Zu viel Stickoxid: Opel ruft Benziner zurĂĽck
Opel hat rund 209.000 Kleinwagen mit Benzinmotoren wegen möglicherweise zu hoher Stickoxid-Werte in die Werkstätten gerufen. Betroffen sind die Modelle Adam und Corsa der Modelljahre 2018 und 2019 mit 1,2 und 1,4 Liter Hubraum, die mit Benzin oder Flüssiggas (LPG) betrieben werden
- Martin Franz
Opel hat europaweit rund 209.000 Kleinwagen mit Benzinmotoren wegen möglicherweise zu hoher Stickoxid-Werte in die Werkstätten gerufen. Betroffen sind die Modelle Adam und Corsa der Modelljahre 2018 und 2019 mit 1,2 und 1,4 Liter Hubraum, die mit Benzin oder Flüssiggas (LPG) betrieben werden, bestätigte ein Unternehmenssprecher. Der 1,2-Liter-Motor leistet 70 PS, der mit 1,4 Litern 90 PS.
Softwareupdate
Bei hohen Geschwindigkeiten funktioniere die Lambdasonde nur fehlerhaft. Bei Laufleistungen über 50.000 Kilometer könne es daher eventuell zu einer Überschreitung der Stickoxid-Grenzwerte der Abgasnorm Euro 6d-Temp kommen, wie interne Qualitätskontrollen ergeben hätten. Der Fehler soll über ein Softwareupdate behoben werden. In Deutschland sind 54.126 Autos betroffen.
Der Fehler ist einigermaßen erstaunlich, und das gleich aus mehreren Gründen. Zum einen ist der Grenzwert für Stickoxide seit der Einführung der Abgasnorm Euro 5 nicht weiter verschärft worden. Sie gilt für neu homologierte Fahrzeuge seit 1. September 2009 und für alle erstmals in der EU zugelassenen Autos seit dem Januar 2011. Der Grenzwert liegt also seit vielen Jahren bei 60 mg/km für Benziner.
Zu mager
Bisher waren Benziner für erhöhte Stickoxid-Werte eigentlich nur dann anfällig, wenn sie mit einer inhomogenen Gemischbildung betrieben wurden. Dabei hat das Gemisch nicht überall im Brennraum das gleiche Verhältnis von Kraftstoff und Luft. Bei Teillast wird nur um die Zündkerze eine kleine Wolke von zündfähigem Kraftstoff-Luft-Gemisch gebildet, der Rest des Brennraums hat einen viel höheren Luftanteil des Gemischs. Das wird dann auch als „mager“ bezeichnet.
Das spart in der Theorie reichlich Kraftstoff, erhöht aber den Aufwand bei der Abgasnachbehandlung. Denn zum einen stört ein Zuviel an Sauerstoff die Funktion des Katalysators, zum anderen verbrennt der Bereich mit dem besonders hohen Luftanteil heißer als Gemisch mit normalem Verhältnis. Das liegt bei 14,8 kg Luft zu 1 kg Kraftstoff. Liegt der Luftanteil höher, verbrennt das Gemisch heißer, mit steigender Brennraumtemperatur gibt es auch mehr Stickoxid im Rohabgas.
Die Opel-Benziner sollten davon nicht betroffen sein, denn sie fahren stets mit einer homogenen Gemischbildung. Kraftstoff und Luft haben also überall im Brennraum das gleiche Verhältnis und zumindest in der Theorie gibt es auch kein Szenario, in dem im Brennraum mageres Gemisch verbrannt wird.
Etwas mehr Kraftstoff
Durch eine Fehlmessung der Sonde allerdings könnte die Steuerung eine Abmagerung veranlassen. Stößt der Motor dann weniger CO aus, gerät der Katalysator in einen Bereich schlechten Wirkungsgrads, da die Konvertierungsrate von NOx (2 NO + 2 CO => N2 + 2 CO2) sinkt. Gleichzeitig steigt der Stickoxidanteil im Rohabgas bei leicht magerem Gemisch. Fährt der Opel-Benziner in einigen Betriebszuständen etwas zu mager, wird das Softwareupdate für ein minimal fetteres Gemisch sorgen, indem geringfügig mehr Kraftstoff eingespritzt wird.
An dieser Stelle ist es eine berechtigte Frage, warum Opel nicht die angeblich fehlerhaft messenden Lambdasonden tauscht und stattdessen einen neuen Steuercode auf den Rechner spielt. Möglich ist, dass die Sonden gar nicht defekt sind, sondern die Auslegung des Regelkreises grenzwertig war. Damit wäre sowohl eine Fehlfunktion nach einer gewissen Laufleistung als auch ein Software-Update erklärbar. Die etwas kuriose Erklärung in der Pressemitteilung wäre dann auf einen Kommunikationsdefekt zurückzuführen und nicht auf ein technisches Gebrechen. Wir versuchen, einen Ansprechpartner bei Opel für eine genauere Erklärung zu finden.
Mit Stickoxid-Problemen sind bisher vor allem Dieselmotoren aufgefallen, hohe Prominenz hat das Thema seit dem 2015 bekannt gewordenen Abgasbetrug durch Volkswagen und seine bis heute noch längst nicht abgeschlossene Aufarbeitung. Eine Ursache war der hohe Preis für eine wirksame Entstickung. Einfach konstruierte Ottomotoren ohne Schichtladung oder Magerbetriebsstrategien hingegen sind in dieser Hinsicht unproblematisch – ihnen genügt ein vergleichsweise preisgünstiger, robuster Dreiwegekatalysator. (mfz)