50 Jahre Atari: Pong – und sonst?

Seite 4: Atari 5200 und Atari 7800

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1982 erscheint der Nachfolger des VCS, Atari 5200. Technisch basiert die Konsole auf den Computern von Atari. Im Innern regiert ein 6502-Prozessor über 16 Kilobyte RAM und eine Auflösung von 320x200 Punkten. Doch sie erscheint mitten im Crash der Videospiele-Industrie und muss sich gegen eine Vielzahl anderer Systeme behaupten, zum Beispiel dem ColecoVision. Und Heimcomputern wie dem neuen Commodore 64, aber auch den Modellen aus dem eigenen Haus. Zudem ist sie nicht abwärtskompatibel.

Das größte Problem ist hausgemacht: Die Controller haben eine schlechte Qualität und zentrieren sich nicht automatisch. Das macht die Steuerung zur Qual. Zudem haben sie andere Anschlüsse, sodass sich bisheriges Zubehör nicht mehr nutzen lässt. Am Ende verkauft sie sich enttäuschende eine Million Mal; in Europa wird sie gar nicht erst veröffentlicht. Mit einer weiteren Konsole, dem Atari 7800, sollen die Fehler korrigiert werden. Sie ist einerseits kompatibel zum 2600, aber technisch aufgewertet, um mit Geräten wie dem ColecoVision und Heimcomputern mithalten zu können. Sie soll sich mit Zubehör wie Tastatur und Diskettenlaufwerk sogar in einen Computer verwandeln können.

Atari 5200 (E3 2011)

(Bild: René Meyer)

Doch der Zeitpunkt 1984 ist ungünstig: Warner will sich von der Konsolen- und Computer-Abteilung von Atari trennen, und wenige Tage nach dem Verkaufsstart der Konsole übernimmt Jack Tramiel die Sparte. Tramiel, der in den Fünfzigern Commodore gründet und 30 Jahre leitet, bis er von einem Investor aus seinem eigenen Unternehmen gedrängt wird. Tramiel, der mit Konsolen nichts anfangen kann und der sich lieber in Sachen Heimcomputern mit Commodore messen will. Er stoppt die Konsolen-Produktion und greift das Atari 7800 erst zwei Jahre später wieder auf, als Nintendo mit dem NES und Sega mit dem Master System den Konsolen-Markt bestimmen. Das ist zu spät. Nach Europa kommt das 7800 gar erst 1990 und gilt bereits mit Erscheinen als "retro". Das versprochene Zubehör fällt unter den Tisch.

Mitte der Achtzigerjahre sind die 8-Bit-Computer von Commodore und Atari nicht mehr zeitgemäß. IBM stellt bereits 1984 den AT mit 16-Bit-Prozessor vor; auch der Macintosh arbeitet mit dem 16/32-Bit-Prozessor 68000 von Motorola.

Rettung verspricht das kleine Unternehmen Amiga Corporation rund um den Tüftler Jay Miner, der die Sound- und Grafikchips für das Atari 2600 und die Heimcomputer entworfen hat. Es arbeitet an einem fortschrittlichen System mit dem 68000. Allerdings fehlt das Geld für die Produktion. Atari schießt 500.000 Dollar dazu, und als nach dem Verkauf von Atari Tramiel Druck macht, treibt er Amiga in die Hände von Commodore. Aus den Entwürfen wird der Commodore Amiga, zunächst das teure und erfolglose Modell 1000, 1987 das erfolgreiche Modell 500.

Tramiel gibt nicht auf und stampft innerhalb von Monaten ein ähnliches System aus dem Boden. Der Atari ST (das Kürzel meint Sixteen/Thirtytwo, 16/32). Er verzaubert mit der Bedienoberfläche GEM, die sehr an den Macintosh erinnert, kann aber nicht auf Wunderchips setzen, wie sie Jay Miner entwickelt: Vom Klang und vor allem von der Grafik ist der Amiga eine ganze Strecke fortschrittlicher. Dafür ist der ST preiswerter; und da sich die Fertigstellung des Amiga verzögert, ist er sogar eher da.

Für Torsten Othmer, der 1986 mit einem Freund in Aurich einen ST-Club ins Leben ruft, sind Preis und Verfügbarkeit die Gründe, sich gegen Commodore zu entscheiden: "Ich hatte meinen Atari schon im Herbst 1985 in Wilhelmshafen gekauft, für 2990 Mark, mit Schwarzweiß-Monitor und Diskettenlaufwerk, zusammengespart von meiner Ausbildungsvergütung. Der Amiga 1000 kostete 1986 mit Farbmonitor 5500 DM und war erst Mitte des Jahres 1986 in größeren Stückzahlen verfügbar. Der allseits bekannte Amiga 500 konnte mit dem Atari 1040 ST preislich konkurrieren, kam aber erst Mitte 1987 auf den Markt."

In Sachen Grafik und Sound kann der ST nicht mit dem Amiga mithalten. Er etabliert sich aber dennoch als preiswerte Alternative zu Apple im Bereich DTP; dank Programmen wie Calamus und einem seinerzeit sehr günstigen Laserdrucker. Und vor allem dem Standard-Monitor SM124, der sich mit seiner papierweißen Beschichtung, der Bildwiederholrate von 72 Hz und der hohen Auflösung von 640 × 400 Punkten besonders gut zum Layouten zum Beispiel von Zeitschriften eignet.

Auch bei Musikern ist der ST beliebt, dank der eingebauten MIDI-Schnittstelle und Programmen wie Cubase und Notator SL. Zum ersten Mal können auch Hobby-Musiker die Ausgaben eines Synthesizers in einen Computer einlesen, als Notensatz anzeigen, speichern und neu arrangieren; bequem per Maus und einer grafischen Bedienoberfläche. Einige der größten Musiker, wie Madonna, Depeche Mode und Queen, setzen auf Atari.

Aus dem ST wächst seine ganze Familie von Modellen wie dem STE (Enhanced) und Nachfolgern wie dem TT und dem Falcon030, zum Teil mit bereits integrierter Festplatte. Für den TT gibt es passend für DTP spezielle 19-Zoll-Monitore mit 1280 [×] 960 Punkten.

Doch nach 1990 schafft es Atari immer weniger, sich gegen den immer preiswerter und immer stärker werdenden PC durchzusetzen: Die 386er sind mit Windows 3.0 ausgestattet und lassen sich leicht erweitern – mit SVGA, Soundblaster und großen Festplatten. Der PC steht für die Zukunft. Atari steht (genau wie Commodore mit dem Amiga) für das vergangene Zeitalter des Heimcomputers.