30 Jahre "Demolition Man": Grob und gröber​

Seite 2: Regeln über Regeln

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Überall hängen Automaten an den Wänden, die bei jedem Fluch automatisch einen Strafzettel ausspucken: "Sie bekommen eine Geldstrafe von einem Credit wegen Verstoßes gegen das verbale Moralitätsstatut." Die Zensoren sind selbst in Privatwohnungen installiert.

Das ist einerseits ein früher Hinweis auf die hässliche Seite der neuen Welt, andererseits einer der besten Running Gags des Films, weil die aufgetauten Kontrahenten trotz der Strafzettel fleißig weiterfluchen. Im Hintergrund quäkt daraufhin unweigerlich ein Automat los – ein gut gesetzter Stich gegen Political Correctness.

Auch sonst teilt das Drehbuch fleißig aus: Einerseits sind im 2032 von "Demolition Man" Abtreibungen illegal (da driften die USA ja heute schon hin), andererseits ist das Kinderkriegen nur mit Erlaubnis erlaubt. Mehr noch: Vor der Befruchtung wird die "Flüssigkeit" erst einmal im Labor ausgewertet, um dann von medizinischem Personal verabreicht zu werden.

Direkter körperlicher Kontakt ist 2032 nicht mehr üblich, nicht mal ein Handschlag – der Keime wegen. Zu Lockdown-Zeiten wurde das gern zur Prophezeiung der Covid-19-Pandemie hochstilisiert, doch die Drehbuchautoren hatten eine ihnen viel näher stehende Bedrohung vor Augen: 1994 war die AIDS-Epidemie für US-Amerikaner im Alter zwischen 25 und 44 Jahren die häufigste Todesursache.

Zukunftsvisionen aus "Demolition Man" (10 Bilder)

2032 ist nichts dabei, während der Fahrt ein Videotelefonat zu führen: Das Auto fährt eh von selbst. (Bild: Warner Bros. / Silver Pictures)

Diesen Hintergrund spricht der Film auch direkt an: "Der hemmungslose Austausch von Körperflüssigkeiten war einer der Hauptgründe für den moralischen Verfall der Gesellschaft! Nach AIDS kam NRS, und nach NRS gab es UBT!" Statt Medikamente zu entwickeln, wurde in "Demolition Man" offenbar stumpf auf Distanz gesetzt. Das gipfelt darin, dass Sex nur noch mit zwei Metern Abstand, synchronisierten Virtual-Reality-Hauben und gefalteten Handtüchern stattfindet.

Apropos Pandemie: Als in einigen Ländern während des Lockdowns das Toilettenpapier knapp wurde, nahmen online die Witze über die drei silbernen Muscheln zu, die im Film neben der Toilette liegen. 2006 hat Sylvester Stallone in einem Interview behauptet, ein Drehbuchautor habe ihm die Funktionsweise so erklärt, dass zwei der Muscheln wie Stäbchen geführt werden und die dritte zum Sauberkratzen diene. Brrrrr.

Viel an "Demolition Man" ist aus heutiger Sicht zu belächeln. Bei den Polizei-Elektroschockern versuchte die Realität schon 1993, die Zukunft einzuholen: In diesem Jahr wurde die US-Firma "Taser" gegründet – deren Produkte allerdings keineswegs so sanft funktionieren wie die Science-Fiction-Variante.

Auch andere Zukunftsvisionen traten schneller ein als erwartet. So hält das Staatsoberhaupt in "Demolition Man" alle Versammlungen rein virtuell ab: Alle Teilnehmer nehmen über Bildschirme teil, die sich dynamisch in Richtung des Sprechers drehen. Die Ähnlichkeit zu den während der letzten Pandemie gehypten Telepräsenz-Robotern wie PadBot und Ohmni sind frappierend.

Eine Schreckensvision von 1996 (5 Bilder)

1993 stellten sich Drehbuchautoren vor, dass LA schon drei Jahre später im Chaos untergehen würde.


(Bild: Warner Bros. / Silver Pictures)

Im Film fahren mehrere wunderschöne, von General Motors bereitgestellte Mobilitätsstudien durch die Zukunft – darunter ein silberner Einsitzer, der stark an real existierende E-Autos wie den Microlino und Renault Twizy erinnert.

Recht realitätsnah ist auch, wie 2032 von Flachbildschirmen durchsetzt ist. Deren Darstellungsmöglichkeiten bleiben allerdings weit hinter aktuellen HD-Bildschirmen zurück. An öffentlichen Plätzen stehen interaktive Infosäulen, die neben Landkarte und E-Mail auch Banking und einen digitalen Beichtstuhl ("Citizen Confessional") bereitstellen. Per "Ego Boost" können sich Bürger an diesen Kiosken sogar rudimentär therapieren lassen – alles klar, DiGA?

Die schicken E-Autos fahren bevorzugt im Automatikmodus, bieten aber weiterhin die Option zur manuellen Steuerung über ein ausfahrbares Lenkrad. In den Armaturen der Polizeiwagen kommen gleich sechs Displays unter: eines davon direkt auf dem Steuer, eines dahinter und vier vor dem Beifahrer. (Besser nicht Mr. Musk zeigen.) Im Unterschied zu "Zurück in die Zukunft Teil 2" und "Blade Runner" gibt es in San Angeles keine fliegenden Autos; offenbar setzt das Utopia von "Demolition Man" auf einen freien Luftraum.

Ein Seitenhieb auf den damaligen Stallone-Rivalen in Form der "Schwarzenegger Präsidenten-Bibliothek" wirkt zugleich visionär und veraltet: Zwar war Arnold Schwarzenegger bei Erscheinen des Films bereits als Berater politisch aktiv, ließ sich aber erst zehn Jahre später zum Gouverneur von Kalifornien wählen und zeigt seither keine Anwandlungen mehr, weiter nach oben zu streben.