem eben nur bei einem von drei Motoren angeboten und auch nur optional. Auf die Frage, ob dahinter eine Abgrenzungsstrategie gegenüber den Renault-Modellen stecken könnte, schüttelt Dacia-Programmdirektor Gérard Detourbet den Kopf. Nein, das ist keine Strategie, sagt er. Erstens interessiere sich außerhalb Deutschlands ohnehin kaum jemand für das Thema ESP – schon gar nicht bei Kleinwagen oder ähnlich günstigen Autos. Und zweitens würden für die Abstimmung des ESP nicht unwesentliche Extrakosten anfallen.

Dass ESP ab November 2001 in Europa verpflichtend ist, passt mit dieser Argumentation nicht so recht zusammen. Abgesehen davon ist die Preisliste des Duster ein Lesegenuss: Auch wenn man es darauf anlegt und alle Extras ordert, wird der Preis kaum über 20.000 Euro getrieben.