50 Jahre Atari: Pong – und sonst?
Seite 3: UmbrĂĽche
Durch den Verkauf an Warner bekommt Bushnell einen Vorgesetzten: Ray Kassar, der zuvor 25 Jahre bei einem Socken-Hersteller arbeitet, nichts von Videospielen versteht und den Designern der Spiele den gleichen Stellenwert einräumt wie den Arbeitern, die am Fließband die Geräte zusammensetzen. Seine förmliche Art ist das Ende der lockeren (und teilweise sexistischen) Unternehmenskultur von Atari. Manche kommen damit nicht zurecht. Vor allem Bushnell nicht. Er verlässt Atari 1978 (um zunächst eine Fast-Food-Kette zu gründen).
Aber Kassar versteht etwas von Marketing und Unternehmungsführung. In den Folgejahren explodieren die Umsätze von Atari. Bis es zum großen Crash kommt. Der Markt wird überschwemmt mit Konsolen, die nicht miteinander kompatibel sind. Und vor allem mit viel zu vielen und oftmals schlechten Spielen. Gleichzeitig floriert der Heimcomputer-Markt. Geräte wie der Commodore 64 lassen komplexere Spiele zu und sind flexibler, können auch für die Arbeit und Kreatives eingesetzt werden. Beispielhaft für den Zusammenbruch des Marktes ist das Videospiel "E.T.", das hastig innerhalb von fünf Wochen zusammengeschustert wird.
In manchen Aufzählungen gilt es gar als "schlechtestes Spiel aller Zeiten". Von den fünf Millionen produzierten Modulen werden nur 1,5 Millionen verkauft. Das berühmte Verscharren von 700.000 nicht verkauften Modulen in einer Mülldeponie in New Mexiko ist ein Sinnbild der Krise, die später Nintendo mit seiner NES-Konsole und qualitativ herausragenden Spielen auflösen kann.
Atari 400 und 800
Atari ist nicht nur ein Pionier bei Spielkonsolen, sondern steigt früh in den Markt für Heimcomputer ein. Bereits Ende 1979 erscheinen der Atari 800 und sein kleiner Bruder Atari 400, die ältere Geräte wie den Apple II hinter sich lassen. Der spätere Hauptkonkurrent Commodore 64 erscheint erst drei Jahre später. So kann sich der Atari 800 dank Titeln wie "Boulder Dash", "M.U.L.E" und "Star Raiders" zunächst als Spielemaschine etablieren. Und er wird geschickt in den Bildungsbereich eingeführt, durch Lernsoftware und besondere Angebote für Lehreinrichtungen.
Doch trotz mehrfacher Überarbeitungen, die in einer ganzen Familie von Modellen wie dem 600XL und dem 800XL münden, haben es die Atari-Computer in den Achtzigerjahren nicht leicht. Konkurrenz kommt nicht nur vom leistungsfähigeren C64 mit seinen raffinierten Grafik- und Sound-Chips, sondern auch von preiswerteren Systemen wie dem ZX Spectrum. Ein Preiskampf beginnt, bei dem sich der Atari gegenüber dem C64 als das günstigere System positioniert. Das ist vorwiegend in der DDR und im ganzen Ostblock entscheidend, die jede Westmark teuer eintauschen müssen.
Der Journalist Heiko Weckbrodt (Oiger.de), aufgewachsen in der DDR, erinnert sich an seine Motive, einen Atari 800XL zu kaufen: "Ich hatte zunächst einen ZX81 ins Auge gefasst. Freunde in Ungarn hatten mich auf ihrem ZX Spectrum spielen und programmieren lassen. Für die Farbvariante reichte mein Westgeld aber zunächst nicht. Der Verkäufer im Intershop empfahl mir, auf den Atari XL zu warten. Der sei zu einem etwas höheren Preis ungleich besser. Als ich die technischen Daten sah, war ich überzeugt. Der C64 wäre noch mal teurer gewesen, und ich musste schon für den Atari einen Geldumtausch 1 zu 5 im Westen organisieren und finanzieren. Den Kauf habe ich nicht bereut."
So kommt es, dass das größte Computer-Treffen der DDR, in Böhlen bei Leipzig, in erster Linie ein Atari-Treffen ist. Die Staatsführung, westlicher Rechentechnik gegenüber sehr aufgeschlossen, lässt sogar das Gründen von Atari-Clubs zu, etwa in Berlin. Die 8-Bit-Szene rund um den Atari ist noch heute sehr aktiv, was im deutschsprachigen Raum vor allem dem bereits 1985 gegründeten ABBUC-Verein (Atari Bit Byter User Club) zu verdanken ist.